Das Axion hat also erst mal nichts mit dunkler Materie zu tun. Dass seine vorhergesagten Eigenschaften trotzdem so gut zu den Eigenschaften passen, die man aus der Beobachtung der Effekte der dunklen Materie ableiten kann, ist nicht nur ein netter Zufall. Es ist auch ein vielversprechender Hinweis: Wenn zwei komplett unterschiedliche Theorien die sich mit komplett unterschiedlichen Dingen beschaffen (einmal Elementarteilchen; einmal das Verhalten von Galaxien und Sternen) trotzdem beide die Existenz eines neuen Teilchens vorhersagen und zwar mit übereinstimmenden Eigenschaften, dann könnte das auf eine tiefere Verbindung hindeuten. Aber gut, das war auch bei der Vorhersage der Supersymmetrie der Fall…
Trotzdem sind Axione eine gute Möglichkeit, das Problem der dunklen Materie zu lösen. Aber nur falls es sie gibt und man ihre Existenz auch nachweisen kann. Das ist naturgemäß schwierig: Etwas, das per Definition so gut wie nie mit normaler Materie wechselwirkt, lässt sich logischerweise nicht so einfach dingfest machen. Bei den Neutrinos haben wie die Sache mittlerweile halbwegs in den Griff bekommen, aber auch nur durch den Einsatz massiver Technik und gigantischer Detektoren (zum Beispiel dem einem Kubikkilometer umfassenden IceCube in der Antarktis). Bei der dunklen Materie ist es schwieriger, aber die Arbeit der britischen und französischen Wissenschaftler zeigt einen möglichen Weg auf.
Der Titel verrät schon, worum es geht: “Potential solar axion signatures in X-ray observations with the XMM–Newton observatory”. Man sucht “solar axion signatures” mittels “X-ray observations”: Wenn es die Axione gibt, dann sollten sie im Inneren der Sonne bei den dort stattfinden nuklearen Reaktionen frei werden, so wie das auch bei den Neutrinos der Fall ist. Neben Licht, Sonnenwind und Neutrinos sollte die Sonne also auch einen stetigen Strom aus Axionen ins All hinaus schicken. Wenn die Axione dann auf das Magnetfeld der Erde treffen, kommt der inverse Primakoff-Effekt ins Spiel. Oder vereinfacht gesagt: Die Axione werden in hochenergetische Photonen, also Röntgenstrahlung, umgewandelt wenn sie auf das Magnetfeld der Erde treffen.
Röntgenstrahlung hat den Vorteil, von unseren Weltraumteleskopen beobachtet werden zu können. Aber auch den Nachteil, dass es im All auch jede Menge andere Röntgenquellen gibt. Jeder Stern schickt Licht hinaus ins All und dieses “Licht” ist nicht nur das normale sichtbare Licht sondern umfasst das gesamte elektromagnetische Spektrum, inklusive Röntgenstrahlung. Es gibt da draußen also sehr viel natürliche Röntgenstrahlung die mit dunkler Materie nichts zu tun hat. Aber die Forscher um George Fraser (der leider kurz vor Veröffentlichung seiner Arbeit verstorben ist) von der Universität Leicester haben probiert, diesen ganzen Rest zu ignorieren. Bei ihrer Auswertung der Datenarchive des europäischen Röntgenteleskops XMM-Newton haben sie ein variables Röntgensignal gefunden, das sich deutlich vom Röntgenhintergrund abhebt. Als Quelle dieses Signals haben sie das Zentrum der Sonne identifiziert und die Stärke und Energie des beobachteten Röntgenlichts passt zu den Vorhersagen, die über die Axione gemacht worden sind.
Das ist eine interessante Beobachtung. Es ist eine vielversprechende Beobachtung. Es ist aber leider kein eindeutiger Nachweis von dunkler Materie. Die Situation erinnert ein wenig an die potentielle Entdeckung der kosmischen Inflation und die Zweifel daran. Auch dabei ging es darum, ein sehr schwaches Signal aus einer großen Menge an störendem Rauschen zu extrahieren. Ein Signal, dessen Ursprung auch durch verschiedene andere, weniger spektakuläre Phänomene verursacht werden hätte kennen. Und vermutlich war das damals auch tatsächlich der Fall – die Datenlage ist zwar immer noch unklar, aber neue Beobachtungen haben gezeigt, dass zumindest bei der “Inflation” schnöder kosmischer Staub die Ursache des Signals war. Und auch in diesem Fall listen die Autoren sechs alternative Möglichkeiten für den Ursprung des Röntgensignals auf. Von Wechselwirkung zwischen Erdmagnetfeld und Sonnenwind über Strahlung aus der Milchstraße bis hin zu Reflexionen von normaler Strahlung an der Erde gibt es genug weniger dramatische Alternativen zum Nachweis der dunklen Materie.
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