Heute ist Faschingsdienstag! Da gibt es Faschingskrapfen – und Killerbakterien aus dem Weltall! Aber keine Sorge, es besteht keine Gefahr 😉 Die Bakterien findet ihr nur hier in meinem Blog und weder in der Realität, noch in euren Krapfen (bzw. Berlinern oder wie auch immer die Dinger bei euch heißen). Auf das Thema bin ich gestoßen, als mir heute aufgefallen ist, dass ich noch nie über die Astronomie des Karnevals geschrieben habe. Ich habe die Astronomie von Weihnachten behandelt; die Astronomie von Halloween und die Astronomie von Ostern. Aber mit dem Karneval/Fasching hab ich mich noch nie beschäftigt. Das liegt einerseits daran, dass ich kein großer Faschingsfan bin. Sowohl meine alte Heimat in Niederösterreich als auch meine neue Heimat in Thüringen gehören nicht unbedingt zu den Karnevalshochburgen und abgesehen von meiner Kindheit ist dieses Fest bis jetzt größtenteils an mir vorüber gegangen. Aber als ich heute beschlossen habe, den Anlass zu nutzen und Faschingskrapfen selbst zu machen, bin ich auf eine sehr interessante Verbindung zwischen Karneval und Astronomie gestoßen. Beziehungsweise Karneval und außerirdischen Bakterien…
Das Rezept für die Krapfen (ich spare mir ab jetzt die Aufzählung der diversen lokalen Synonyme und nenne die Dinger so, wie sie bei mir zuhause heißen) ist gar nicht so schwer. Für den Teig braucht man Mehl. Hefe, Milc, Zucker, Öl und Eigelb. Das ganze wird frittiert und mit Puderzucker bestreut. Aber bei einem Krapfen kommt es ja auf die Füllung an! In der Gegend aus der ich ursprünglich komme, ist das traditionellerweise Marillenmarmelade. In Thüringen findet man dagegen im Krapfen eher Pflaumenmus oder gar Nougatcreme. Ich mag aber auch Erdbeermarmelade recht gerne und dachte mir, ich könnte vielleicht auch ein paar Krapfen mit Erdbeerfüllung machen. Immerhin ist diese Konfitüre meistens viel flüssiger als die Marillenmarmelade und sollte sich leichter in den Krapfen füllen lassen.
Aber warum eigentlich? Wieso ist Konfitüre aus Erdbeeren eher flüssig und die Marillenmarmelade eher fest? Eine kurze Recherche hat ergeben, dass es hier um die Menge an Pektin geht, die in den Früchten enthalten ist. Pektine sind eine spezielle Art von Kohlenhydrate, die man in den festen Bestandteilen der Pflanzen findet. Pektine können gelieren, das heißt sie sorgen dafür, dass aus einem Früchtebrei beim Einkochen eine halbwegs dickflüssige Marmelade wird. Zitrusfrüchte zum Beispiel haben einen hohen Pektingehalt und eignen sich besonders gut für die Herstellung von Marmelade. Bei Früchten, die wenig Pektin enthalten, kriegt man nur eine eher flüssige Konfitüre und muss mit speziellen pektinhaltigen Gelierzucker nachhelfen. Und die Erdbeere gehört eben zu den Früchten, die besonders wenig Pektin enthalten.
Die Kohlenhydrate, die für eine gute Marmelade sorgen (oder eben nicht) findet man aber nicht nur in der Küche! Pektin ist ein Polysaccharid und diese “Mehrfachzucker” haben faszinierende Eigenschaften. Polysaccharide bilden die Wände von Zellen (Cellulose besteht zu einem großen Teil daraus). Polysaccharide werden aber auch von bestimmten Bakterienarten produziert. Damit hüllen sie die Proteine an ihrer Oberfläche ein, die ansonsten eine Reaktion des Immunsystems provozieren würden. So können die Bakterien auch in den Organismen überleben, die sie befallen.
So weit, so biologisch. Aber auch Astronomen haben sich mit den Polysacchariden der Bakterien beschäftigt. Vor allem ein Astronom: Fred Hoyle. Der Brite war einer der einflussreichsten Astronomen des 20. Jahrhunderts. Unter anderem war er maßgeblich für die Forschung verantwortlich, dank der wir heute wissen, wie Sterne in ihrem Inneren die verschiedenen chemischen Elemente herstellen (ich habe hier mehr dazu geschrieben). Hoyle war aber nicht nur ein großer Wissenschaftler, sondern hat sich auch sehr bemüht, die wissenschaftlichen Erkenntnisse einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln. Er produzierte Radiosendungen für die BBC, schrieb populärwissenschaftliche Bücher und auch jede Menge Science-Fiction-Romane. Aber auch Teile seiner wissenschaftlichen Arbeit klingen aus heutiger Sicht wie Science-Fiction.
Damit ist nicht unbedingt die “Steady-State-Theorie” gemeint, die Hoyle gemeinsam mit Hermann Bondi und Thomas Gold in den 1940er Jahren als Alternative zur damals langsam immer populäreren Urknalltheorie entwickelte. Hoyles Vorstellung eines Universum, das keinen einzigen Anfang in der Vergangenheit hat, sondern in einem ständigen, unendlichen Wandel begriffen ist, der ist es immer wieder gleich aussehen lässt, war für die damalige Zeit eine durchaus plausible Hypothese, die dann aber eben später aufgrund von Beobachtungen (zum Beispiel der Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung) widerlegt wurde.
