Von nix kommt nix. Und wo nichts ist, da passiert auch nichts. So sollte es eigentlich auch mit den Sternen sein. Die entstehen dort, wo sich ausreichend Material befindet, aus dem sie entstehen kann. Dort, wo sich große Wolken aus Gas befinden und das ist normalerweise in den inneren, dichter besiedelten Regionen der Milchstraße der Fall. Natürlich gibt es auch in den Vororten unserer Galaxie, also dort wo sich die Sonne befindet, Sternentstehungsgebiete. Aber dass Astronomen nun auch ganz weit draußen neu entstandene Sterne gefunden haben, kam schon ein wenig überraschend.

Denilso Camargo von der Universität Porto Alegre in Brasilien und seine Kollegen haben sich Daten des WISE-Teleskops angesehen und dabei sogenannte “Giant Molecular Clouds (GMCs)” gefunden (“Discovery of two embedded clusters with WISE in the high Galactic latitude cloud HRK 81.4−77.8”). Das sind genau die Wolken, aus denen Sterne entstehen können. Eine dieser Wolken, die den recht technischen Namen HRK 81.4-77.8 trägt, enthält zwei Sternhaufen mit jeder Menge jungen Sternen. Auch das ist nicht ungewöhnlich: Wenn das Gas in so einer Wolke irgendwann einmal instabil wird und unter seinem eigenen Gewicht kollabiert, dann bilden sich meistens viele Klumpen aus denen viele Sterne entstehen. Erst später können sich die Sterne dann in der Galaxis verteilen und ihr eigenen Wege gehen. Aber geboren werden sie im Allgemeinen in genau solchen Sternhaufen, wie sie von Camargo und seinen Kollegen entdeckt worden sind.

Sternhaufen in exponierter Lage: Die Aufnahme zeigt ein Negativbild; die schwarzen Punkte sind die Sterne (Bild: D. Camargo/NASA/WISE)

Sternhaufen in exponierter Lage: Die Aufnahme zeigt ein Negativbild; die schwarzen Punkte sind die Sterne (Bild: D. Camargo/NASA/WISE)

Das Ungewöhnliche ist die Position der Haufen. Sie befinden sich ganze 16.000 Lichtjahre “unterhalb” der galaktischen Scheibe. Also quasi schon außerhalb der Milchstraße, beziehungsweise in den alleräußersten Randgebieten. Wie das ganze Gas der GMCs dorthin gekommen ist, ist noch nicht klar. Camargo und seine Kollegen haben zwei Ideen: Sehr energiereiche Supernova-Explosionen können Material auch weit über die galaktische Scheibe hinaus ins All schleudern. Wenn es dann dank der Gravitationskraft der Milchstraße wieder zurück fällt, kann es sich zu Giant Molecular Clouds zusammenballen. Es kann aber auch sein, dass die gravitative Wechselwirkung zwischen der Milchstraße und der Großen Magellanschen Wolke (einer kleinen Zwerggalaxie, die als Satellit an unsere Milchstraße gebunden ist) für die Zusammenballung des Gases gesorgt hat.

Um herauszufinden, wo die Sterne in der Randlage wirklich herkommen, braucht es aber noch mehr Beobachtungsdaten. Wenn Supernovae dafür verantwortlich sind, wären ein paar hundert massive Sterne nötig, die durch ihre Explosionen Material hinaus ins All schleudern. Wie das alles abläuft und ob es im Laufe der Jahrmillionen wirklich zum beobachteten Effekt führt, muss man erst in umfangreichen Computersimulationen überprüfen.

Die Milchstraße von außen! Können wir aber nicht fotografieren, darum ist das nur eine künstlerische Darstellung (Bild: Mark Garlick, public domain)

Die Milchstraße von außen! Können wir aber nicht fotografieren, darum ist das nur eine künstlerische Darstellung (Bild: Mark Garlick, public domain)

Die erst zwei Millionen Jahre alten Sterne des neu entdeckten Sternhaufens sind aber auf jeden Fall ein ideales Gebiet für alle Immobilienspekulanten mit sehr langfristigen Plänen: Von etwaigen Planeten die sich dort gebildet haben bzw. noch bilden hätte man einen fantastischen Panoramablick auf unsere Milchstraße!

Kommentare (11)

  1. #1 Till
    3. März 2015

    Ja ja, die drei großen L der immobilienbranche 😉

  2. #2 klauszwingenberger
    3. März 2015

    Die Gezeitenschleppen von Kugelsternhaufen, die die Scheibenebene durchqueren, dürften doch wohl auch eine ganze Menge stellares und interstellares Material in Bereiche “über” oder “unter” der Scheibe befördern. Das wäre etwa der Vorgang wie mit der LMC, nur etwas kleiner.

  3. #3 libu
    3. März 2015

    Interessanter Artikel! Ich hab zwei Fragen, die etwas off topic sind.

    1. Simulationen: wie hat man sich das vorzustellen? Werden da einfach nur Werte berechnet? Oder lässt sich sowas auch in 3D darstellen, ähnlich der Animationen die man zB in TV Dokus zu sehen bekommt?

    2. In TV Dokus sieht man diese verschiedenen Animationen. Werden diese speziell für die Doku erstellt, sprich handelt es sich hierbei um Aufnahmen, die man mit 3D Software erstellt? Oder gibt es tatsächlich Software, in der quasi das was wir bereits über das Universum wissen in einem virtuellen Raum abgebildet ist und somit jederzeit angeschaut und für Dokus entsprechend gezeigt werden kann?

