Alfred Wegener kennt man heute als Polarforscher. Und als Entdecker der Kontinentaldrift. Manchmal auch als Argument bei Diskussionen mit Pseudowissenschaftlern, wenn es dann heißt: “Aber Alfred Wegeners Theorie wurde zuerst auch abgelehnt und dann bestätigt und deswegen muss meine Theorie ebenfalls richtig sein, wenn sie abgelehnt wird!” (Übrigens: Da Wegener damals keinen Mechanismus angeben konnte, wie seine Kontinentaldrift funktionieren könnte, war die Ablehnung der Kollegen nicht ganz ungerechtfertigt. Erst später, als die moderne Plattentektonik entwickelt wurde, war klar, das Wegener Recht hatte). Aber mit Meteoriten und Einschlagskratern wird Wegener selten in Verbindung gebracht, obwohl er auch dort maßgebliche Arbeit geleistet hatte.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Einschläge von Himmelskörpern auf der Erde oder dem Mond kein Thema in der Wissenschaft. Man konnte sich nicht vorstellen, dass solche Katastrophen stattfinden und wollte das auch nicht, weil das zu sehr an den Katastrophismus der Bibel erinnerte, von der man sich erst vor nicht allzu lange Zeit durch die Arbeiten von Charles Darwin und Charles Lyell gelöst hatte (Wer mehr wissen will: In meinen Büchern “Krawumm!” und “Asteroid Now” habe ich mehr dazu geschrieben). Der einzige Einschlagskrater, dessen Existenz man nicht ignorieren konnte, war der Barringer-Krater in Arizona aber den hielt man für eine seltene Ausnahme. Die restlichen Krater auf der Erde und dem Mond dachte man sich durch Vulkanausbrüche verursacht oder Gasexplosionen oder – auf dem Mond – durch Vorgänge während seiner Entstehung bzw. die Gezeitenkraft der Erde.
Immerhin war man sich schon darüber im klaren, dass zumindest kleine Objekte ab und zu vom Himmel auf die Erde fallen. Aber die meisten dieser Meteorite wurden zufällig gefunden und recht gut erforscht war das Gebiet auch nicht. Alfred Wegener allerdings hat sich recht intensiv mit den Leuchterscheinungen am Himmel beschäftigt. Er dachte darüber nach, wie man aus ihrer Helligkeit und der Veränderung von Helligkeit und Farbe auf die Zusammensetzung der durch die Atmosphäre sausenden Brocken schließen konnte. Einen Weg, seine Theorien zu testen, eröffnete sich am 3. April 1916. Da sahen die Menschen von Rommershausen in Nordhessen genau so einen Meteor am Himmel; so hell und so groß das davon auszugehen war, dass Stücke davon auch den Erdboden erreicht hatten. Finden ließ sich allerdings nichts…
Wegener, damals in Marburg beschäftigt, nutzte seinen Urlaub um sich die Sache vor Ort anzusehen. Er schaltete Anzeigen in den Zeitungen, um Augenzeugen zu finden und befragte sie ausführlich nach Farbe, Helligkeit und Flugrichtung des Meteors. Aus all diesen Daten berechnete er eine mögliche Flugbahn und ein mögliches Einschlagsgebiet. Der Meteor war besonders lange sichtbar und erlosch erst kurz vor dem Erdboden, woraus Wegener schloss, das es sich um einen schweren Eisenmeteorit handeln müsse, der aufgrund seines Gewichts ungefähr 1,5 Meter tief im Boden stecken würde.
Trotz der genauen Angaben blieb der Meteorit unauffindbar – erst als die Universität einen Finderlohn von 300 Reichsmark auschrieb, tauchte ein Förster auf, der ihn entdeckte und zwar ziemlich genau dort und in genau der Tiefe, die Wegener vorhergesagt hatte. Es war tatsächlich ein Eisenmeteorit, 63 Kilogramm schwer! Es war der erste Meteorit, der nicht zufällig sondern nach einer wissenschaftlichen Analyse seiner Flugbahn gefunden werden konnte und der Titel von Wegeners Facharbeit über den Fund klingt daher nicht zu Unrecht ein klein wenig angeberisch: “Über die planmäßige Auffindung des Meteoriten von Treysa”. Der Meteorit kann heute noch im Mineralogischen Museum von Marburg besichtigt werden (Und ich denke, das muss ich irgendwann einmal tun; in Marburg war ich sowieso noch nie).
Damit war die Impakt-Forschung von Wegener aber noch nicht zu Ende. Um zu zeigen, dass die Krater auf dem Mond ebenfalls durch einschlagende Brocken aus dem All erzeugt wurden, führte er systematische Versuchsreihen durch, bei denen er Zementpulver auf Mörtel fallen ließ und damit die Erscheinung der Mondoberfläche gut simulieren konnte. Schon 1921 war Wegener davon überzeugt, dass es auch auf der Erde noch mehr Einschlagskrater geben musste als den in Arizona und sagte voraus, das zukünftige geologischen Untersuchungen noch weitere Krater entsprechend identifizieren werden. Das bestätigte sich 1922 und 1923 als Einschlagskrater in Texas und Australien entdeckt wurde. Und den vierten einwandfrei identifizierten durch deinen Asteroiden hervorgerufenen Krater entdeckte Wegener selbst: 1927 war er bei einer Gastvorlesung in Riga zu Besuch und machte auch einen Ausflug auf die Saaremaa. Dort konnte er zeigen, dass der Kaali-Krater nicht von einer Gasexplosion geformt wurde, sondern durch einen einschlagenden Asteroiden.
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