Viele Fragen die mir gestellt werden, haben mit Doppelsternen zu tun besonders. Besonders fasziniert scheinen die Menschen von der Vorstellung zu sein, es könnte dort Planeten geben. Beziehungsweise Planeten, auf denen es Leben geben könnte. Ist das möglich? Und wenn ja, wie läuft das ab? Viele stellen sich dabei vor, der Planet würde dann abwechselnd mal um den einen und dann um den anderen Stern laufen. Oder dass am Himmel so eines Planeten zwei Sonnen auf und unter gehen würden, so wie man es in den Science-Fiction Filmen gerne zu sehen bekommt. Aber machen zwei Sonnen den Planeten nicht zu heiß zum Leben? Oder bringen zumindest das Klima durcheinander? Das sind alles gute Fragen und ein paar davon will ich im heutigen Artikel aus der Serie “Fragen zur Astronomie” beantworten.
Zuerst müssen wir klären, ob es überhaupt Planeten bei Doppelsternen geben kann. Die Antwort darauf ist einfach zu geben: Ja, es gibt sie! Wir haben schon viele solcher Planeten entdeckt. Immerhin ist die Mehrheit der Sterne nicht alleine unterwegs und in Doppel- oder Mehrfachsternsystemen organisiert. Unsere Sonne als Einzelstern ist in dieser Hinsicht eine Ausnahme. Es wäre schade, wenn Planeten nur Einzelsterne umkreisen könnten – denn dann wären die meisten Sterne gezwungermaßen ohne Planet.
Aber natürlich macht die Anwesenheit von mehr als einem Stern die Bewegung von potentiellen Planeten ein wenig kompliziert. Jeder Himmelskörper beeinflusst jeden anderen Himmelskörper durch seine Gravitationskraft und die Stärke des Einfluss hängt von der Masse der Objekte und ihrem Abstand ab. In unserem Sonnensystem ist die Sonne bei weitem der massereichste Körper und sie dominiert daher auch die Bewegung aller Planeten. Die Störungen, die die Planeten untereinander ausüben, kann man fürs erste vernachlässigen (obwohl sie bei genauerer Betrachtung natürlich eine wichtige Rolle spielen!). Bei einem Einzelstern kann man einen Planeten im Prinzip irgendwo platzieren und er wird diesen Stern umkreisen (er darf aber logischerweise nicht zu nah am Stern sein und auch nicht so weit weg, dass er nicht mehr gravitativ an ihn gebunden ist). Bei zwei Sternen ist es komplizierter. Hier sind nicht mehr alle möglichen Umlaufbahnen für Planeten auch tatsächlich stabil.
Man kann zwischen zwei grundlegenden Arten der Bewegung unterscheiden: Entweder der Planet kreist außen um beide Sterne herum oder bewegt sich nur um einen der beiden. Der erste Fall wird P-Typ genannt. Der Planet umkreist beide Sterne und aus seiner Sicht macht es keinen Unterschied ob da nun ein oder zwei (oder noch mehr) Sterne sind. Auf seiner Außenbahn spürt er nur die kombinierte Gravitationskraft aller Sterne in der Mitte und ob die jetzt von einem oder zwei Sternen ausgeübt wird, ist egal.
Erst wenn der Planet den beiden Sternen im Zentrum des Systems zu nahe rückt, wird es kritisch. Dann lässt sich der gravitative Einfluss nicht mehr kombiniert betrachten. Je nachdem wo sich Planet und Sterne gerade befinden, werden die Störungen mal stärker und mal schwächer sein und am Ende wird die Planetenbahn instabil. Er wird aus dem System geworfen oder kollidiert mit einem der Sterne (bzw. können sich in diesen Regionen vermutlich gar keine Planeten bilden).
Die Lage beruhigt sich erst wieder, wenn der Planet einem der beiden Sterne nahe genug ist. Jetzt wird seine Bewegung von diesem einen Stern dominiert und die Störungen die vom anderen, entfernten Stern ausgeübt werden, sind gering. Diese Art der stabilen Bewegung wird S-Typ genannt. Es ist ein wenig knifflig zu berechnen, wo die Stabilitätsgrenzen liegen und es gibt keine allgemeingültigen Formeln dafür (weil es hier immer um die Bewegung von drei Himmelskörpern geht und dieses Problem mathematisch unlösbar ist). Aber mit Computersimulationen lassen sich die stabilen Regionen recht leicht finden.
Man kann die Sache vielleicht so zusammenfassen: Planeten können sich überall dort in einem Doppelsternsystem problemlos bewegen, wo sie nur die Gravitationskraft eines einzelnen Objekts spüren. Entweder, weil beide Sterne aus Sicht des Planeten annähernd gleich weit weg sind und sie so wirken, wie ein einzelner, massereicherer Stern (P-Typ), oder weil ein Stern dem Planet sehr und der andere weit weg ist, so dass wieder nur die Gravitationskraft eines einzelnen Sterns die Bewegung bestimmt. Wer mehr wissen möchte: Ich habe die Sache mit der Bewegung von Planeten in Doppelsternen hier genauer erklärt.
