Der nächste Nachbar unserer Sonne heißt Proxima Centauri. Und obwohl er uns so nahe ist, haben wir ihn doch erst im Jahr 1915 entdeckt. Zum Glück, denn dieser kleine Stern ist ziemlich interessant. Es gibt allerdings immer noch viel über ihn zu lernen. Zum Beispiel, ob er ein Einzelgänger ist oder Teil eines größeren Sternensystems. Oder ob er Planeten besitzt, die wir vielleicht irgendwann sogar mal aus der Nähe erforschen können…

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Sternengeschichten Folge 114: Proxima Centauri, der sonnennächste Stern

Der Stern, der unserer Erde am nächsten liegt, ist natürlich die Sonne. Sie ist nur 150 Millionen Kilometer von uns entfernt. Aber die Sonne nimmt für unser Leben und in unserer Kultur eine so fundamentale Rolle ein, dass wir sie meistens gar nicht mehr als Stern betrachten. Sterne sind für uns die hellen Lichtpunkte, die wir am Nachthimmel sehen können. Und einer davon muss logischerweise der sonnennächste Stern sein.

Proxima Centauri (Bild: ESA/Hubble & NASA)

Proxima Centauri (Bild: ESA/Hubble & NASA)

Lange Zeit dachte man, das wäre Alpha Centauri in einer Entfernung von 4,3 Lichtjahren. Der ist immerhin kaum zu übersehen und der vierthellste Stern am Nachthimmel. Allerdings ist es gar nicht so einfach, die Entfernung eines Sterns zu bestimmen. Sie zu beobachten und zu entdecken ist dagegen vergleichsweise einfach. Man muss einfach nur immer größere Teleskope bauen um immer mehr und schwächer leuchtende Sterne sehen zu können. Belichtet man eine Aufnahme des nächtlichen Himmels nur lange genug, kann man darauf tausende oder noch viel mehr Sterne finden. Aber aus so einer Aufnahme kann man zwar erkennen, WO sich ein Stern am Himmel befindet. Aber nicht, wie weit er weg ist. Dazu braucht es viel mehr Informationen. Man muss die sogenannte Parallaxe messen, also die scheinbare Verschiebung der Sternposition, die entsteht, wenn sich die Erde um die Sonne bewegt und wir aus verschiedenen Richtungen hinaus ins All blicken. Über die Parallaxenmessung habe ich schon in Folge 19 der Sternengeschichten gesprochen und es hat bis zum 19. Jahrhundert gedauert, bevor sie das erste Mal tatsächlich beobachtet werden konnte.

Und selbst heute ist die Entfernungsbestimmung von Sternen noch nicht trivial. Man muss mehrere Aufnahmen zu unterschiedlichen Zeitpunkten machen und die ganz genau auswerten, um den Abstand zur Sonne bestimmen zu können. Wenn der Stern dann auch noch sehr schwach leuchtet, kann das noch schwieriger sein. Es hat daher auch bis zum Jahr 1915 gedauert, bevor man unseren wahren Nachbar entdeckt hatte. Damals untersuchte der schottische Astronom Robert Innes an der Sternwarte von Johannesburg in Südafrika ein paar photografische Aufnahme des Himmels der südlichen Hemisphäre. In der Nachbarschaft von Alpha Centauri fand er dabei einen sehr leuchtschwachen Stern. Das wäre an sich nicht weiter bemerkenswert gewesen. Sterne gibt es genug und sie zu entdecken ist kein großes Problem. Aber Innes verglich zwei Aufnahmen, die zu verschiedenen Zeitpunkten gemacht worden sind und stellte fest, dass sich der kleine Stern in der Zwischenzeit genau so bewegt hatte, wie Alpha Centauri selbst.

