Im Juni habe ich von der Raumsonde New Horizons berichtet. Die Sonde der NASA ist schon seit 2006 im Weltall unterwegs und wird noch bis Juli 2015 weiter fliegen müssen, um ihr Ziel zu erreichen: den fernen Zwergplanet Pluto. Denn das ist einer der wenigen großen Himmelskörper in unserem Sonnensystem, von dem wir bis jetzt noch keine vernünftigen und detaillierten Bilder haben. Das ist schade, denn Pluto ist ein enorm interessantes Objekt. Wir haben die felsigen Planeten im inneren Sonnensystem mittlerweile recht ausführlich beobachtet und auch sehr viel Daten über die großen Gasriesen im äußeren Sonnensystem gesammelt. Von den Asteroiden im Asteroiden-Hauptgürtel dazwischen haben wir zumindest schon eine Handvoll aus der Nähe betrachten können – aber der ferne Kuiper-Asteroidengürtel hinter der Bahn des Neptun ist noch weitestgehend unerforscht. Schon in den 1990er Jahren plante man, eine Sonde bis zum Pluto (damals noch als Planet klassifiziert) zu schicken und wenn man schon mal in der Gegend war, wollte man gerne auch noch einen weiteren großen Asteroiden besuchen. Das Problem: Dort, wo die Sonde vorbei kommen würde, waren keine entsprechenden Objekte bekannt. Darum hat man nun mit dem Hubble-Weltraumteleskop eine intensive Suche durchgeführt und war glücklicherweise erfolgreich. New Horizons hat nun endlich ein zweites Ziel.
Man kann sich natürlich auch fragen, warum New Horizons überhaupt weiter fliegt. Da hat man nun nach fast 10 Jahren Flugzeit eine enorme Distanz zurück gelegt und erstmals den Pluto erreicht. Warum fliegt man dann dort nur kurz und mit hoher Geschwindigkeit vorbei und bleibt nicht einfach länger? Das wäre natürlich ebenfalls schön, denn Pluto könnte man durchaus länger erforschen. Er gehört zu einer Klasse von Himmelsobjekten, über die wir noch nicht viel wissen. Ist da zum Beispiel ein flüssiger Ozean unter dem dicken Eispanzer des Zwergplaneten? Wie sieht die Interaktion mit dem vergleichsweise großen Mond Charon aus? Gibt es sowas wie Plattentektonik auf Pluto? Risse in der Eiskruste? Über die “Eisplaneten” des äußersten Sonnensystems wissen wir noch wenig und eine nähere Untersuchung wäre attraktiv. Attraktiv und teuer, denn wenn man bei Pluto bleiben will, dann muss man natürlich zuerst anhalten.
New Horizons aber bewegt sich enorm schnell; anders hätte man die gewaltige Distanz bis hinter die Neptunbahn auch nicht in so kurzer Zeit zurück legen können. Wollte man die Sonde nun abbremsen, damit sie in einen Orbit um Pluto schwenken kann, wären dafür große Menge an Treibstoff nötig, die man den ganzen Weg mitschleppen hätte müssen und das hätte das ganze Projekt viel größer und teurer gemacht. Es wird im Juli 2015 als “nur” einen Vorbeiflug geben und eine kurze Möglichkeit, Bilder des Zwergplaneten zu machen bevor New Horizons weiter hinaus in Richtung Kuipergürtel saust. Aber auch dort gibt es jede Menge Asteroiden und es war von Anfang an ein Ziel der Mission, auch mindestens einen von ihnen aus der Nähe zu beobachten.
Dass man beim Start noch nicht wusste, welchen man ansteuern wird, war kein Problem. Man dachte, dass man in den verbleibenden Jahren auf jeden Fall noch genügend potentielle Ziele finden würde. Immerhin werden ständig neue Asteroiden entdeckt und auch die Zahl der bekannten Kuipergürtelobjekte würde bis zur Ankunft von Pluto noch anwachsen. Aber im Laufe der Zeit hat man festgestellt, dass es offensichtlich doch weniger Kuiper-Asteroiden gibt als man dachte. Und es war schwer sie zu finden, weil sich die potentielle Zielregion vor dem Hintergrund des Milchstraßenzentrums befand und die vielen hellen Sterne dort machten die Suche mühselig. Und New Horizons kann auch nicht einfach nach Belieben durch den Kuipergürtel kreuzen. Jede Bahnänderung kostet Treibstoff und der ist begrenzt. Es muss schon ein Asteroid sein, der in der Nähe der Flugbahn liegt und so einer war nicht bekannt.
Aber die intensive Suche mit dem Hubble-Teleskop war am Ende doch erfolgreich. Letzte Woche wurde die Entdeckung einiger Asteroiden bekannt gegeben von denen sich mindestens einer ideal als Ziel eignet. Er hat noch keinen richtigen Namen bekommen und noch nicht einmal die übliche provisorische Bezeichnung. Er trägt nur die interne Katalognummer “PT1” (“Potential Target 1”). Zwei andere Asteroiden (PT2 und PT3) können unter Umständen ebenfalls erreicht werden; zwei weitere bei der Suche entdeckte Asteroiden nicht. Aber PT1 ist wirklich ideal: Der Himmelskörper ist zwischen 30 und 50 Kilometer groß und wird mehr als 43 Mal weiter von der Sonne entfernt sein als die Erde, wenn New Horizons dort eintrifft. Das wird im Januar 2019 sein, wenn die Sonde nach der Begegnung mit Pluto die zusätzlichen knapp eine Milliarde Kilometer bis zu PT1 zurück gelegt hat.
Man wird fast beliebig nahe an PT1 vorbei fliegen können (anfangs sah es sogar so aus, als müsse man dem Asteroid aktiv ausweichen, wie die Entdecker berichten) und am Ende werden wir endlich auch Bilder eines Kuiper-Asteroiden haben!
Es freut mich sehr, dass die Suche nach einem zweiten Ziel für New Horizons noch erfolgreich verlaufen ist. Es wäre schade, wenn man nicht das volle Potential der Raumsonde ausnutzen hätte können. So oft kommen wir nicht in diese fernen Regionen des Sonnensystems und wenn wir schon einmal dort sind, sollten wir so viele Informationen sammeln wie möglich. Und als großer Asteroiden-Fan bin ich natürlich auch begeistert, dass wir bald nicht nur Bilder der “normalen” Hauptgürtel-Asteroiden haben sondern auch zumindest zwei Objekte aus dem Kuipergürtel detailliert untersuchen können. Ich bin gespannt, was es für Unterschiede geben wird und wie eisigen kleinen Welten aus der Nähe aussehen.
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