Hoyle hatte aber noch andere unkonventionelle Ideen und zu den unkonventionellsten gehört sicherlich die Hypothese, dass das Leben im Weltall entstanden ist. Das ist an sich noch nicht sonderlich aufsehenerregend (zumindestens heute, damals war es vielleicht noch anders). Mittlerweile wissen wir von vielen Planeten, die auch andere Sterne umkreisen; wir wissen von flüssigem Wasser das sich auf anderen Himmelskörpern unseres eigenen Sonnensystems befindet und wir wissen von Kometen und Asteroiden, die durch die Gegend fliegen und dabei auch Material von einem Himmelskörper zum anderen transportieren können. Es ist nicht unmöglich, das Leben zum Beispiel zuerst auf dem Mars entstand und dann durch Meteoriten auf die Erde gebracht wurde. Es ist auch möglich, dass die Erde ihr Leben ins All exportiert hat. Es ist zwar schwer, so etwas direkt nachzuweisen aber die Wissenschaftler nehmen die Hypothese der “Panspermie” durchaus ernst. Die Experimente, die derzeit zum Beispiel von der Raumsonde Rosetta beim Kometen 67P durchgeführt werden, dienen unter anderem dazu, die Frage zu beantworten, ob das Leben auf der Erde auch wirklich auf der Erde entstand oder anderswo (ich habe hier mehr dazu geschrieben).
Aber Hoyle ging noch einen Schritt weiter. Er war der Meinung, es würde im Weltall geradezu von Leben wimmeln. Nicht auf der Oberfläche anderer Planeten, sondern direkt im All. Er ging davon aus, dass der kosmische Staub, den wir überall zwischen den Planeten und Sternen beobachten, kein “Staub” ist, sondern im wesentlich aus gefriergetrockneten Viren und Bakterien besteht. Um Hinweise zur Unterstützung dieser Hypothese zu finden, beschäftigte er sich mit seinen Kollegen unter anderem mit der Infrarotstrahlung, die aus verschiedensten kosmischen Quellen gemessen werden konnte.
Infrarotlicht ist ein besonders guter Weg, um Staub im Weltall zu identifizieren. Die Staubkörnchen werden vom Licht der Sterne angestrahlt, nehmen die Energie auf und geben sie in Form von Wärmestrahlung wieder. Da die vielen Staubteilchen zusammengenommen eine sehr große Oberfläche besitzen, kommt dabei jede Menge Infrarotstrahlung zusammen die sich auch aus großer Entfernung noch beobachten lässt. Wir haben mittlerweile viele Staubscheiben bei anderen Sternen beobachtet und auch den Staub auch sonst überall im Universum gefunden (sehr zum Leidwesen der Wissenschaftler, die eigentlich was anderes sehen wollen und denen der Staub im Weg steht). Hoyle war aber der Meinung, die Infrarotstrahlung aus dem Weltall würde sich auch durch die Anwesenheit von Polysacchariden erklären lassen. Dazu hat er viele Arbeiten veröffentlicht; zum Beispiel “Polysaccharides and the infrared spectrum of OH 26.5+0.6” im Jahr 1977.
In vielen Details hat Hoyle sogar recht behalten. Komplexe organische Moleküle finden sich überall in den großen Staub- und Gaswolken im Universum. Sie finden sich auch auf Kometen und Asteroiden und es wird immer plausibler, dass diese Himmelskörper tatsächlich die ersten Bausteine für das Leben aus dem All auf die Erde gebracht haben. Aber die Bakterien aus dem Weltall waren dann doch ein bisschen zu viel. Hoyle und sein Kollege Chandra Wickramasinghe gingen sogar so weit zu behaupten, dass die große Grippeepidemie des Jahres 1918 durch außerirdische Bakterien verursacht wurde, die von vorbeifliegenden bzw. einschlagenden Meteoriten in der Atmosphäre der Erde ausgesetzt wurden. Einen außerirdischen Ursprung postulierten sie auch für Polio-Ausbrüche, den Rinderwahnsinn und sogar für das Auftreten von AIDS (und Wickramasinghe fällt heute leider immer noch regelmäßig durch seltsame Veröffentlichungen zu Mikroorganismen im All auf). Hoyle vermutete sogar, dass die Evolution den Menschen deswegen Nasenlöcher an der Unterseite der Nase gegeben hat, um uns vor den Bakterien zu schützen, die aus der Atmosphäre nach unten rieseln…
Fred Hoyle war ohne jeden Zweifel ein großer Wissenschaftler. Wäre er nicht fähig gewesen, so unkonventionell zu denken, dann wären ihm seine beeindruckenden Erkenntnisse über die inneren Vorgänge in den Sternen nicht gelungen. Aber er war dadurch eben nicht nur grandios erfolgreich, sondern ist eben manchmal auch grandios gescheitert. Bei der Hypothese, dass überall im Weltall Bakterien herumfliegen und Krankheiten auf die Erde bringen, war das der Fall. Aber auch Wissenschaftler dürfen sich irren und Hoyles seltsame Ideen sollen seine anderen Leistungen nicht schmälern. Genau so wenig, wie sie mir und euch die Lust am Faschingskrapfen verderben sollen! Egal ob in der Füllung nun viel oder wenig Polysaccharide enthalten sind: Lasst sie euch schmecken und feiert noch eine schöne Karnevalsparty! Oder auch nicht; je nach persönlicher Vorliebe…
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