Das bedeutet, dass dieser Stern kein ferner Hintergrundstern sein konnte, sondern sich nicht scheinbar sondern tatsächlich in der gleichen Region des Kosmos befinden musste, in der sich auch Alpha Centauri befindet. Zwei Jahre später hat dann der niederländische Astronom Joan Voute am Observatorium in Kapstadt die genaue Parallaxe des neu entdeckten Sterns gemessen. Und stellte dabei fest, dass er sich mit einem ABstand von 4,2 Lichtjahren noch ein kleines Stück näher an der Sonne befindet als Alpha Centauri. Robert Innes schlug daraufhin vor, diesem Objekt den Namen Proxima Centauri zu geben um seinen Status als sonnennächsten Stern zu würdigen. Proxima kommt aus dem lateinischen und bedeutet “nächstgelegner” und Centauri bezieht sich auf das Sternbild des Zentauren, in dem unser Nachbar zu finden ist. Der Stern hat aber auch noch andere Namen. Manchmal wird er auch Alpha Centauri C genannt und manchmal V645 Centauri. Und diese alternativen Namen verraten schon viel über seine Eigenschaften…

Proxima Centauri ist mit freiem Auge nicht zu sehen. Er leuchtet zu schwach dafür und das, obwohl er uns von allen Sternen am nächsten ist. Er müsste hundert Mal heller leuchten, um gerade noch mit bloßem Auge gesehen werden zu können. Das muss bedeuten, dass er sehr klein ist und genau das ist auch der Fall. Bei Proxima handelt es sich um einen sogenannten M-Zwerg oder roten Zwerg. Er hat nur ein Zehntel der Masse unserer Sonne und sein Radius beträgt nur 15 Prozent des Sonnenradius und er gehört damit zur Klasse der kleinsten Sterne, die existieren können. Wäre er noch ein wenig kleiner, dann wäre er nicht mehr in der Lage, in seinem Kern Wasserstoff zu Helium zu fusionieren und wäre ein sogenannter brauner Zwerg. Über die habe ich in Folge 14 und 91 der Sternengeschichten ja schon mehr erzählt – Proxima Centauri aber hat es noch geschafft und ist ein echter Stern.

Und nicht einfach irgendein Stern, sondern auch ein sogenannter Flarestern. Das bedeutet, dass er immer wieder seine Helligkeit ändert und das erklärt einen seiner alternativen Namen. V645 Centauri bedeutet, dass es sich um den 645. bekannten Stern mit veränderlicher Helligkeit im Sternbild Zentaur handelt. Die Helligkeitsänderung von Proxima Centauri wird durch seine magnetische Aktivität verursacht die im Verhältnis viel stärker ausfallen kann als bei unserer Sonne. Dort wird nur der Wasserstoff im Kern zu Helium umgewandelt und wenn dort alles voll mit Helium ist, hören die Fusionsreaktionen auf. Die Energie die bei der Fusion entsteht wird in Form von Strahlung aus dem Kern transportiert und erst in den äußeren Schichten der Sonne wird sie durch Konvektion bis an die Oberfläche gebracht. Konvektion ist das, was man auch in jedem Kochtopf beobachten kann: Heißes Material steigt nach oben, kühlt dort ab und sinkt wieder nach unten, wo es erneut erwärmt wird.

Bei kleinen Sternen wie Proxima Centauri reichen die Konvektionsströme allerdings bis zum Kern. Der komplette Stern wird also quasi ständig durchgerührt und alles vermischt sich. Das bei der Kernfusion produzierte Helium wird also über den ganzen Stern verteilt und sammelt sich nicht im Kern an. Dadurch kann ein kleiner Zwergstern wie Proxima auch viel mehr Wasserstoff fusionieren und viel länger leben. Die Sonne hat eine Lebensdauer von etwa 10 Milliarden Jahren. Proxima Centauri dagegen wird ein paar Billiarden Jahren durchhalten, also hunderte Male länger als der Zeitraum, der seit dem Urknall vergangen ist.

Die Konvektion in Proxima Centauri sorgt aber auch dafür, dass das elektrisch geladene Plasma aus dem der Stern besteht, ständig in Bewegung ist und und so ein starkes magnetisches Feld erzeugt werden kann. Wenn die Energie die in diesem Feld steckt, freigesetzt wird, kommt es zu den Helligkeitsausbrüchen, die Proxima zu einem Flarestern machen.