Und wie sieht es mit Leben auf solchen Planeten aus? Die Frage ist genau so schwer zu beantworten wie die nach Leben auf Planeten, die nur einen einzigen Stern umkreisen. Wir haben keine Ahnung, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit irgendwo Leben entstehen kann und wir haben derzeit (noch!) nicht die technischen Möglichkeiten, Planeten anderer Sterne so genau zu untersuchen, um zum Beispiel herauszufinden, wie ihre Atmosphäre zusammengesetzt ist und ob die Bedingungen dort der Erde ähneln. Die Ausgangslage ist bei den Planeten in Doppelsternsystemen aber nicht grundlegend anders. Da es Planeten nur dort geben kann, wo die Gravitationskraft von einem der beiden Sterne dominiert, wird auch im Allgemeinen die Strahlung von nur einem Stern dominieren.
Im Fall der P-Typ-Bewegung sind beide Sterne aus Sicht des Planeten fast gleich weit weg. Man wird am Himmel so eines Planeten dann vielleicht sogar tatsächlich zwei Sonnen sehen können. Aber auf solchen Planeten ist es vermutlich auch eher zu kalt für Leben; eben weil sie weit außen um beide Sterne kreisen (siehe hier für das Beispiel eines realen Planeten in so einer Konfiguration). Beim S-Typ muss der zweite Stern weit genug weg sein, damit sein gravitativer Einfluss nicht stört und damit ist er im Allgemeinen auch weit genug weg, um am Himmel nicht mehr großartig aufzufallen. Er wäre zwar vermutlich das hellste Objekt am Nachthimmel und unter Umständen sogar am Taghimmel zu sehen. Aber es gäbe eben mit ziemlicher Sicherheit einen Nachthimmel und keine zweite Sonne, die den Planeten in eine glühende Wüste verwandelt.
Natürlich können die Dinge auch wesentlich komplizierter sein. Das, was ich gerade beschrieben habe, ist ein allgemeines Szenario. Aber je nachdem um welche Sterne es sich handelt, kann die Lage auch ein wenig komplexer werden. Die Sterne eines Doppelsternsystems sind zwar zum gleichen Zeitpunkt wie die Planeten entstanden. Aber es müssen deswegen nicht unbedingt “Zwillingssterne” sein. Einer der Sterne könnte wesentlich massereicher sein als der andere und damit auch wesentlich heißer und heller. Unterschiedlich massereiche Sterne machen auch die Grenzen zwischen den stabilen und instabilen Regionen ein wenig verwirrender und man müsste das ganze dann wohl tatsächlich jedesmal im Detail am Computer simulieren, um herauszufinden, wo sich Planeten aufhalten können und wie dort der jeweilige Strahlungsfluss von den Sternen aussehen würde (siehe zum Beispiel hier für solche Simulationen).
Man kann aber auch – und das mit gewissem Recht – argumentieren, dass Doppelsternsysteme mit einem winzigen und einem riesigen Stern sowieso eher ungeeignet für Leben sein werden. Denn je mehr Masse ein Stern hat, desto heißer ist er und desto schneller verbrennt er sein Material. Die heißen Riesensterne leben also kürzer als die Winzlinge. Unsere vergleichsweise kleine Sonne hat eine Lebensdauer von etwa 10 Milliarden Jahren. Noch kleinere rote Zwerge können viele hundert Milliarden Jahre leben. Große und heiße Sterne dagegen schaffen oft nur ein paar Millionen Jahre, bevor sie in einer Supernova explodieren und das ist der Entwicklung von potentiellem Leben nicht unbedingt förderlich. Wenn wir also nach Doppelsternen suchen, in denen sich erdähnliche Planeten befinden, dann werden wir das eher dort tun, wo beide Sterne auch sonnenähnlich sind.
Abschließend kann man die Frage vielleicht so beantworten: Ja, es kann erdähnliche Planeten in Doppelsternsystemen geben. Es gibt keine astronomischen Gründe, die dagegen sprechen. Um herauszufinden, wie sich die Anwesenheit eines zweiten Sterns auf die Bewohnbarkeit eines Planeten aber tatsächlich auswirkt, müssen wir noch ein paar Jahre warten, bis wir die nötigen Teleskope haben mit denen man entsprechende Beobachtungen anstellen kann.
Mehr Antworten findet ihr auf der Übersichtsseite zu den Fragen, wo ihr selbst auch Fragen stellen könnt.
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