Dieser Artikel ist Teil einer fortlaufenden Besprechung des Buchs “Stuff Matters: Exploring the Marvelous Materials That Shape Our Man-Made World”* von Mark Miodownik. Jeder Artikel dieser Serie beschäftigt sich mit einem anderen Kapitel des Buchs. Eine Übersicht über alle bisher erschienenen Artikel findet man hier.
Die bisher im Buch vorgestellten Materialien waren all mehr oder weniger dazu da, verschiedenste Dinge zu konstruieren: Stahl, Beton, Aerogel, Plastik, Papier, SchokoladeGlas, Graphit und Porzellan. Im vorletzten Kapitel geht es aber nun um ein ganz besonderes “Ding”: Unseren Körper! Mit welchen Materialien funktioniert der eigentlich? Und können wir ihn ebenso verbessern, wie wir das mit den Dingen im Rest der Welt getan haben? Vielleicht sogar bis zur Unsterblichkeit?
Miodownik beginnt dieses Kapitel mit Kindheitserinnerungen an die Fernsehserie “Der Sechs-Millionen-Dollar-Mann” und seine Enttäuschung darüber, dass er bei einem Beinbruch in der Kindheit einfach nur einen Gips bekam und danach nicht – so wie die Hauptfigur der Serie – mit verbesserten Gliedmaßen nach Hause gehen konnte. Er erzählt auch von den diversen anderen “Reparaturen” die im Laufe der Zeit an seinem Körper nötig wurde: Zahnersatz, weitere Knochenbrüche und sogar ein paar Titan-Schrauben, die nach einem Bänderriss notwendig wurden. Das führt direkt zu der Frage: Was kann man in einen Körper eigentlich einbauen? Und warum muss man das tun?
Normalerweise ist unser Körper recht gut darin, sich selbst zu erhalten. Die Knochen zum Beispiel bestehen aus einem porösen Material, das es den Zellen erlaubt, sich darin zu bewegen. So kann der Knochen bei Bedarf und ständiger Belastung stärker werden. Gleiches gilt für Muskeln – und im Gegensatz zu unbelebten Maschinen wird die Maschinerie unseres Körpers eben durch Belastung (im Normalfall) nicht abgenutzt. Im Gegenteil: Ein gewisses Training ist sogar nötig, damit Knochen und Muskeln nicht zu schwach werden und der Körper leistungsfähig bleibt. Aber manches lässt sich eben nicht ersetzen. Zähne zum Beispiel wachsen nur in der Kindheit nach. Wer später Löcher in den Zähnen hat, der hat Schmerzen. Die meiste Zeit der Geschichte über musste man mit diesen Schmerzen entweder leben – oder sich den Zahn ausreißen. Mittlerweile gibt es Ersatz wie das Amalgam, das viele von uns im Mund haben. Diese Mischung aus hauptsächlich Silber, Zinn und Quecksilber war ideal, um Löcher zu füllen. Das Material war bei Zimmertemperatur flüssig (und wer will schon heißes Metall in Zahnlöcher gegossen bekommen!). Gibt man aber noch ein paar andere Stoffe dazu, bilden Silber, Zinn und Quecksilber feste Kristalle. Dabei dehnt sich das Amalgam auch aus und füllt so die letzten Lücken. Mittlerweile verwendet man auch keramische Materialien zur Füllung oder macht gleich ganze Zähne daraus. Das ist zwar nicht immer billig, aber dafür sind die Ersatzzähne dann genau so fest wie die echten (Ich weiß wovon ich spreche – seit einem Fahrradunfall in der Kindheit habe ich gleich vier künstliche Zähne im Mund).
Aber nicht alles ist so unkompliziert zu ersetzen wie ein Zahn. Die Bänder zum Beispiel, die beim Sport gerne reißen… Die sind enorm wichtig, aber sie werden nicht durchblutet und man kann sie auch nicht so einfach nach- oder zusammenwachsen lassen. Dann muss man sie irgendwie künstlich befestigen und dazu braucht es das richtige Material. Unser Körper ist sehr wählerisch wenn es um Sachen geht, die man in ihn hineinstecken will und verträgt das meiste davon nicht. Titan allerdings funktioniert und es wächst noch dazu bereitwillig mit den Knochen zusammen. Außerdem ist es haltbar und reagiert chemisch nicht mit den anderen Stoffen im Körper. Das ideale Material also für diverse Ersatzteile… Noch besser aber wäre es, wenn man echte Körperteile nachwachsen lassen könnte. Und überraschenderweise geht das teilweise sogar schon. Dazu braucht man Stammzellen von dem Organ, das man nachbilden will. Und die muss man dann überreden, auf genau die richtige Art und Weise zu wachsen. Das tun sie, wenn man ihnen ein passendes Gerüst bietet: Miodownik berichtet von einem Fall, in dem ein Patient eine neue Luftröhre brauchte. Dazu hat man die ursprüngliche Luftröhre im Körper zuerst einmal ganz genau gescannt. Mit einem 3D-Drucker wurde eine exakte Kopie der Luftröhre erstellt, aus einem speziellen Material, auf dem sich die Stammzellen wohl fühlen. Sie wuchsen um das Gerüst herum, und – das ist der eigentliche Trick – gleichzeitig löste sich die gedruckte Kopie der Luftröhre auf so dass am Ende nur eine neue Röhre aus original Körperzellen des Patienten übrig bleibt. Die kann man dann implantieren, ohne das man den Rest seines Lebens Medikamente zur Unterdrückung der Immunabwehrreaktionen nehmen muss, mit denen der Körper normalerweise auf fremde Organe reagiert.
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