Der fundamentale Ursprung aller Dinge liegt im Weltraum. All die chemischen Elemente aus denen wir und unsere Welt aufgebaut sind, entstanden im Inneren von Sternen, beim Urknall selbst und wurden durch verschiedenste kosmische Prozesse auf unsere Welt gebracht. Zu erklären, wie sehr unser Alltag mit dem verknüpft ist, was überall im Universum passiert, gehört zu meinen Lieblingsaufgaben als Wissenschaftsautor (ich habe ja auch ein ganzes Buch zu diesem Thema geschrieben). Wenn man die Dinge aber auf einer weniger fundamentalen Ebene betrachtet, werden sie nicht weniger interessant. Natürlich stimmt es, dass zum Beispiel der Kohlenstoff nur im Inneren der Sterne entsteht und durch gewaltige Explosionen überall im Weltraum verteilt wird. Und es stimmt ebenso, dass der Ursprung des Eisens in den Zentren toter Sterne zu finden ist. Aber wenn wir Eisen und Kohlenstoff nutzen wollen um daraus zum Beispiel Stahl zu machen, dann spielt die Astronomie keine Rolle. Dann geht es um Physik und Technik und all die Entdeckungen, die unsere Welt dazu gemacht haben, was sie heute ist. Und die Geschichte der Materialien, die unsere Zivilisation geformt haben, sind mindestens so spannend wie die Geschichten der Astronomie!
Ich muss zugeben, dass ich mich mit der Materialwissenschaft bis jetzt immer nur am Rande beschäftigt habe. Auch deswegen, weil es eine ziemlich komplizierte Wissenschaft ist; mit jeder Menge komplexer Mathematik und Quantenmechanik die sich nicht leicht vermitteln lässt. Aber – und davon bin ich fest überzeugt – wenn die richtige Person das Wissen auf die richtige Weise erklärt, kann man eigentlich jedes Thema verständlich und spannend in die Öffentlichkeit bringen.
Die richtige Person ist in diesem Fall der britische Materialwissenschaftler Mark Miodownik, den einige vielleicht von seinen diversen Auftritten im Fernsehprogramm der BBC kennen. In seinen Sendungen schafft er es immer wieder, mit seinen Geschichten über Materialien die Leute für Themen zu begeistern, die auf den ersten Blick wenig Faszinationspotential haben. Wer zum Beispiel der Meinung ist, Beton wäre langweilig, hat Miodownik noch nie davon schwärmen gehört…
All die Liebe zu den Materialien unserer modernen Welt hat Miodownik in sein Buch “Stuff Matters: Exploring the Marvelous Materials That Shape Our Man-Made World”* gesteckt. Das Buch hat den Royal Society Winton Prize for Science Books gewonnen und auch absolut verdient. Und weil es ein wirklich so großartiges Buch ist, möchte ich es in den nächsten Tagen ausführlich vorstellen!
Ich kann euch die Lektüre aber auch jetzt schon nur dringend empfehlen! Man ist vom ersten Moment an gefesselt. Welch anderes Sachbuch über Physik fängt zum Beispiel mit so einem Satz an:
“As I stood on a train bleeding from what would later be classified as a thirteen-centimeter stab wound, I wondered what to do.”
Miodownik beginnt sein Buch mit einem Erlebnis aus seiner Jugend: Als 16jähriger wurde er bei einem Überfall verletzt und zwar durch eine Rasierklinge. Er erzählt, wie er – sicherlich noch im Schock über den Angriff – vollkommen fasziniert von der Tatsache war, dass eine kleine Rasierklinge in der Lage war, durch mehrere Schichten Kleidung und tief in seine Haut schneiden konnte. Er spricht davon, wie ihn dieses Ereignis nicht mehr los ließ und zum Ausgangspunkt seiner Beschäftigung mit den Eigenschaften der verschiedensten Materialien wurde; eine Leidenschaft, die ihn einer Karriere als Materialwissenschaftler endete.
Im Rest des Buchs wendet Miodownik dann eine Taktik an, die ich auch gerne benutze. Jedem Kapitel ist ein Bild (es ist immer das gleiche) vorangestellt, das eine vollkommen alltägliche Szene zeigt: Miodownik sitzt auf seiner Dachterrasse und frühstückt. Und in jedem Kapitel pickt er sich ein Objekt dieser Szene heraus und erklärt ausführlich, wie es entsteht und welche Kenntnisse über die Welt wir erlangen mussten, um am Ende genau dieses Material mit genau diesen Eigenschaften produzieren zu können. Ob das nun der Kaffeelöffel aus rostfreiem Stahl ist, das Papier eines Buchs, das Plastik des Blumentopfs oder das Graphit eines Bleistifts: Die Geschichten die Miodownik zu erzählen hat, sind immer enorm faszinierend.
Aber dazu dann mehr morgen, wenn die Besprechung des Buchs startet!
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