Indirekt ist Glas auch für eine weitere Errungenschaft europäischer Kultur verantwortlich: Pils! Trinkgefäße waren früher notgedrungen undurchsichtig und das galt auch für Bierkrüge. Als im 19. Jahrhundert dann billige Gläser massenhaft produziert werden konnten, waren die Menschen zum ersten Mal in der Lage, ihr Getränk beim Trinken auch ausführlich zu betrachten. Und gerade beim Bier, das damals noch meistens dunkel und trübe war, sah das nicht so toll aus. Also braute man im böhmischen Pilsen ein helles, durchsichtiges, goldenes Bier mit hübschen Blubberblasen und alle waren zufrieden (das ist zumindest die Geschichte die Miodownik erzählt – vermutlich gab es in der Realität noch ein paar andere Gründe, die zur Erfindung des Pils geführt haben).
Richtig beeindruckend sind aber die Bologneser Tränen. Das ist geschmolzenes Glas, das in Wasser extrem schnell abgekühlt wird und dann feste Tropfen bildet. Die schnelle Abkühlung der äußersten Schichten führt zu einer starken Kompression des Materials und es wird extrem stabil. Man kann mit dem Hammer drauf schlagen und die Glasträne bleibt ganz. Im Inneren aber sorgt die hohe Spannung unter der die Träne steht für einen sehr instabilen Zustand. Es reicht eine kleine Störung, und die Spannung entlädt sich schlagartig. Bricht man ein Stück vom dünnen Ende der Träne ab, dann ist das Gleichgewicht gestört und sie explodiert. Das sieht dann zum Beispiel so aus (auf englisch heißen die Dinger übrigens “Prince Ruperts Drop”):
Das ist nicht nur eine schön anzusehende Spielerei – sondern auch das Prinzip, auf dem Sicherheitsglas basiert. Auch hier härtet man Glas so, dass es möglichst stabil ist und im Falle des Falles in möglichst viele, möglichst kleine Splitter zerbricht.
Apropos schön anzusehendes Glas: Miodownik spricht natürlich auch über die Verwendung von Glas in chemischen Labors und meint, dass jedes ernsthafte Labor eigene Glasbläser beschäftigt. Stimmt das wirklich? Ich dachte, man würde das Labormaterial industriell fertig lassen. Hat ein Chemielabor tatsächlich so viel Bedarf an individuell hergestellten Glasgefäßen? Wenn ja, fände ich das sehr interessant… (“Glasbläser im Dienst der Wissenschaft” – das wäre fast man einen Artikel wert).
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