Die Beobachtungen des europäischen Weltraumteleskops Planck sind in den letzten Monaten meistens unter dem Aspekt der sogenannten kosmischen Inflationsphase betrachtet worden. Es ging um die Frage, ob die spektakulären Ergebnisse des BICEP-Teleskops aus dem letzten Jahr von Planck bestätigt oder widerlegt werden können – ich habe darüber erst vor kurzem berichtet. Planck konnte zeigen, dass die weitreichenden Konsequenzen, die BICEP aus den Daten gezogen hat, nicht haltbar sind und das ist definitiv ein wichtiges Ergebnis. Aber das ist ja nicht der einzige Zweck der Planck-Mission. Sie dient dazu, einen viel umfassenderen Blick auf die Entwicklung unseres Universums zu erhalten als es bisher möglich war. Und, wie die nun kürzlich veröffentlichten Daten zeigen, hat dieser Blick teilweise überraschende Ergebnisse geliefert.
Vor knapp zwei Jahren gab es die erste große Veröffentlichung von Planck-Daten (ich habe hier ausführlich darüber geschrieben). Die Beobachtungen des Teleskops haben die grundlegenden Eigenschaften unseres Universums genauer bestimmt als es zuvor möglich war und sehr exakte Werte für sein Alter und seine Zusammensetzung geliefert. Die neue Datenauswertung, in der nun alle Beobachtungen inkludiert sind, die das Teleskop während seiner aktiven Zeit gemacht hat, bestätigen diese Daten. Aber mittlerweile sind auch neue Erkenntnisse dazu gekommen.
Planck beobachtet die kosmische Hintergrundstrahlung, also das erste und älteste Licht des Universums. Nach dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren war der Kosmos angefüllt mit einer Mischung aus Atomkernen, Elektronen und Energie. Es war kleiner als heute und es war vor allem viel heißer. So heiß, dass die negativ geladenen Elektronen sind nicht an die positiv geladenen Atomkerne binden konnten um komplette Atome zu bilden. Das hatte Auswirkungen auf die Ausbreitung des Lichts: Sein Weg war durch die vielen überall herumsausenden Elektronen versperrt und es wurde von ihnen ständig abgelenkt. Erst als das Universum 380.000 Jahre nach dem Urknall weit genug abgekühlt war, damit Elektronen und Atomkerne sich zu elektrisch neutralen Atomen verbinden konnten, hatte das Licht die Möglichkeit, sich ungestört auszubreiten. Es strahlte in alle Richtungen davon und wenn es auf seinem Weg durch das All nicht irgendwo auf andere Materie getroffen und absorbiert worden ist, dann ist dieses allererste Licht immer noch unterwegs.
Weil es damals an jedem Punkt des Universums entstanden ist, kommt es heute auch noch von jedem Punkt des Universums auf uns zu. Darum nennt man es auch die “kosmische Hintergrundstrahlung”: Der gesamte Himmel leuchtet schwach im Mikrowellenlicht (der Wellenlänge, die die allererste Strahlung heute hat). Seine Analyse ist das wichtigste Werkzeug der Kosmologen und Astronomen, um etwas über die frühe Kindheit des Universums herauszufinden. Die Verteilung der ersten Materie im jungen Kosmos hat die Eigenschaften der Hintergrundstrahlung beeinflusst und dieser Einfluss lässt sich durch sorgfältige Analysen auch heute noch beobachten. Die Menge an normaler Materie im Vergleich zur dunklen Materie beispielsweise beeinflusst, wie stark die Variationen in der Temperatur der Hintergrundstrahlung sein können. Aber es gibt noch viel mehr herauszufinden!
Zum Beispiel die Dauer des sogenannten “dunklen Zeitalters”. Nach dem Urknall gab es nur einzelne Atome und noch keine daraus aufgebauten komplexeren Himmelskörper wie zum Beispiel Sterne. Die musste sich aus den großen Gaswolken erst bilden. Die Phase bis zur Entstehung der allerersten Sterne wird das “dunkle Zeitalter” genannt und es ist naturgemäß schwer, etwas darüber herauszufinden. Es gab damals kein Licht, das man heute beobachten könnte. Bis auf die Hintergrundstrahlung natürlich, und ihre Analyse durch Planck hat nun zu einem Durchbruch geführt.
Es geht um die Polarisation der Hintergrundstrahlung, die auch bei den letztes Jahr veröffentlichten BICEP-Daten zur inflationären Phase nach dem Urknall die Hauptrolle gespielt hat. Polarisierte Lichtwellen schwingen nicht einfach irgendwie hin und her, sondern in einer bestimmten Ebene bzw. auf ganz bestimmte Art und Weise. Ich habe das in einem früheren Artikel ausführlich erklärt und möchte das jetzt nicht alles noch einmal wiederholen. Die Astronomen unterscheiden bei der Polarisation sogenannte “E-Moden” und “B-Moden”. Die B-Moden entstehen, wenn die Hintergrundstrahlung durch den Gravitationslinseneffekt beeinflusst und polarisiert wird. Materie krümmt den Raum und da Licht der Raumkrümmung folgt, können große Ansammlung von Materie (wie zum Beispiel Galaxien) so wirken wie eine optische Linse. Aber auch die gravitativen Erschütterungen, die unmittelbar nach dem Urknall das gesamte Universum durchzogen haben, erzeugen B-Moden und die meinte BICEP letztes Jahr entdeckt zu haben. Die Entdeckung hat sich als falsch herausgestellt – aber das heißt nicht, dass die Beobachtung der Polarisation keine interessante Ergebnisse liefern kann!