Die zweite alternative Bezeichnung des Sterns sagt uns etwas über seine Verbindung zu SEINEM Nachbar. Der Name “Alpha Centauri C” deutet darauf hin, dass Proxima nicht zufällig in der Nähe von Alpha Centauri steht, sondern beide zusammen tatsächlich ein Doppelsternsystem bilden. Oder genauer gesagt: Ein Dreifachsternsystem, den Alpha Centauri selbst ist schon ein Doppelstern, der aus den beiden Komponenten Alpha Centauri A und Alpha Centauri B besteht. Proxima Centauri als dritter Partner trägt daher die Bezeichnung Alpha Centauri C. Es ist allerdings noch unklar, ob dieser Name wirklich angebracht ist. A und B sind nur 24 Astronomische Einheiten voneinander entfernt, also ein wenig weiter als der Planet Uranus von unserer Sonne. Es besteht kein Zweifel daran, dass sie wirklich gravitativ aneinander gebunden sind und ein echtes Doppelsternsystem bilden.

Proxima dagegen ist von A und B ganze 15.000 Astronomische Einheiten entfernt, beziehungsweise 0,2 Lichtjahre. Das ist WIRKLICH weit – aber prinzipiell wäre es durchaus möglich, dass es so ausgedehnte Mehrfachsternsysteme gibt. Proxima würde in diesem Fall sehr, sehr lange brauchen, um den Doppelstern Alpha Centauri zu umkreisen; etwa eine halbe Million Jahre. Diese langsame Bewegung macht es auch schwierig, seine Zugehörigkeit zweifelsfrei zu bestätigen. Es kann sein, dass er sich nur zufällig so nahe an ALpha Centauri befindet – oder dass er auf seiner Bahn um den Nachbarstern herum gerade besonders weit entfernt ist. Erst längere und genauere Beobachtungen werden zeigen, ob Proxima ein Einzelgänger ist oder nicht.

So oder so ist er unser nächster Nachbar im All. Da stellt sich natürlich auch die Frage, ob es dort vielleicht Planeten gibt? Extrasolare Planeten die uns vergleichsweise nah sind und noch dazu einen so schwach leuchtenden Stern wie Proxima Centauri umkreisen wären ein wunderbares Studienobjekt für die Astronomen. Bis jetzt ist die Suche allerdings erfolglos geblieben. Wenn, dann kann es dort höchstens sehr, sehr kleine Planeten geben. Und die wären dann übrigens wohl auch nicht lebensfreundlich. Damit es auf einem potentiellen Planeten überhaupt warm genug werden kann, muss er schon enorm nahe an einen so leuchtschwachen Stern wie Proxima Centauri heranrücken. So nahe, dass die Gezeitenkräfte zwischen Stern und Planet dafür sorgen würden, dass der Planet dem Stern immer die selbe Seite zeigt, so wie das die Gezeitenkräfte zwischen Erde und Mond ja hier auch getan haben und wir immer die gleiche Seite des Mondes sehen. Eine Seite des Planeten wäre also immer hell, die andere immer kalt und dunkel und das wäre der Entwicklung eines stabilen Klimas nicht unbedingt förderlich. Genau so wenig die Flares die der veränderliche Stern ja immer wieder zeigt.

Ob Proxima wirklich Planeten hat oder nicht, werden wir vermutlich bei zukünftigen Messungen mit Weltraumteleskopen wie GAIA oder Riesenteleskopen wie dem European Extremly Large Telescope herausfinden. Wir können uns ruhig Zeit lassen, denn unser Nachbar wird uns auf jeden Fall so schnell nicht weglaufen. In den nächsten etwa 30.000 Jahren wird er uns sogar noch näher kommen, bis auf eine Entfernung von 3,11 Lichtjahren. Erst in 33.000 Jahren wird er nicht mehr unser nächster Nachbar sein. Dann hat sich uns ein anderer Stern bis auf 3 Lichtjahre angenähert: Er heißt Ross 248, ist so wie Proxima Centauri ebenfalls ein roter Zwerg und aktuell noch über 10 Lichtjahre von der Sonne entfernt. Wir haben also noch genug Zeit, um Proxima Centauri zu erforschen oder sogar darüber nachzudenken, eine Raumsonde zu diesem fernen und gleichzeitig nahem Sterne zu schicken. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte…

