Chaos ist cool! Nein, nicht die Unordnung bei euch zuhause in der Küche. Das ist einfach nur Schlamperei und kein Chaos 😉 Ich spreche vom wissenschaftlichen Chaos und um das wirklich zu durchblicken, sofern das bei so einem Phänomen überhaupt geht, braucht man jede Menge Mathematik. Damit habe ich mich schon früher im Blog (Einleitung, Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4) und meinem Podcast (Folge 93) beschäftigt. Da aber vielleicht nicht jeder Lust auf eine lange Auseinandersetzung mit komplizierter Mathematik hat, gibt es seit kurzem meine “Best of Chaos”-Serie, in der ich einfach ein paar meiner chaotischen Lieblingsphänomene vorstelle. Ich habe schon über den “seltsamen Attraktor” gesprochen, dessen Seltsamkeit mich jedes Mal aufs Neue fasziniert. Und beim letzten Mal habe ich von der noch seltsameren Verdoppelung der Perioden erzählt, mit der auch die heutige Folge zu tun hat.
Denn jetzt wird das Chaos universal!
Eine kurze Zusammenfassung: Das Phänomen der Verdoppelung der Perioden hat man in den 1970er Jahren entdeckt, als man untersuchen wollte, wie sich die Population von Lebewesen im Laufe der Zeit verändert. Man ging davon aus, dass die äußeren Umstände (Nahrungsangebot, Feinde, etc) dafür sorgen, dass sich früher oder später ein Gleichgewichtszustand einstellt und die Größe der Population dann gleich bleibt. Stattdessen hat man festgestellt, dass bei einer Veränderung der Stärke der äußeren Einflüsse etwas anderes passiert: Zuerst gibt es tatsächlich ein normales Gleichgewicht. Ab einer gewissen Stärke wechselt die Größe der Population aber plötzlich zwischen zwei Werten hin und her! Wird der Einfluss noch stärker, dann springt die Größe zwischen vier Werten; danach wechselt sie zwischen 8 Werten hin und her; dann zwischen 16, dann 32, und so weiter. Die Perioden verdoppeln sich immer weiter, bis irgendwann das komplette Chaos ausbricht.
Das allein ist schon seltsam genug und ein Verhalten, dass nicht nur bei der Untersuchung von Populationsgrößen auftritt, sondern immer dann, wenn ein System chaotisch wird. Noch seltsamer (ja ich weiß, dieses Wort verwende ich oft – aber das Chaos IST eben sehr seltsam…) war aber das, was der amerikanische Physiker Mitchell Feigenbaum bei seiner Untersuchung der Periodenverdoppelung entdeckt hat. Ihr erinnert euch noch an das Bild von der logistischen Gleichung vom letzten Mal? So sieht es aus:
Man sieht hier auf der y-Achse die Größe der Population und auf der x-Achse den Wachstumsparameter, also die Zahl, die in dem Modell die Stärke der äußeren Einflüsse angibt. Zuerst zeigt das Diagramm nur eine einfach Linie; die Populationsgröße nimmt also einen Gleichgewichtszustand ein. Dann spaltet sie sich in zwei Äste auf, die dann vier Äste bilden, und so weiter: Das ist die Periodenverdoppelung auf das Chaos folgt, bei der die Linie in eine Wolke aus ungeordneten Punkten übergeht.
Feigenbaum hatte nun nachgesehen, wo genau die Periodenverdoppelungen stattfinden. Ich lade euch wieder ein, euch selbst ein kleines Computerprogramm zu schreiben, dass die logistische Gleichung berechnet bzw. dieses Online-Programm zu nutzen um selbst die Werte des Wachstumsparameters R zu bestimmen, bei denen die Periodenverdoppelungen eintreten. Feigenbaum hat das jedenfalls gemacht: Die erste Verdoppelung fand statt, als R=3 war. Die zweite Verdoppelung passiert, wenn R = 3.4494897… ist. Die dritte Verdoppelung auf vier Äste findet bei R = 3.5440903… statt. 16 Äste gibt es bei R = 3.5644073… und 32 bei R = 3.5687594…
Was ist daran so besonders? Feigenbaum hatte diese Rechnungen angestellt und damals nur einen simplen Taschenrechner zur Verfügung. Es war viel Arbeit, auf diese Weise die jeweils nächsten Verdoppelungspunkte zu berechne. Er verfiel auf die Frage, ob er vielleicht stattdessen irgendwie vorhersagen könnte, wo die nächste Verdoppelung stattfinden würde? Zuerst fiel ihm auf, dass die Zahlen immer näher zusammen rücken, sie konvergieren, wie man in der Mathematik dazu sagt. Sie scheinen auf einen konkreten Grenzwert zuzustreben. Feigenbaum hatte Ahnung von Mathematik und wusste, wie man so einen Grenzwert berechnet. Wer es wissen möchte – mit dieser Formel:
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