“Mein Führer Kumeka und Erzengel Metatron hatten mir versichert, dass sie mich mit allen Informationen ausstatten würden, die für dieses Buch nötig sind. Zudem erhielt ich Informationen von den Einhörnern und den Elementarwesen, die in meinem Garten und den nahe gelegenen Wald leben. (…) Vor ein paar Jahren hatte ich mir Metatrons goldorangenen Mantel verdient. (…) Außerdem trage ich den golden-silbernen Mantel des perfekten Gleichgewichts und der vollkommenen Harmonie (…). Zudem trage ich Mutter Marias Mantel des aquamarinblauen Lichts der Heilung, des Mitgefühls und der Liebe.” (Diana Cooper in “2032 – Das goldene Zeitalter”, Heyne-Verlag).
Hmm. Ich habe nur den schwarzen Mantel von C&A und die Informationen für mein Buch habe ich nicht von Einhörnern, sondern von Wissenschaftlern bekommen. Vermutlich ist das der Grund, warum sich meine Bücher über Astronomie nicht so gut verkaufen wie die Werke von Frau Cooper und ihrer Esoterik-Kollegen…
Eigentlich wollte ich von Elementarwesen und bunten Lichtmäntel ja auch gar nichts wissen. Aber ich war wieder einmal im Bücherladen um mich über ein paar Autorinnen und Autoren zu informieren, deren Lesungen ich eventuell bei der Buchmesse in Leipzig nächste Woche besuchen möchte. Und übrigens: Am 12. März um 16 Uhr werde ich im Sachbuchforum (Halle 3, H202) ebenfalls einen Vortrag halten. Kommt vorbei, ich würde mich freuen! (Und sorry für die Werbung, aber ich hab leider keinen telepathischen Kontakt mit Erzengeln und muss mich auf die normalen PR-Strategien beschränken.)
Im großen Buchladen von Jena wurde gerade wieder einmal umgeräumt und auf dem Weg in die Wissenschaftsabteilung (im hintersten Eck des zweiten Stocks) konnte ich leider nicht umhin, am großen Tisch mit den Esoterik-Büchern vorbei zu kommen. Und hab mich daher auch mal ein wenig umgesehen, was sich dort so an neuen Büchern findet. Und das war – unter anderem – das Buch “2032 – Das Goldene Zeitalter. Geburt einer neuen Zivilisation” von Diana Cooper (von der dort noch ein ganzer Schwung Merchandise und andere Bücher zu finden war).
“Diana Coopers faszinierende Vorhersagen führen eindrucksvoll vor Augen, mit welcher Kraft die neuen Energien unseren Planeten transformieren. Detailliert und verständlich schildert die berühmte spirituelle Lehrerin die klimatischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen, die uns bevorstehen. Ein Buch für alle, die wissen wollen, was uns beim Übergang in das neue Goldene Zeitalter erwartet, wie man sich vorbereiten kann und wohin die Reise geht.”
lautet die Ankündigung des Verlags. Ich kann mich erinnern, ein ähnlich aufgemachtes Buch der gleichen Autorin in der Hand gehabt zu haben, als ich mich mit dem 2012-Weltuntergangsunsinn beschäftigt habe. Das hieß “2012 – Die Welt nimmt Kurs auf das neue Goldene Zeitalter.” Oder war es “Der große Übergang 2012 – 2032”? Frau Cooper scheint eine fleißige Autorin zu sein, die jede Menge Bücher verfasst. Oder recycelt, denn im Kleingedruckten von “2032 – Das Goldene Zeitalter” kann man lesen, dass es sich hier um eine Zusammenstellung aus Texten der beiden älteren 2012-Bücher handelt. Egal – so oder so scheint das, was hier erzählt wird, sich gut zu verkaufen. Ich hab daher mal nachgesehen, was Erzengel, Einhörner und Elementarwesen so zu sagen haben.