Kommentare (12)

  1. #1 DasKleineTeilchen
    30. Januar 2015

    sorry, 1/2 OT (man glaubt es nicht):

    https://www.heise.de/tp/artikel/43/43912/1.html

    unzicker ist jetzt endgültig der verkünder seines neuen helden:

    “Ich habe in den Unterhaltungen den Eindruck gewonnen, dass es überhaupt nur einen Forscher gibt, der fundiert zu allen relevanten Aspekten der Sonne recherchiert, argumentiert und publiziert hat und somit den Namen “Experte” der Sonnenphysik verdient: Pierre-Marie Robitaille.”

    deine replik wird mit folgender, leichter herablassung so kommentiert & verlinkt:

    “Und so werden Astronomen aus der zweiten Reihe sicherlich wieder ohne Belege darüber schwadronieren, dass Robitaille “ein sehr lückenhaftes Verständnis astronomischer Zusammenhänge” offenbare oder ähnliches.”

    man.glaubt.es.nicht.

  2. #2 Florian Freistetter
    30. Januar 2015
  3. #3 Arnd
    30. Januar 2015

    Bei der Lebensdauer sagst du was von “Billiarden Jahren, also hunderte male länger als das Universum alt ist”. Das wären dann aber nicht Billiarden, sondern Billionen.

  4. #4 Florian Freistetter
    30. Januar 2015

    @Arnd: Ach, wenn man genug “hunderte” hat, werdens auch irgendwann Tausend 😉

  5. #5 DasKleineTeilchen
    30. Januar 2015

    januarmatsche im schädel, etwas verspannt und reizbar. tschuldige meine leichte hysterie und stantepede-kommentar, floh. und thnx.

  6. #6 Cakir
    30. Januar 2015
  7. #7 Hybi
    2. Februar 2015

    Das finde ich bemerkenswert: Ross 248 nähert sich also unserer Sonne binnen 33000 Jahren um 7 Lichtjahre an. Das scheint mir ein ziemlich flottes Tempo zu sein. Ist das schon außergewöhnlich, oder gibt es sowas öfters?
    Bewegen sich die Sterne in unserer Nachbarschaft also nicht weitgehend gleichmäßig um das Zentrum der Milchstraße herum?

    Übrigens, da mein erster Kommentar hier: Herzlichen Dank Florian, für so viele interessante Artikel und Sternengeschichten!

  8. #8 klauszwingenberger
    2. Februar 2015

    @ Hybi:

    Innerhalb der Scheibe unserer Milchstraße gibt es wohl eine vorherrschende Bewegung, aber es gibt daneben auch Sternenströme, die sich erratisch verhalten. Zwerggalaxien oder Kugelsternhaufen, die von der Milchstraße gestrippt oder gleich ganz einverleibt werden, lassen Sterne zurück, die sich in ganz andere Richtung bewegen als die eigentliche Scheibenopopulation. Daneben gibt es “Schnellläufer”, die meistens durch gravitative Effekte in beliebige Richtungen abgelenkt werden. Manchmal sind das Komponenten von Doppelsternsystemen, in denen einer als Supernova detoniert und dem gegenseitigen Orbit damit plötzlich das Gegengewicht abhanden kommt.

    “Weitgehend” stimmt schon, aber eben mit Ausnahmen.

  9. #9 swage
    10. Februar 2015

    Wollte ich schon länger schreiben… fand ich sehr gut die Folge. Konzeptionell Objekte direkt zu besprechen finde ich wesentlich besser als nur Theorie. Es ist irgendwie… handfester. Würde mich freuen wenn noch ein paar Sterne dazukommen.

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