Die Suche nach der dunklen Materie gehört zu den aktivsten und spannendsten Forschungsgebieten der modernen Naturwissenschaft. Obwohl wir die dunkle Materie ja eigentlich schon längst gefunden haben. Schon seit den 1930er Jahren messen und beobachten wir die Auswirkungen ihrer Anwesenheit überall im Universum. Aber da es sich eben per Definition um Materie handelt, die man nicht sehen kann, wissen wir zwar, dass da etwas ist, aber nicht was es ist. Aber immer öfter finden diverse Experimente vielversprechende Spuren, die uns dabei helfen können, die Natur der dunklen Materie zu enträtseln. Aber solange es keinen direkten Nachweis gibt, ist die Arbeit nicht vorbei. Und genau so einen Nachweis wollen Wissenschaftler aus Großbritannien und Frankreich nun gefunden haben.
Wie gesagt: Wir wissen, dass da im Universum irgendeine Art von Materie sein muss, die zwar Gravitationskraft ausüben kann, aber nicht elektromagnetisch wechselwirkt, also weder Licht ausstrahlt noch Licht absorbiert. Materie also, die unsichtbar ist aber trotzdem ihre Umgebung beeinflussen kann. Und zwar sehr viel Materie; viel mehr als “normale” Materie. Die bisherige Erforschung der dunklen Materie habe ich schon früher in einer Serie zusammengefasst. Im letzten Teil der Serie habe ich über die verschiedenen Versuche geschrieben, die durchgeführt werden um die Natur der dunklen Materie zu verstehen und sie einwandfrei nachzuweisen.
Man geht davon aus, dass die dunkle Materie aus bisher noch unentdeckten Elementarteilchen besteht. “Unsichtbare” Teilchen klingen zwar ein wenig weit her geholt. Sie sind es aber nicht, denn wir kennen zum Beispiel die Neutrinos. Diese Teilchen wurden 1930 vorhergesagt, 1956 experimentell nachgewiesen und sie sind dunkle Materie. Neutrinos haben eine geringe Masse und üben damit Gravitationskraft aus; werden aber von der elektromagnetischen Kraft nicht beeinflusst. Sie sind sind unsichtbar und wechselwirken so gut wie gar nicht normaler Materie. Sie entstehen in großer Zahl bei den nuklearen Reaktionen im Inneren der Sonne und in jeder Sekunde durchströmen unvorstellbar viele dieser Teilchen die Erde, die aus Sicht der Neutrinos gar nicht zu existieren scheint. Wir wissen mittlerweile aber auch, dass es im Universum viel zu wenig Neutrinos geben kann, um die Gesamtheit der dunklen Materie zu erklären. Die Neutrinos können für die überall im Kosmos beobachteten Effekte nicht verantwortlich sein.
Im normalen Standardmodell der Teilchenphysik gibt es aber ansonsten keine Teilchen mehr, die die Rolle der dunklen Materie spielen könnten. Aber verschiedene hypothetische Erweiterungen der Teilchenphysik sagen die Existenz noch unentdeckter Teilchen voraus, die alle Eigenschaften haben, die dunkle Materie haben muss. Eine dieser Erweiterungen ist die Supersymmetrie (siehe hier für eine längere Erklärung), die von vielen Wissenschaftlern favorisiert wird. Allerdings hätte man eigentlich mittlerweile schon entsprechende Beobachtungen an den großen Teilchenbeschleunigern machen müssen, die die Vorhersagen der Supersymmetrie bestätigen. Das ist bis jetzt nicht geschehen und wenn das auch nicht zwingend das Ende für diese Hypothese bedeutet, hat es doch deutlich gemacht, dass man sich auch mit den Alternativen beschäftigen muss. Wenn hypothetische supersymmetrische Teilchen als Kandidaten für die dunkle Materie ausscheiden, dann wären die Axione eine gute Möglichkeit.
Ein Axion ist ein Teilchen, dessen Existenz im Jahr 1977 vorhergesagt wurde. Man hat es eingeführt, um das Problem der sogenannten starken CP-Verletzung zu lösen. Das bezieht sich auf die sogenannte CP-Invarianz, also die Tatsache, dass sich die Eigenschaften eines physikalischen Systems nicht verändern sollten, wenn man alle Teilchen durch ihre Antiteilchen ersetzt und gleichzeitig alle Raumkoordinaten spiegelt. Das Spiegelbild eines physikalischen Systems sollte sich also identisch zum realen Bild verhalten, vorausgesetzt es besteht aus Antiteilchen; zumindest schien das aus den gängigen Naturgesetzen zu folgen, die das Verhalten der Teilchen beschreiben. Allerdings entdeckte man Ende der 1950er Jahren, dass diese Symmetrie unter gewissen Umständen verletzt werden kann. Bestimmte Wechselwirkungen zwischen Teilchen behandeln nicht alle gleich, sondern bevorzugen bestimmte Konfigurationen. Diese “CP-Verletzung” ist ein integraler Bestandteil der sogenannten “Quantenchromodynamik (QCD)”, also der Theorie, die die starke Kernkraft beschreibt. Diese Kraft ist zum Beispiel dafür verantwortlich, dass Quarks zusammenhalten und Protonen bzw. Neutronen, also die Bausteine der Atome, bilden können. Und laut der QCD sollte die starke Kraft die CP-Invarianz verletzen – bis jetzt hat man aber noch nirgendwo eine solche Verletzung auch tatsächlich beobachten können. Um diesen Umstand zu erklären, wurde die Theorie modifiziert, die allerdings nun nur noch funktioniert, wenn man die Existenz eines unbekannten Teilchens vorhersagt: Dem Axion.
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