  4. #4 Desolace
    3. März 2015

    Ich find ja die Wechselwirkungen zwischen GMW und Milchstraße sehr plausibel. Woran ich aber zuerst gedacht hatte war ein “echter” Zusammprall mit einer anderen (kleineren?) Galaxie, der eben das Gas durcheinander gewirbelt hat. Weiß man, ob die Milchstraße schonmal einen Zusammenprall mit einer anderen Galaxie hatte? Kann man sowas überhaupt sicher herausfinden? (Wir wissen ja nichtmal wieviele Arme die Milchstraße hat…)

  5. #5 Florian Freistetter
    3. März 2015

    @libu: Also normalerweise berechnet man da nur die Koordinaten. Die werden dann als Zeitreihen geplottet. Für fancy Animationen ist da wenig Bedarf und auch meistens keine Zeit. Nur wenns spektakuläre Ergebnisse sind, die entsprechend verbreitet werden sollen oder das Fernsehen was will, schaut man, dass man schönere Sachen gebastelt kriegt.

  6. #6 Carsten
    4. März 2015

    Wären solche Sternsysteme außerhalb der Galaxie nicht ideal dafür daß sich dort Leben entwickeln könnte? So ganz ohne Gravitationseinflüsse von anderen Sternen oder Strahlung.

    Wie wäre das wohl dort auf einem Planeten zu stehen und unsere Galaxie am Himmel zu sehen. Was würde eine Zivilisation die sich dort entwickelt darüber denken, wenn nicht wie bei uns Sterne (mehr oder weniger) gleichmäßig über den Himmel verteilt sind, sondern im Wesentlichen an einem Punkt am Himmel versammelt? Welche Mythologie würde sich daraus entwickeln, wie würde deren Astronomie aussehen?

  7. #7 klauszwingenberger
    4. März 2015

    @ Desolace:

    Die Milchstraße ist sicher nicht so entstanden, wie sie heute aussieht. Kannibalismus ist unter Galaxien verbreitet, unsere macht da keine Ausnahme. Ein kleiner Begleiter, die Sagittarius-Zwerggalaxie wird bei der anstehenden Durchquerung der Milchstraßenscheibe wohl verspeist werden, wie das schon vielen kleinen Begleitern der Milchstraße passiert ist.

    Man nimmt auch an, dass beispielsweie der Stern Arcturus gar nicht in unserer Milchstraße entstanden ist, sondern in einer begleitenden Zwerggalaxie, die von der Milchstraße restlos aufgenommen wurde.

  8. #8 klauszwingenberger
    4. März 2015

    Nochmals Desolace:

    Noch ein Nachtrag, sorry:

    Anhaltspunkte für aufgelöste, einverleibte Galaxien sind hauptsächlich ganze lokal begrenzte Gruppen von Sternen, die auffällige Merkmale gegenüber der Mehrzahl der Scheibensterne haben. Es geht da um bestimmte atypische Bewegungsmuster und eigentümliche Abweichungen in der chemischen Zusammensetzung der Sterne. Sterne der Magellanschen Wolken wären, wenn sie in der Milchstraßenscheibe aufgingen, sehr leicht daran erkennbar, dass sie sehr niedrige Metallizitätswerte, verglichen mit anderen Scheibensternen in der Milchstraße haben.

  9. #9 bruno
    4. März 2015

    …kann denn die “Galaktische Fontäne” etwas damit zu tun haben – oder reicht die nicht so weit? Oder ist die (bei uns) uU noch gar nicht beobachtet worden sondern nur theoretisch denkbar?

  10. #10 Desolace
    4. März 2015

    @ klauszwingenberger
    stimmt, mit den verschiedenen Eigenschaften (wie Metallizitätswerte), da klingelt was bei mir.
    Wäre dann sowas auch als Auslöser für die seltsamen Gasansammlungen möglich, oder sind die Einverleibungen schon zu lange her, oder nicht “stark” genug?

  11. #11 klauszwingenberger
    4. März 2015

    @ Desolace:

    Im Prinzip ja, das ist ja eine der Theorien, über die im Artikel berichtet wird. Was für Zeitskalen da noch in Frage kommen, kann ich nicht genau sagen. Es gibt außer nahe gelegenen Zwerggalaxien ja auch noch eine ganze Menge anderes Zeug, was die Scheibe durchquert; Kugelsternhaufen, zum Beispiel, die auch eine Menge Masse mitbringen und dabei sogar ziemlich kompakt sind. Einer davon, Omega Centauri soll sogar mal eine Zwerggalaxie gewesen sein, die bei einer Durchquerung praktisch alles Gas in der Milchstraße gelassen haben müsste. Das bleibt natürlich nicht schlagartig kleben, sondern läuft in Gezeitenarme auseinander, die ein paarmal hin und her schwingen, ehe sie da zur Ruhe kommen, wo der Schwerkraftpotentialtopf am tiefsten ist. Das ist das “Zurückschwingen”, von dem im Artikel die Rede ist. Allemal ist das ein Vorgang, der sich über viele (hunderte?) Jahrmillionen hinzieht. Wenn man eine Struktur findet, die einen etwa passenden Orbit im Halo hat, sollte man bis dahin vielleicht eine Spur finden können. Aber dummerweise können wir gerade unsere eigene Galaxie so schlecht überblicken.