Gerade wenn es um Wissenschaft geht, wäre die Arbeit der Journalisten nämlich wirklich wichtig. Denn das sind genau die Themen, von denen der Durchschnittsmensch (im Gegensatz beispielsweise zum Sport) wenig Ahnung hat. Gerade hier braucht es gute und ausführliche Recherche, lange und verständliche Erklärungen und Einschätzungen, die es der Leserschaft möglich machen, zu erkennen, ob ein bestimmtes Forschungsergebnis relevant ist; warum es relevant ist oder ob es sich vielleicht doch nur um einen Hype oder vielleicht sogar Unsinn handelt.
Wissenschaft ist enorm wichtig für unsere Gesellschaft. Forschung zu Themen wie Klimawandel, erneuerbare Energien, Gentechnik, Medizin, Nanotechnologie, und so weiter bestimmen nicht nur, wie die Welt aussieht, in der wir leben. Es sind auch Themen, über die politische Entscheidungen getroffen werden müssen und da wäre es angebracht, wenn die Gesellschaft ausreichend und umfassend darüber informiert ist. Entsprechende Bedeutung kommt auch dem Wissenschaftsjournalismus zu, der ja genau diese Schnittstelle zwischen Forschung, Öffentlichkeit und Politik darstellt.
Ich will den Wissenschaftjournalismus auch gar nicht angreifen (Wieso auch? Ich schreibe ja selbst oft genug Artikel für diverse Zeitungen und Magazine). Aber manchmal frage ich mich, ob das mit dem “Mehrwert” der journalistischen Arbeit und den Blogs, in denen halt “irgendwas” steht, nicht doch ein klein wenig Unsinn ist. Zum Beispiel, wenn ich sehe, von welchen Partnern sich der “Bundespresseball” sponsern lässt (WebCite). Ob sich eine große Veranstaltung der Presse überhaupt finanziell von Firmen unterstützen lassen sollte, ist eine interessante Frage, die man aber vielleicht ein andern Mal diskutieren kann. Genau so wie die Frage, ob man sich unbedingt von einer Tabakfirma unterstützen lassen sollte. Aber es wirkt dann doch ein wenig seltsam, wenn neben Mercedes und British American Tobacco auch noch die Firma “Neutrino Inc.” als Unterstützer des Bundespresseballs aufscheint.
Der Ball wird jedes Jahr von der Bundespressekonferenz veranstaltet. Das ist ein Verein aus etwa 900 hauptberuflichen Journalisten deutscher Medien, der auf seiner Homepage über sich schreibt:
“Wie gelingt es relativ schnell, an möglichst objektive Informationen heranzukommen? Diese Frage haben sich Parlamentskorrespondenten im Herbst 1949 gestellt und daraufhin die Bundespressekonferenz (BPK) gegründet. Ihr Zweck ist, Pressekonferenzen mit maßgeblichen Personen aus Politik, Wirtschaft und Kultur zu veranstalten.”
Diese Veranstaltung mit den “maßgeblichen” Personen gibt es also schon lange und die BPK ist in der deutschen Medienlandschaft durchaus relevant. Und auch das Ziel, “an möglichst objektive Informationen heranzukommen” ist unterstützenswert und (siehe oben) wichtig. Es wird aber meiner Meinung nach ein klein wenig ad absurdum geführt, wenn von all den Journalisten der BPK niemand in der Lage war, herauszufinden, was von ihrem Partner “Neutrino Inc.” wirklich zu halten ist.
Auf der Homepage der Firma kann man höchst erstaunliches lesen. Man möchte dort eine “Inexhaustible Source of Energy” entwickeln; noch dazu “emissionsfrei und nachhaltig”. Und wie funktioniert diese “Zukunft der Energie”? Mit Neutrinos! Die Erklärungen (WebCite) sind aber eher dünn:
“Bei Wechselwirkungen und Reaktionen der Neutrinos mit Materie können jedoch große Energiemengen freigesetzt werden. (…) Basierend auf dieser Grundlagenforschung versucht Neutrino Inc. heute durch Einsatz von Nanotechnologie diese „freie“ Energie in Strom umzuwandeln und nutzbar zu machen.”
Man will also irgendwo Energie aus Neutrinos holen. Unbegrenzt viel Energie, ohne dass dabei irgendwelche fiese Umweltverschmutzung auftritt. Klingt super. Wer würde nicht gerne das Energieproblem der Menschheit gelöst sehen? Aber “freie Energie” für alle klingt ein wenig zu schön, um wahr zu sein. Das wäre eigentlich genau so ein Fall, wo man als Journalist mal ein wenig recherchieren könnte. Was sind eigentlich Neutrinos? Kriegt man da wirklich irgendwie Energie raus? Welche Wissenschaftler arbeiten für “Neutrino Inc.”? Welche wissenschaftliche Ausbildung hat der Chef der Firma? Und so weiter…
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