Dieser Artikel ist Teil der blogübergreifenden Serie “Running Research – Denken beim Laufen”, bei der es um die Verbindung von Laufen und Wissenschaft geht. Alle Artikel der Serie findet ihr auf dieser Übersichtseite
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Im Winter zu Laufen ist manchmal ein wenig fies. Als ich letztes Jahr mit dem Laufen anfing, war es schon Frühling und die Laufleidenschaft hat mich so richtig im Sommer gepackt. Als es dann Herbst und Winter wurde, war ich zuerst skeptisch, ob mir das Laufen weiterhin Spaß machen würde. Aber da ich die tägliche Bewegung mittlerweile so fix in mein Leben und meinen Alltag eingebaut hatte, war die Entscheidung nicht schwer. Glücklicherweise kann ich meinen Tagesablauf auch relativ frei planen und muss nicht früh morgens bei Dunkelheit und klirrender Kälte laufen oder mitten im ärgsten Schneesturm oder Eisregen, sondern kann auf Phasen mit brauchbaren Wetter warten. Und mit der richtigen Kleidung ist so ein Lauf im Winter nicht allzu schlimm. Es ist halt nur nicht mehr so komfortabel… Wo ich im Sommer nur T-Shirt und kurze Hose anziehen muss, muss ich mir nun mehrere Schichten Kleidung anziehen, Handschuhe (ich hasse Handschuhe!) benutzen und danach den ganzen Krempel wieder für den nächsten Einsatz rechtzeitig gewaschen/getrocknet kriegen.
Ich bin also auch den ganzen Winter über genau so häufig draußen laufen gewesen wie im Sommer. Aber wenn morgens der Nebel über der Stadt hängt und es trüb und dunkel ist, braucht es trotzdem ein wenig Überwindung, die Laufschuhe anzuziehen. Es sei denn man wohnt in Jena und weiß, dass der Nebel hier meistens nur ein sehr begrenztes Phänomen ist!
Jena liegt mitten im Tal der Saale und gerade im Herbst/Winter liegt über dem Fluss eine dicke Nebeldecke. Aber wenn man ein wenig die Berge hinauf steigt, die links und rechts der Stadt liegen, dann ist der Nebel auf einmal unten und die Sonne strahlt wieder!
Das Phänomen nennt sich Inversionswetterlage und war der Grund, warum ich fast den ganzen Winter über nicht auf den üblichen Laufstrecken in den Parks der Stadt oder entlang der Saale unterwegs war, sondern auf den Bergen rund um Jena. Die sind voll mit verschiedenen Wanderwegen, auf denen es sich wunderbar laufen lässt. Es gibt ja Leute, die immer nur auf der gleichen Strecke die gleiche Distanz laufen und sich dabei wunderbar wohl fühlen. Ich gehöre da nicht dazu. Wenn ich zweimal hintereinander die gleiche Strecke entlang laufe, wird mir schon langweilig… In den Bergen und Wäldern rund um Jena gibt es dafür jede Menge Abwechslung und ich bin in den letzten Monaten dort vermutlich jeden einzelnen Waldweg und Trampelpfad entlang gelaufen.
Aber wenn man dabei immer wieder solche tolle Aussichten auf die Stadt (bzw. den Nebel darüber) hat, dann macht das auch richtig Spaß:
Es macht auch Spaß, die unebenen Wege entlang zu laufen; immer wieder den Untergrund zu wechseln und nicht immer nur stupide über den Asphalt der Straßen zu laufen. Man ist dann vielleicht nicht so schnell wie sonst – aber es ist meiner Meinung nach ein recht gutes Training. Vor allem, weil es immer wieder bergauf und bergab geht und die körperliche Anstrengung ständig variiert. Anstatt irgendein langweiliges Intervalltrainig in der Ebene zu absolvieren, laufe ich lieber durch die Berge und habe am Ende den gleichen Effekt (hoffe ich zumindest).
Man muss sich halt nur daran gewöhnen, dass man zu Beginn jedes Trainingslauf erstmal einen ordentlichen Anstieg absolvieren muss. Das Stadtzentrum von Jena liegt auf einer Höhe von etwa 145 Metern über dem Meeresspiegel. Um einen Blick über die (in diesem Fall vom Nebel versteckte) Stadt zu genießen, muss man aber bis auf das Plateau der Kernberge hinauf, das auf einer Höhe von knapp 400 Metern liegt.
