Diese Tetrade an Mondfinsternissen zwischen April 2014 und September 2015 soll nun also ein himmlisches Zeichen sein, dass uns auf die Wiederkehr Jesus und den darauf folgenden Weltuntergang vorbereiten soll. Behaupten zumindest Mark Biltz und John Hagee, der darüber sogar ein Buch geschrieben hat (das unverständlicherweise in den USA zu einem Bestseller wurde). Denn bei einer Mondfinsternis erscheint der Mond tatsächlich “in Blut”, also leicht rötlich gefärbt. Das liegt aber daran, dass auch bei einer Finsternis ein wenig Licht auf den Mond fällt. Und zwar Licht, dass von der Erde aus zu unserem Begleiter reflektiert wird. Und wenn das die äußeren Schichten unserer Atmosphäre durchdringt, wird es ein wenig gestreut. Rotes Licht allerdings nicht so stark wie die blauen Anteile und darum erscheint der Mond rötlich (das ist das gleiche Phänomen, dass auch Sonnenuntergänge so schön rot-orange aussehen lässt).
Jede Mondfinsternis färbt den Mond rötlich; das ist nicht weiter außergewöhnlich und war auch schon vor vielen hundert Jahren bekannt, als die Menschen die Texte der Bibel verfasst haben. Nicht finster wird bei einer Mondfinsternis übrigens die Sonne. Der oben zitierte Satz aus der Apostelgeschichte beschreibt also sowohl eine Sonnenfinsternis als auch eine Mondfinsternis. Oder etwas ganz anderes, metaphorisches. Aber egal, haben sich Biltz und Hagee gesagt: Denn die vier Mondfinsternisse der aktuellen Tetrade fallen alle auf wichtige jüdische Feiertage! Das kann doch nur ein wichtiges, göttliches Zeichen sein, oder nicht?
Ja, es stimmt, dass im April das Pessach-Fest stattfindet und im September/Oktober Sukkot, das “Laubhüttenfest”. Aber auch das ist nicht so dramatisch, wie es klingen mag. Der jüdische Kalender ist ein Mondkalender und orientiert sich mit seinen Feiertagen selbst an den Mondphasen. Übereinstimmungen zwischen jüdischen Feiertagen und den nur bei Vollmond möglichen Mondfinsternissen sind also zu erwarten und zwar um so mehr, als Feste wie Pessach und Sukkot nicht nur an einem einzigen Tag stattfinden, sondern sich über mehrere Tage verteilen. Das erhöht die Chancen auf eine Tetrade die mit den Feiertagen zusammenfällt. Das letzte Mal war das in den Jahren 1967/1968 der Fall; davor ist es 1949/1950 geschehen. Denn auch die Tetraden sind keine extrem seltenen Ereignisse, es gibt sie immer wieder. 2003/2004 fand zum Beispiel eine statt und die nächste folgt in den Jahren 2032/2033.
In den zwei Jahrtausenden, in denen das Christentum existiert, gab es insgesamt 62 Tetraden und acht davon fielen mit jüdischen Feiertagen zusammen. Und die Welt ist davon kein einziges Mal untergegangen. Hätte es vor zweitausend Jahren in Israel schon Astronomen gegeben, die das Auftreten von Mondfinsternissen in der fernen Zukunft exakt genug berechnen hätten können, dann hätte sie die aktuelle Tetrade vermutlich auch wenig interessiert. Denn weder die beiden Mondfinsternisse des letzten Jahres noch die April-Mondfinsternis im Jahr 2015 ist von Israel aus sichtbar. Nur die Finsternis im September kann dort vor Sonnenaufgang kurz beobachtet werden. Wenn das tatsächlich ein Zeichen Gottes für sein außererwähltes Volk sein soll, war es ein ziemlich schlechtes Zeichen. Aber natürlich kann man alle vier Finsternisse von Nordamerika aus beobachten und dort sind (Fernseh)Prediger wie Hagee und Biltz ja eifrig damit beschäftigt, die (leicht)gläubigen Massen dazu zu überreden, ein wenig Geld zu spenden, bevor die Welt endet…
Es gibt nicht den geringsten Grund, den wirren Visionen der Prediger irgendeinen Glauben zu schenken. An den vier aufeinanderfolgenden Mondfinsternissen ist nichts, was einem Angst einjagen sollte. Mit ausreichend kranker Fantasie kann man jeden religiösen Text (oder eigentlich jeden Text) als Anzeichen des nahenden Weltuntergangs uminterpretieren. Aber anstatt vor dem Himmel Angst zu haben, sollte man die Gelegenheit lieber nutzen, um sich über das zu freuen, was er uns bietet. Schaut nach oben! Betrachtet die Sterne, die Planeten, den Mond (oder den Kometen Lovejoy) und den ganzen Rest, der dort zu sehen ist. Der Nachthimmel ist nicht einfach nur eine dunkle Tapete mit ein paar hellen Flecken die sich über unseren Köpfen erstreckt. Dort draußen befindet sich das gesamte restliche Universum und es lohnt sich, einen Blick darauf zu werfen. Wir sind nicht mehr daran gewöhnt, dass der Himmel schön und beeindruckend aussehen kann, weil er das in unseren modernen lichtverschmutzten Städten auch meisten leider nicht mehr tut. Aber er IST es und es ist unendlich schade, dass so viele Leute so wenig Lust darauf haben, den Blick nach oben zu richten. Noch tragischer ist es, wenn Menschen wie Biltz und Hagee den Menschen Angst vor dem Himmel machen. Fallt nicht auf solche Spinner rein. Und schaut nach oben!
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