————————————————————
Ein Stück vom Mond – für die Wissenschaft, und alle anderen auch!
Mondmeteoriten sind Stücke von der Mondoberfläche, die dort von Meteoriten-Einschlägen losgeschlagen, ins All befördert wurden und nach ein paar zehntausend Jahren Reise durchs All auf die Erde gefallen sind. Neben den Proben aus den Apollo- und Luna-Missionen sind sie unsere einzige Möglichkeit, etwas über die Geschichte und Dynamik unseres Mondes zu lernen.
Am 15. Januar 2014 kehrt eine Gruppe marrokanischer Meteoriten-Sucher von einer erfolglos gebliebenen Tour in der westlichen Sahara zurück. Auf dem Rückweg beschliessen sie, anzuhalten um ihr gemeinsames Nachtessen zuzubereiten. Zaid Oussaid sammelt gerade Feuerholz, als er einen dicken, halb eingegrabenen Baumstamm entdeckt, der von Hand zunächst nicht zu bewegen ist. Mit Hilfe einer Axt gelingt es ihm schliesslich, den Stamm aus dem Boden zu hebeln – doch als er dann ins entstandene Loch blickt, sieht er da einen flachen, ellipsoidalen, braun-grauen Stein mit einer halb-durchsichtigen, leicht beuligen Kruste liegen. Dieser Stein stellt sich bei einer späteren Analyse als 380 Gramm schwerer Meteorit heraus – sogar als Mondmeteorit! Bei einer Rückkehr an den Fundplatz, im Februar 2014, wird noch ein weiteres, 50 Gramm schweres Stück gefunden, das exakt in eine Bruchkante des grossen Stückes passt. Mit über 400 Gramm ist der nun (nach dem Fundort) „Oued Awlitis 001“ genannte Meteorit schwerer als drei Viertel der etwa zweihundert bekannten Mondmeteoriten. Er allein enthält mehr Masse als das gesamte sowjetische Luna-Programm zur Erde zurück gebracht hat!
Dazu muss man wissen, dass Meteoriten vom Mond, neben jenen vom Mars, zu den absoluten Favoriten des internationalen Meteoriten-Marktes gehören. Im Gegensatz zu den gewöhnlichen Chondriten, die mehr als 80% aller gefundenen und fallenden Meteoriten ausmachen und von irgendwelchen anonymen Asteroiden im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter stammen, kann man sich bei einem Meteoriten von einem grossen, bekannten Himmelskörper wie dem Mond oder dem Mars eben ganz konkret etwas vorstellen! Vielleicht denkt man dabei an die Steine, die auf den Fotos der Apollo-Missionen überall zu sehen sind – oder jene, die von Curiosity auf dem Mars fotografiert und analysiert werden. Zudem sind solche Meteoriten sehr rar, weniger als 0.1% aller Meteoriten stammen von dort. Diese Rarität und gleichzeitige Exklusivität treibt natürlich den Preis in die Höhe – für Mond- und Marsmeteoriten beginnen die Preise bei 500 Euro pro Gramm, und erreichen in einigen Fällen von seltenen Marsmeteoriten sogar bis zu 50’000 Euro pro Gramm! Ein grosser, neuer Mondmeteorit bedeutet für einen Meteoriten-Sucher also erst einmal einen bedeutenden finanziellen Erfolg – für einen 400 Gramm schweren Meteoriten wie Oued Awlitis 001 können sie mit Einkünften von mindestens 200’000 Euro rechnen. Meistens wird der Meteorit dabei bedauerlicherweise in viele kleine Bruchstücke aufgeteilt, die dann einzeln an private Sammler verkauft werden.
Der wissenschaftliche und ästhetische Wert des Meteoriten geht dabei jedoch verloren. Für die Wissenschaftler, denen es vielleicht gelingt, einige der begehrten Bruchstücke zu ergattern, fehlt der geologische Kontext zur Interpretation der gewonnen Daten. Etwa so, wie wenn man einen Hamburger in viele kleine Stücke aufteilt – aus einem kleinen Stückchen Weissbrot ist es schwierig zu rekonstruieren, was das Ganze ursprünglich war! Für Oued Awlitis 001 gilt das in besonderem Masse: beim Meteoriten handelt es sich um ein „Impakt-Schmelzgestein“, also ein Gestein, das beim Einschlag eines kleinen Asteroiden auf der Mondoberfläche geschmolzen wurde. Die Schmelze hat sich dabei um ungeschmolzene Bruchstücke („Klasten“) der Mondoberfläche sowie, möglicherweise, auch des einschlagenden Asteroiden gelegt und diese erhalten. Jede Klaste in diesem Meteoriten ist anders, jede könnte zusätzliche Informationen über den Entstehungsort und -geschichte des Meteoriten enthalten. Aus wissenschaftlicher Sicht besteht deshalb ein hohes Interesse, Oued Awlitis 001 so intakt wie möglich zu halten. Und hier kommen wir ins Spiel.
Kommentare (24)