Auf den ersten Blick recht viel – immerhin hat das Buch fast 400 Seiten. Auf den zweiten Blick ist es aber zum größten Teil zusammenhangloses und nichtssagendes Geschwafel in dem so ziemlich jedes esoterische Konzept verwurstet wird, das man sich vorstellen kann. Es beginnt mit dem ominösen 21. Dezember 2012, wo es angeblich eine “gewaltige energetische Verschiebung, die alle aufgerüttelt hat”, gab. Das war laut Cooper der Auftakt zum “sechsten Goldenen Zeitalter”, das 2032 beginnt. Davor gab es goldene Zeitalter, die in Atlantis stattgefunden haben und Lemuria und Mu und überall waren Aliens und Lichtwesen und Einhörner mit 12strängiger DNA und feinstofflichen Chakren der fünften Dimension und ein “intergalaktisches Konzil” hat auch noch irgendwie mitgemischt. Es ging also lustig zu in der Vergangenheit und laut Frau Cooper wird es bald wieder genau so spannend! Zumindest dann, wenn wir uns alle richtig auf den kommenden Aufstieg in die “fünfte Dimension” vorbereiten. Dazu müssen wir meditieren, böse Schwingungen aus der Vergangenheit heilen, uns geistig vorbereiten, und so weiter. Ach ja: Und Olympische Spiele veranstalten!
Denn: “Damit der Planet in die fünfte Dimension aufsteigen kann, müssen sich die Chakren schneller drehen.” Und damit das klappt, hat das intergalaktische Konzil dafür gesorgt, dass in London im Jahr 2012 Olympische Spiele veranstaltet werden. Das hat nämlich “das Lichtniveau erhöht” und dafür gesorgt, dass “Kundalini” aufsteigen konnte (und dann vermutlich die Chakren angetrieben hat). Also, ihr Meckernase, die ihr euch über die Olympia-Bewerbung von Berlin und Hamburg aufregt: Lasst das! Das muss alles so sein, das haben der Erzengel Metatron, die Einhörner und das intergalaktische Konzil so geplant. Wir wollen ja nicht den spirituellen Aufstieg des Planeten aufhalten. Die Chakren müssen sich drehen!
Es wird auch so schon schwer genug, bis 2032 alles hin zu kriegen. Wir müssen zum Beispiel das mit dem Öl auf die Reihe kriegen, sagt Frau Cooper: “Die Ölvorräte unter dem Meeresboden werden als Gleitmittel für die tektonischen Platten gebraucht. Die universelle Engelin Joules, in deren Obhut sich die Meere befinden, wird nicht zulassen, dass wir dieses Öl ohne furchtbare Konsequenzen fördern”. Aber es lohnt sich, Joules in Frieden und die tektonischen Platten weiter gleiten zu lassen. Denn “Schon bald nach 2032 werden die Menschen mit ihren eigenen Minihubschraubern fliegen können”. Das ist doch mal was auf das man sich freuen kann!
Den Großteil des Buches machen “Vorhersagen” über die Zukunft der Länder dieser Erde aus. Und wer gedacht hat, dass die bisherigen 147 Seiten schon eine lieblose Aneinanderreihung von “Dinge die irgendwelche Engel über irgendwas gesagt haben” war, wird jetzt eines besseren belehrt. Man kriegt fast Mitleid mit Diana Cooper, die sich für so viele Länder unterschiedliche Vorhersagen ausdenken musste. Die sind dann auch voll mit Klischees und Stereotypen: In Finnland ists kalt und darum sorgt der viele Schnee für eine spirituelle Reinigung. In Irland ist das Karma mies, weil da überall Terroristen sind. In Bosnien war mal Krieg, und darum muss man hier “Heilungsarbeit” leisten. In Dänemark gibts Meer, und darum ist die Energie “rein gehalten” worden. Und so weiter. Deutschland war natürlich voll mit Nazis, was auch schlechtes Karma macht, aber weil man 1990 so nett war und sich mit den Ossis wiedervereint hat, ist das alles wieder gereinigt worden. Außerdem haben wir Glück, denn “die Bäume des Schwarzwalds bewahren große kosmische Weisheit, wodurch die höhere Energie in Deutschland während des bevorstehenden Wandels verankert und aufrechterhalten wird.” Aber auch in Österreich ist alles super. Denn “die Kultur und Schönheit Wiens bringen diesem bezaubernden Land Licht” (Übrigens behauptet Frau Cooper auch, die Wirtschaft Österreichs würde “vernünftig gelenkt” – vom Hypo-Skandal haben Metatron & Co wohl nix mitbekommen). Außerdem ist die Energie in den Bergen von Österreich rein und unsere Alpen verteilen “hohe Schwingungsfrequenzen” über die ganze Welt. Nur die Schweizerinnen und Schweizer haben Pech gehabt. Denn da ist der LHC-Teilchenbeschleuniger und dessen Bau hat die Erdkruste beschädigt! Und das Schweizer Banksystem hat mieses Karma erzeugt! Es muss also zuerst leider noch ein paar Naturkatastrophen in der Schweiz geben, damit die “dunkle Energie hinweggefegt” werden kann.