Planck hat nun (unter anderem) die E-Moden so detailliert beobachtet wie nie zuvor. E-Moden entstehen, wenn die kosmische Hintergrundstrahlung durch Atome in heißem Plasma polarisiert werden. Also genau die Situation, die bei der Entstehung der Hintergrundstrahlung geherrscht hat: Die damals noch freien Elektronen haben das Licht beeinflusst und ihm eine Polarisation aufgeprägt. Danach war aber erst mal Ruhe; die freien Elektronen haben sich mit den Atomkernen verbunden und das Licht sich ausbreiten lassen. Das dunkle Zeitalter hatte begonnen und irgendwann lange später sind die ersten Sterne entstanden. Aber wann? Genau das ist die kritische Frage! Bis jetzt dachte man, dass das etwa 450 Millionen Jahre nach dem Urknall der Fall war. Es exakter zu bestimmen, ist schwierig – es sei denn, man hat die detaillierten Polarisationsdaten, die Planck nun geliefert hat!
Denn als die ersten Sterne entstanden waren, konnte deren energiereiche Strahlung die freien Atome im Universum wieder in Atomkerne und Elektronen aufspalten! Es gab nun also wieder freie Elektronen, an denen die kosmische Hintergrundstrahlung nun ein zweites Mal polarisiert werden konnte! Nicht mehr im gleichen Ausmaß wie zuvor, aber immer noch so, dass es in späteren Analysen auffällt. Genau diese Analysen haben die Wissenschaftler des Planck-Teams durchgeführt und dabei festgestellt, dass das dunkle Zeitalter etwa 100 Millionen Jahre länger gedauert hat, als bisher angenommen! Die ersten Sterne des Universums haben ihr Licht ungefähr 550 Millionen Jahre nach dem Urknall angeknipst.
Damit konnten nun auch einige Unklarheiten über den Zustand des frühen Universums geklärt werden, die Astronomen bisher verwirrt haben. Aus optischen Beobachtungen mit großen Teleskopen hatte man schon einen groben Überblick über die frühesten Galaxien im Kosmos gewonnen. Aber die Daten zeigten, dass es damals eigentlich noch nicht genug Strahlung der Sterne geben hätte können, um das dunkle Zeitalter schon nach 450 Millionen Jahren zu beenden, was ja aus den alten Untersuchungen früherer Vermessungen der Hintergrundstrahlung gefolgt war. Mit den neuen Planck-Daten passt nun alles wieder zusammen!
Die neuen Polarisationsmessungen sind aber bei weitem nicht das alles, was Planck geliefert hat. Aus einer Untersuchung des schon weiter oben erwähnten Gravitationslinseneffekts konnte man die Verteilung der Materie im frühen Universum bestimmen und so eine Karte erstellen, die zeigt, wo es im frühen Universum dunkle Materie gab; man hat den Effekt der dunklen Energie vermessen und den Einfluss von Magnetfeldern im Kosmos. Man hat den Staub in unserer eigenen Galaxie katalogisiert, was zukünftige Beobachtungen viel einfacher machen wird, weil man nun genau weiß, wo viel und wo wenig störender Staub zu finden ist.
Planck hat außerdem einen großen Katalog von fernen Galaxien erstellt, die aus der Analyse des sogennanten Sunyaev-Zel’dovich-Effekts (den ich hier ausführlich erklärt habe) stammen. Auch hier geht es darum, wie die kosmische Hintergrundstrahlung bei ihrer Ausbreitung durch die Anwesenheit großer Mengen von Materie beeinflusst wird.
Es ist kaum möglich, alle Erkenntnisse von Planck in einen einzigen Artikel zu packen. Die Wissenschaftler haben gleich 28 wissenschaftliche Fachartikel veröffentlicht (bzw. werden das in den nächsten Wochen noch tun) und sie sind alle vollgepackt mit Zahlen, Daten und Diagrammen.
“Die Ernte unserer Entdeckungen hat gerade erst begonnen”, sagt der Planck-Wissenschaftler Jan Tauber und er sagt in einem Interview noch etwas sehr interessantes:
“Was ich an dieser Mission am faszinierensten finde ist, dass man durch ein so simples Phänomen wie die kosmischen Hintergrundstrahlung so viel Informationen über den Ursprung und die Entwicklung unseres sehr komplexen Universums gewinnen kann.”
Ja, das ist allerdings enorm faszinierend! Und fast noch faszinierender ist für mich die Tatsache, dass wir Menschen überhaupt in der Lage sind, etwas über diese unvorstellbar weit in der Vergangenheit liegenden Phasen des Universums herausfinden können! Ich finde das immer wieder beeindruckend. Seit Jahrtausenden blicken wir Menschen von unserem kleinen Planeten aus hinauf in den Himmel. Und jedes Mal, wenn wir das tun, lernen wir dabei etwas über die grandiose Geschichte des komplexen Universums in dem wir leben! Der Blick in den Himmel hat Religionen begründet und vergehen lassen, hat Weltbilder entstehen lassen und wieder gestürzt. Der Blick in den Himmel hat uns gezeigt, woher wir kommen, wohin wir gehen und welche Rolle wir im Universum einnehmen. Der Blick in den Himmel hat sich gelohnt und wird sich auch in Zukunft lohnen!
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