stuffmatters (Andere)Dieser Artikel ist Teil einer fortlaufenden Besprechung des Buchs “Stuff Matters: Exploring the Marvelous Materials That Shape Our Man-Made World”* von Mark Miodownik. Jeder Artikel dieser Serie beschäftigt sich mit einem anderen Kapitel des Buchs. Eine Übersicht über alle bisher erschienenen Artikel findet man hier.

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Es bleibt vielfältig in Mark Miodowniks Welt der Materialien. Nach Stahl, Papier und Beton wird es nun kulinarisch. Wer im neuen Jahr vor hat, Gewicht zu verlieren und auf Süßigkeiten zu verzichten, sollte diesen Teil der Buchbesprechung vielleicht lieber überspringen – denn in Kapitel 4 geht es um Schokolade!

Die scheint irgendwie nicht ganz ins Konzept des Buchs zu passen. Schokolade als wichtiges Material unserer modernen Welt? Der Süßkram ist doch eher ein Lebensmittel und kein Material? Ja. Und Nein. Denn Schokolade wächst nicht auf Bäumen. Das tut nur die Kakaobohne und bis man aus der eine essbare Süßigkeit gemacht hat, muss man mindestens ebenso viel Aufwand treiben, wie man zur Herstellung von Stahl, Papier und Beton benötigt. Die Schokolade ist mindestens so sehr “Material” wie die vorangegangenen Stoffe. Und erstaunlich kompliziert!

Miodownik beginnt das Kapitel mit einer Aufforderung, der man gerne Folge leistet: Nehmt ein Stück gute dunkle Schokolade in den Mund. Aber nicht gleich zerkauen und schlucken! Sondern abwarten und beobachten: Zuerst ist das Stück fest und schmeckt nach nicht viel. Dann wird es wärmer, flüssig und plötzlich tauchen alle möglichen unterschiedlichen Geschmacksrichtungen auf. Die Zunge wird ein wenig kühl und der Geschmack der Schokolade breitet sich überall aus.

Schokolade ist, wie Miodownik es beschreibt, ein “festes Getränk” und dass das möglich ist liegt daran, wie die Kristalle der Kakaobutter funktionieren. Kakaobutter ist ja eigentlich nur Fett, aber eben ein ganz besonderes. Es schmilzt bei Körpertemperatur und es hält sich (im Gegensatz zu normaler Butter) enorm lange. Und es formt Kristalle und auf die kommt es an. Der Hauptbestandteil der Kakaobutter sind Triglyceride und die können sich auf verschiedene Weise verschieden dicht anordnen.

Die Kristalle von Typ I und II (Ja, es gibt eine Klassifikation von Schokoladenkristallen…) sind sehr instabil und bilden eine sehr weiche Struktur. Diese Schokolade findet man zB als Glasur auf Eis, denn sie schmelzen schon bei 16 Grad. Typ III und IV Kristalle sind weich und krümelig und haben wenig mit der knackigen, festen Schokolade zu tun, die wir kennen. Das ist Schokolade vom Typ V und die ist schwer herzustellen. Man kann lange warten, dann ordnen sich Typ III und IV Kristalle von selbst zu Typ V an – aber dabei geben sie ein wenig Fett und Zucker ab und diese weißen Flecken will auch niemand auf der Schokolade sehen.

Die extrem dichten Typ-V-Kristalle bekommt man durch den komplizierten Vorgang des Temperierens, bei dem die Kristallisation der Schokolade extrem genau kontrolliert werden muss. Aber danach ist sie schön fest, glänzend und schmilzt erst, wenn sie im Mund durch die Körperwärme aufgeheizt wird (und deswegen wird auch die Zunge ein wenig kühler). Und wenn die Kakaobutterkristalle ihre Struktur verlieren, können sich auch die anderen Inhaltsstoffe verbreiten und wir schmecken all die verschiedenen Geschmacksnoten. Im geschlossenen Mund breiten sich nun auch die Duftmoleküle aus, die enorm zum Geschmackserlebnis beitragen.

Samen in der Kakaobohne (Bild: ARS, public domain)

Samen in der Kakaobohne (Bild: ARS, public domain)

Wie erstaunlich gut Schokolade schmeckt, ist überraschend, wenn man es mit dem – grauenhaften – Geschmack einer Kakaobohne frisch vom Baum vergleicht. Bis man die weiter verarbeiten kann, muss man so viel Aufwand treiben, dass – wie Miodownik feststellt – es überraschend ist, dass überhaupt jemand irgendwann mal auf die Idee gekommen ist. Man muss die Bohnen ernten, die Samen entfernen und dann verrotten lassen. Nur wenn sie auf die richtige Weise und für die richtige Dauer bei der richtigen Temperatur gären können, bilden sich die Ester-Moleküle, die für den späteren Geschmack verantwortlich sind. Dann müssen sie getrocknet werden und geröstet, damit die berühmte Maillard-Reaktion für die karamelligen Geschmacksnoten sorgen kann.

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Kommentare (1)

  1. #1 Meo
    9. Januar 2015

    Schokolade….NOW we’re talking ^^