Und so gehts weiter mit der naiven esoterischen Geografie. In Afrika hat Cooper dann aber nicht mehr alle Länder aufgeführt (Wozu auch: Afrika ist ja eh alles Afrika und der Markt für Esoterikbücher ist dort auch klein – da wird schon keiner so genau nachschauen). Im letzten Teil des Buches wird dann erzählt, was 2032 dann alles passiert, wenn das neue Zeitalter endlich da ist. Ich kann euch sagen: Es wird lustig! Wir werden dann alle telepathisch miteinander kommunizieren. Fernsehen gibts nicht mehr, dafür aber ein aufgepimptes Internet, dass jetzt mit “spirituellen Technologien” läuft, die aus Atlantis kommt. Und es wird nur noch “inspirierende, positive Inhalte” geben (Katzenbilder?). Wir können – eine seltsam singuläre spezifische Vorhersage in diesem Abschnitt – “Wirbelsäulenverletzungen mit Lasern (…) heilen”. Wir kriegen auch neue Kleidung: “schlichte, eng anliegende Ganzkörperanzüge (…) die sommer- wie wintertauglich sind”. Und darin dann alle erleuchte durch die “Goldenen Städte” laufen, die 2032 überall auf der Welt entstehen werden (wenn ich alles korrekt verstanden habe, sehen die Häuser dann alle aus wie von Hundertwasser entworfen).
Ach ja: Bienen kommen von den Plejaden und “Im Lauf der nächsten Jahre wird sich das Wetter ändern und unbeständig sein. In gewissen Gegenden wird es trockener sein, andere werden überschwemmt.” Das passt jetzt zwar nicht ins Thema – aber das Buch ist sowieso enorm konfus und ich wollte euch diese wichtigen Informationen nicht vorenthalten.
Wenn man dieses Buch (und andere Bücher dieser Art) liest, kann man sich natürlich wunderbar amüsieren. Das klingt alles herrlich absurd – aber auch nur, wenn man es als kurzes “Best of” präsentiert. Sich durch die ganzen 400 Seiten eines solchen Werks zu lesen, ist kein großer Spaß mehr. Eine wirre Aussage reiht sich an die nächste; zwischendurch kommen lauter “Licht und Liebe”-Meditationsanleitungen und irgendwelche Platitüden über Energie, Schwingungen und Frequenzen und nichts davon hängt irgendwie mit dem zusammen, was davor oder danach geschrieben steht – Struktur, Kontext und roter Faden fehlen völlig. Wie so ein Buch den üblichen Lektoratsprozess eines großen deutschen Verlags übersteht, kann ich mir nicht erklären. Selbst wenn die zuständigen Leuten esoterisch geneigt sind, müssten sie in ihrem Job doch erkennen, ob ein Buch einen vernünftigen Aufbau hat oder nur zusammenhangloses Geschreibsel ist und entsprechende Korrekturen anbringen.
Na ja – als jemand, der selbst seinen Lebensunterhalt u.a. mit dem Verfassen von Büchern verdient, ärgert mich es natürlich, dass man mit so einem lieb- und anspruchslosen Buch voll mit wahllosen zusammengesuchten Esoterikversatzstücken nicht nur einen Verlag finden, sondern auch die besten Plätze in den Buchläden und offensichtlich jede Menge Leserinnen und Leser kriegen kann. Aber gut – mich darüber zu beschweren, ist müßig. Geschmäcker sind verschieden und anscheinend wollen Menschen so etwas tatsächlich lesen und wenn sie es lesen wollen, werden Verlage und Buchläden das natürlich auch verkaufen. So ist die Welt – das ärgert mich zwar, aber damit muss (und kann) ich leben.
