Wenn ihr Schotten seid, dann werdet ihr heute wahrscheinlich Burns Supper feiern. Wenn ihr Lausitzer Sorben seid, dann feiert ihr wohl die Vogelhochzeit. Wenn ihr Hardcorefans von analystischer Mathematik seid, dann gibt es bei euch vielleicht heute eine Geburtstagsparty für Joseph-Louis Lagrange. Paul, Tatjana und Wolfram feiern heute ihren Namenstag. Aber für alle anderen ist es vermutlich ein stinknormaler und leicht langweiliger Sonntag. Warum also nicht ein wenig über leichte Themen wie die Entstehung des Universums oder den Ursprung der Zeit nachdenken? Das mit der Zeit ist ja wirklich eine enorm knifflige Sache: Warum ist sie überhaupt da und warum vor allem hat sie eine Richtung? In den physikalischen Gesetzen mit denen wir das Universum beschreiben, scheint sie nicht aufzutauchen. Es ist zum Beispiel vollkommen egal, ob wir die Bewegung der Planeten vorwärts oder rückwärts in der Zeit berechnen; die Physik die dieses Verhalten beschreibt ist identisch. In den Gleichungen der Naturwissenschaftler gibt es keine bevorzugte Richtung der Zeit; in der Realität allerdings durchaus! Wir werden alle immer älter und niemals jünger. Wir können auf die Vergangenheit zurück blicken aber niemals die Zukunft sehen. Und so weiter. Unser Alltag zeigt uns ständig, dass die Zeit eine Richtung hat aber die Physik hat bis jetzt noch nicht herausgefunden, warum das so ist.
Die meisten Wissenschaftler gehen davon aus, dass es etwas mit der Entropie zu tun hat. “Entropie” kann man vage mit “Unordnung” übersetzen, auch wenn das nicht so ganz stimmt. Entropie ist ein Maß dafür, wie (an)geordnet ein System ist. Wenn ich zum Beispiel meine komplette Buchhaltung des Jahres 2014 nehme, dann besteht die momentan aus einem Ordner, in dem alle Belege chronologisch abgeheftet sind. Wenn ich die Zettel alle heraus holen und in die Luft werfe, dann hat der so entstehende Papierhaufen auf dem Boden eine hohe Entropie. Ich kann den Krempel auf enorm viele verschiedene Arten auf den Boden schmeißen: Am Ende wird immer ein ungeordneter Papierhaufen entstehen. Da es so viele verschiedene Möglichkeiten gibt, einen ungeordneten Papierhaufen zu erzeugen, ist auch seine Entropie hoch. Meine ordentlich abgeheftete Buchhaltung dagegen hat eine niedrige Entropie, denn es gibt genau eine Möglichkeit, die Papiere anzuordnen, damit am Ende ein chronologisch sortierter Stapel entsteht.
Sich selbst überlassen tendieren Systeme jeglicher Art dazu, von einem Zustand niedriger Entropie in einen Zustand hoher Entropie überzeugen. Es gibt einfach viel mehr Möglichkeiten, ein Durcheinander zu erzeugen… Dieses Verhalten wird von vielen Wissenschaftler mit der Zeit in der Verbindung gebracht, die – vereinfacht gesagt – einfach der Entropie folgt: Die Zukunft ist die Richtung anwachsender Entropie (ich habe das hier ausführlicher erklärt). So richtig befriedigend ist diese Erklärung allerdings nicht. Denn daraus würde folgen, dass das Universum bei seiner Entstehung in einem Zustand enorm niedriger Entropie gewesen sein muss und warum sollte das so gewesen sein?
Dieses Video fasst die Sache mit der Richtung der Zeit nochmal zusammen:
Es kann natürlich sein, dass wir einfach noch nicht genug Ahnung von den grundlegenden Gesetzmäßigkeiten haben, die bestimmen, wie das Universum funktioniert (das ist sogar sehr wahrscheinlich). Vielleicht taucht die Richtung der Zeit ja irgendwann in einer zukünftigen, besseren physikalischen Theorie auf. Vielleicht ist das ganze auch nur eine Illusion, wie der österreichische Physiker Ludwig Boltzmann im 19. Jahrhundert vermutet hat. Die ganze Materie im Universum, so seine Überlegung, ist eigentlich in einem ständigen Zustand extremer Unordnung. Alles wirbelt wild durcheinander, so wie es meine Buchhaltung tun würde, würde ich sie aus ihrem Ordner befreien und in die Luft werfen. Und wenn man lange genug wartet, dann werden bei diesem Herumwirbeln zwangsläufig ganz zufällig auch immer wieder mal lokal ordentliche Zustände entstehen. Und die Richtung der Zeit ist dann logischerweise die, die uns wieder zurück ins ursprüngliche Chaos der hohen Entropie führt. Aber auch das ist unbefriedigend: Es wäre statistisch wesentlich wahrscheinlicher, dass diese zufälligen Fluktuationen einen einzigen Planeten mit Menschen darauf erzeugen (obwohl das ja schon enorm unwahrscheinlich ist) anstatt ein riesiges, komplettes Universum voll mit Billiarden Galaxien und noch viel mehr Sternen und Planeten…
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