Kurz gesagt: Die Masse eines Teilchens das sich schneller als das Licht bewegt, muss imaginär sein!
Eigentlich könnte man ja denken, man müsste sich mit so etwas gar nicht beschäftigen. Denn immerhin sagt Einstein ja, dass sich nichts schneller als das Licht bewegen kann. Aber das ist nicht ganz korrekt. Seine Theorie besagt nur, dass man unendlich viel Energie benötigen würde, um ein Objekt auf Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen. Es ist also unmöglich, irgendetwas schneller als das Licht zu beschleunigen. Es ist aber – zumindest rein theoretisch – möglich, dass Teilchen entstehen, die schon von Anfang an schneller als das Licht sind! Man kann von Unterlichtgeschwindigkeit nicht zur Überlichtgeschwindigkeit wechseln. Aber Teilchen die sich immer mit Überlichtgeschwindigkeit bewegen, sind kein Widerspruch zur Relativitätstheorie.
Solche hypothetischen Teilchen nennt man Tachyonen (und sie tauchen heutzutage meistens in der Esoterik auf; darum soll es hier aber nicht gehen) und sie haben eine imaginäre Masse. Die Idee, dass es sich bei Neutrinos um genau solche Tachyonen handeln könnte, ist nicht neu – sie ist schon in den 1980er Jahren aufgetaucht. Und tatsächlich gab es früher Messdaten, die damit nicht in Widerspruch standen. Sie lieferten einen negativen Wert für das Quadrat der Masse der Neutrinos, also eine imaginäre Masse. Innerhalb der Fehlergrenzen waren die Werte aber auch mit einer normalen oder gar keiner Masse vereinbar und die Experimente selbst stellten sich später als fehlerbehaftet heraus.
Robert Ehrlich aber hat nun in seiner Arbeit diverse Daten zusammen getragen, die erneut zeigen sollen, dass die Masse von Neutrinos imaginär ist. Eine seiner Überlegungen hat zum Beispiel mit dem “Knie” in der kosmischen Strahlung zu tun. Die Argumentationskette ist ein wenig knifflig: Es beginnt mit Teilchen, die aus dem Weltraum zur Erde gelangen. Davon gibt es jede Menge; Sterne und andere kosmische Phänomene schicken ständig diverse Teilchen durch die Gegend und wenn sie zu uns auf die Erde gelangen, kann man ihre Energie messen und deren Verteilung aufzeichnen. Tut man das, bekommt man ein Diagramm mit einem “Knie”, also einer Region, in der ein bisschen weniger Teilchen einer bestimmten Energie vorhanden sind, als man eigentlich erwarten würde.
Die Auswertung ist komplex, denn wir wissen immer noch nicht genau über alle Prozesse Bescheid, die kosmische Strahlung produzieren; können also auch nicht exakt sagen, wie viele Teilchen einer bestimmten Energie wir eigentlich erwarten. Aber eine mögliche Erklärung für dieses “Knie” wären überlichtschnelle Neutrinos. Denn wenn es die gibt, dann folgt daraus unter anderem, dass Protonen nicht stabil sein können. Protonen die sehr hohe Energien haben zerfallen zu Neutronen und Neutrinos und deswegen gibt es weniger davon als man erwarten würde.
Das ist natürlich ein sehr, sehr indirektes Indiz und das gilt auch für die fünf anderen Argumentationslinien, die Ehrlich in seinem Artikel verfolgt. Es handelt sich dabei immer um Messdaten anderer Wissenschaftler, die jede für sich auch ganz ohne überlichtschnelle Neutrinos erklärt werden können. Aber Ehrlich hat die Daten neu und anders ausgewertet und kam dabei zu dem Schluss, das sie alle auf die gleiche und eben imaginäre Neutrinomasse hindeuten, wie dieses Diagramm aus seiner Arbeit zeigt:
Die sechs Punkte entsprechend seiner Auswertung der Daten und geben die Neutrinomasse an. Innerhalb der Fehlerbalken stimmen sie überein und geben eine Masse an, die imaginär ist und zwei dreimillionstel der Masse eines Elektrons entspricht (mit der angeblichen “Entdeckung” überlichtschnellen Neutrinos am CERN hat das übrigens erst Mal nichts zu tun; beim CERN ging es um eine andere Art von Neutrinos als denjenigen, mit denen sich Ehrlich beschäftigt).
Man darf ob dieser Behauptung durchaus skeptisch sein. Es ist immer ein wenig schwierig, Experimente im Nachhinein unter anderen Gesichtspunkten zu interpretieren und nicht so zu betrachten, wie sie eigentlich gedacht waren. Und es gibt durchaus auch Argumente, die gegen eine imaginäre Neutrinomasse sprechen. Man sollte dann zum Beispiel eine der Tscherenkow-Strahlung ähnlich Strahlung beobachten können, was man aber nicht getan hat (Tscherenkow-Strahlung entsteht, wenn sich Teilchen in einem Medium schneller als die lokale Lichtgeschwindigkeit bewegen – siehe hier). Mit überlichtschnellen Neutrinos könnte man auch theoretisch rückwärts in der Zeit kommunizieren, was zu allerlei Paradoxien führt weswegen viele Physiker davon ausgehen, dass sie in der Natur nicht existieren können.
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