Was mich viel mehr stört und was mich regelrecht wütend macht, wann immer auch darauf stoße, ist dieses ganze scheinheilige “Licht und Liebe”-Gerede, dass auf den ersten Blick schön harmonisch, weltoffen und tolerant aussieht. Und auf den zweiten Blick die ganze elitäre Menschenverachtung zeigt, die sich darunter verbirgt. Bei den ganzen Erzengel/Einhörner/Channeling-Bücher die einem erklären, wie man mit richtiger Meditation und richtigem Karma auf irgendwelche “höheren Ebenen” aufsteigen kann, geht es am Ende nämlich doch immer nur darum, besser sein zu wollen als die anderen. Nur die korrekt “Erleuchteten” haben das Recht, im fünfdimensionalen Fantasy-Reich mit dem intergalaktischen Konzil, Metatrons buntem Mantel und Commander Ashtars Raumschiffen zu spielen. Und wer das alles nicht ernst nimmt, ist halt nicht reif genug und hat Pech. Wer nicht “aufsteigen” will, bringt schlechtes Karma und das muss weggereinigt werden – durchaus auch durch passende Naturkatastrophen. Die Todesopfer solcher Ereignisse wollten es ja auch nicht anders. Diana Cooper schreibt zum Beispiel über den Tsunami im indischen Ozean des Jahres 2004 und seinen 230.000 Toten folgendes:
“Der Tsunami im Indischen Ozean war Teil einer großen Reinigungsaktion. In meinem Buch ‘Die Engel antworten’ habe ich beschrieben, wie langfristig das Intergalaktische Konzil dieses Ereignis geplant hat. Ein kosmischer Aufruf erging im ganzen Universum, um Seelen zu bitten, sich im Rahmen einer Läuterungs- und Heilungsaktion auf der Erde zu verkörpern. (…) Diese ganz speziellen Seelen hatten zugestimmt, die negativen Energien der Begierde, der Gier, des Machthungers, des Armustbewusstseins und so weiter, die im Energiefeld der Erde vorhanden waren, aufzunehmen. (…) Es starben nur Menschen, die vorher auf der Seelenebene zugestimmt hatte, in der Katastrophe umzukommen. (…) Jene, deren Leben auf den Kopf gestellt wurde, als sie ihre Liebsten, ihre Häuser oder ihren Lebensunterhalt verloren, lernten ihre Lektion. Sie beglichen Karma oder bekamen die Gelegenheit (…) höhere Eigenschaften zu entwickeln.”
Menschenverachtender und zynischer kann eine Ideologie kaum sein. Unter dem ganzen “Licht und Liebe”-Mantel versteckt sich eine zutiefst elitäre Weltsicht. Man selbst gehört zum “intergalaktischen Rat”, parliert telepathisch mit Erzengeln, streichelt unsichtbare Einhörner und bringt im Auftrag irgendwelcher “feinstofflichen” Lichtwesen “komische Weisheit” unter die Leute. Das ist natürlich super und man kann sich dabei schön wichtig fühlen. Und muss sich dabei kein bisschen um Menschen kümmern, denen es schlecht geht oder irgendwelche anderen Probleme lösen. Denn denen kann es ja nur deswegen schlecht gehen, weil sie sich selbst dafür entschieden haben oder halt mieses Karma haben. Diese Abwälzung der Verantwortung für das eigene Leben und die Probleme anderer steckt natürlich am Grund so gut wie aller anderen esoterischen Disziplinen. Dank der Astrologie sind dann halt die Sterne schuld, dass die Beziehung gescheitert ist und nicht man selbst. Oder die Wasserader an den Rückenschmerzen und nicht die mangelnde Bewegung und das Übergewicht. Das Kind ist schlecht in der Schule, weil es ein höherdimensionales Indigokind ist, und nicht, weil es eine Lernstörung hat. Und so weiter. Aber nirgendwo sonst kommt diese Menschenverachtung so sehr zum Ausdruck, wie in der scheinbar lieben und netten und so schön lächerlichen Hardcore-Esoterik von Engeln, Einhörner und Lichtwesen.
Wenn man schlechte Bücher wie “2032 – Das Goldene Zeitalter” verkaufen will, dann muss man dazu der potentiellen Leserschaft suggerieren, sie müssten nur ein bisschen meditieren, um Teil einer elitären Gruppe zu werden, die über dem Rest der leider, leider noch nicht aufgestiegenen Menschheit steht. Dass der ganze andere esoterische Krempel in den Verlagen und Buchläden so populär ist und so viele Leser findet, ist schade. Und wenn ich mir persönlich auch wünschen würde, dass viel mehr Menschen kritischer auf die Esoterik und mit echtem Interesse auf die Realität blicken würden, ist die Existenz der Irrationalität etwas, mit dem ich leben kann. Die Welt wird niemals völlig rational sein (und wer weiß, ob das wirklich ein so gutes Ziel wäre – die Irrationalität gehört zu uns Menschen und anstatt sie abschaffen zu wollen, müssen wir lernen, damit umzugehen). Aber es deprimiert mich immer zutiefst, wenn ich sehe, dass menschenverachtender Mist sich erfolgreich als esoterische “Lebenshilfe” tarnen kann und dass so viele Leute bereit sind, diese Menschenverachtung zu akzeptieren.
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