Es sind also knapp 250 Höhenmeter zu überwinden und das braucht Arbeit. “Arbeit” ist ja im Alltag ein sehr vage definierter Begriff. “Arbeit” kann so gut wie alles sein und das, was der eine als “Arbeit” bezeichnet ist für die andere nur Faulenzerei oder Zeitverschwendung. In der Physik ist “Arbeit” allerdings ein einigermaßen klar definierter Begriff (der meist mit dem Buchstaben “W” abgekürzt wird) und bezeichnet eine bestimmte Menge an Energie. Arbeit entspricht einer Kraft, multipliziert mit einem Weg. Wenn ich vom Tal hinauf in die Kernberge laufen, dann ist das eine Variante der Hubarbeit, also der Arbeit die ich verrichten muss, um einen Körper (meinen!) der Masse m im Schwerefeld der Erde eine Höhe h überwinden zu lassen. Die Formel, mit der sich die Menge der nötigen Arbeit berechnen lässt, ist einfach und lautet: W=m*g*h, wobei g die Schwerebeschleunigung der Erde mit 9,81 m/s² ist. Die Kraft folgt aus dem zweiten Newtonschen Axiom: Kraft ist Masse mal Beschleunigung, als m*g und der Weg ist hier die horizontale Distanz h. Kraft mal Weg, also die Arbeit ist dann m*g*h.
In meinem Fall muss ich also eine Masse von 65 Kilogramm 250 Meter hoch heben und das entspricht einer Arbeit von etwa 160 Kilojoule. Beziehungsweise einer Energie von 38 Kilokalorien, was in etwa so viel ist, wie in einer Scheibe Roggenknäckebrot steckt. Nicht viel also, aber es fühlt sich definitiv nach viel an, wenn ich wieder mal den steilen Anstieg zum Kernbergplateau hinauf keuche…
Natürlich ist die Rechnung nicht völlig korrekt. Ich muss ja nicht nur die reinen Höhenmeter überwinden, sondern dabei auch eine bestimmte Wegstrecke zurück legen (in diesem Fall brauche ich vom tiefsten bis zum höchsten Punkt der Strecke etwa 7 Kilometer, der ärgste Anstieg ist aber nur knapp 2 Kilometer lang). Und ich muss meinen zuerst ruhenden Körper ja auch noch auf eine bestimmte Geschwindigkeit beschleunigen – auf dieser Runde sind das im Durchschnitt 11 km/h; auf den Steigungen aber nur 8-9 km/h. Aber hey – wenn man dann im strahlenden Sonnenschein durch den Wald laufen kann während der Rest unten auf eine graue Nebeldecke blickt, dann lohnt sich das!
Trotzdem bin ich froh, dass die Runde über das Kernbergplateau nur 14 Kilometer lang ist und ich keinen Proviant oder ähnliches mitschleppen muss. Die nötige Hubarbeit für ein zusätzliches Kilogramm würde zwar nach obiger Formel nur 2472 Joule betragen, aber ich bin sicher, es fühlt sich wesentlich fieser an!
Aber eventuell werde ich in Zukunft auch mal mit deutlich mehr als einem zusätzlichen Kilo durch die Gegend laufen. Mir macht das Laufen im Gelände nämlich mittlerweile so viel Spaß, dass ich das Trailrunning auch gerne mal ein klein wenig ausweiten würde. Also nicht nur kurze Strecken von 20 bis 30 Kilometer im Kreis laufen und am Ende wieder zuhause landen, sondern auch mal ein paar Tage lang in Etappen von 40 Kilometern oder mehr (aber dann natürlich entsprechend langsamer) größere Touren absolvieren. Ich würde zum Beispiel wirklich gerne den gesamten Rennsteig entlang laufen. Der älteste Weitwanderweg in Deutschland liegt ja quasi fast vor meiner Haustür und es wäre eine Schande, das nicht zu nutzen. Wie viel Höhenmeter ich auf der 170 Kilometer langen Strecke (auf der auch der höchste Punkt Thüringens mit 983 Metern liegt) insgesamt absolvieren muss, rechne ich mir lieber nicht aus.
Aber auf jeden Fall werde ich unterwegs Proviant brauchen und da der Rennsteig größtenteils mitten durch den Wald verläuft sollte ich wohl auch einen Schlafsack mitnehmen, damit ich dann irgendwo in den Schutzhütten entlang der Strecke übernachten kann. Ich weiß noch nicht, ob ich das wirklich machen werde bzw. ob ich das schon dieses Jahr machen werde. Aber planen will ich auf jeden Fall und da könnte ich ein wenig Hilfe brauchen: Wer hat schon Erfahrung mit solchen Trailrunning-Touren? Welchen Rucksack sollte ich mir da besorgen? Welchen Schlafsack? Und welches Zelt (falls ich auch mal in anderen Gegenden unterwegs bin, wo es keine Schützhütten gibt). Je leichter das Zeug ist, desto besser! Polartauglich muss es nicht sein; wenn ich sowas mache, dann wohl nur im Sommer – aber auch da kann es im Thüringer Wald recht frisch werden. Temperaturen von 5-10 Grad sollten damit also auch noch erträglich sein.
Wenn man sowas im Internet recherchieren will, wird man von Angeboten und Möglichkeiten ja regelrecht erschlagen und einen Outdoor-Laden meines Vertrauens habe ich bis jetzt noch nicht gefunden. Wer mir hier als Tipps geben kann, würde mir sehr weiter helfen! Fürs erste werde ich aber mal weiter über die Jenaer Berge laufen. Im Frühling und im Sommer sind sie nämlich noch viel schöner als im Winter!
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