Protonen und Neutronen sind ja selbst keine fundamentalen Teilchen sondern bestehen aus jeweils drei Quarks. Ein Proton wird aus zwei sogenannten Up-Quark und einem Down-Quark gebildet; ein Neutron aus zwei Down-Quarks und einem Up-Quark. Wenn sich nun ein Up-Quark eines Protons in ein Down-Quark umwandelt, wird das Proton zum Neutron. Dabei wird auch ein Elektron erzeugt, das den Kern verlässt. Nach dem Betazerfall hat der Atomkern also nicht mehr die gleiche Anzahl an Protonen bzw. Neutronen wie zuvor und die davon fliegenden Elektronen werden “Betastrahlung” genannt.
Diese Form der Radioaktivität wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von vielen Wissenschaftlern untersucht und man stieß dabei schnell auf ein paar seltsame Anomalien. Der Betazerfall schien sich nicht um die Energieerhaltung zu kümmern. Die Energiehaltung gehört zu den fundamentalsten Regeln der Physik. Energie kann nicht erzeugt oder vernichtet werden. Wenn eine gewisse Menge an Energie in einem Atomkern steckt, dann kann sie nicht einfach verschwinden. Auch wenn es zerfällt, müssen die neu entstanden Bruchstücke zusammen die gleiche Energie haben wie das intakte Atom zuvor. Aber das war nicht der Fall – der neue Atomkern und das wegfliegende Elektron hatten weniger Energie. Irgendwo war also etwas verschwunden… 1930 stellte deswegen der deutsche Physiker Wolfgang Pauli die Vermutung auf, dass da noch ein weiteres Teilchen sein müsse, das man bis jetzt übersehen hatte. Wenn beim Betazerfall nicht nur ein Elektron davon fliegen würde, sondern NOCH ein Teilchen, dann würde die Energiebilanz wieder stimmen. Dieses fehlende Teilchen wurde Neutrino genannt und 1956 tatsächlich experimentell nachgewiesen. Nun war klar, dass beim Betazerfall keine Energie verschwindet – Elektron und Neutrino hatten zusammen genug Energie, damit am Ende alles stimmt.
Das war also der normale Betazerfall. Ein “doppelter Betazerfall” ist dann logischerweise eine Variante dieser Form der Radioaktivität, bei der sich nicht nur ein einziges Proton bzw. Neutron des Kerns verwandelt, sondern zwei von ihnen das gleichzeitig tun. Da diese Vorgänge alle im wesentlichen zufällig passieren, ist so etwas natürlich viel unwahrscheinlicher als ein normaler Betazerfall. Aber es kann vorkommen. Aus zwei Protonen werden dann zum Beispiel zwei Neutronen und dabei werden zwei Elektronen und zwei Neutrinos abgestrahlt.
Genauer gesagt: Zwei Antineutrinos. Denn so wie der Rest der Materie haben auch die Neutrinos ihre Antiteilchen. Antimaterie ist ja nichts großartig mysteriöses. Sie hat exakt die gleichen Eigenschaften wie die normale Materie, und ist einfach nur elektrisch umgekehrt geladen. Das negativ geladene Elektron hat ein positiv geladenes Positron als Antiteilchen. Man kann ein Atom Wasserstoff aus einem normalen Proton und einem normalen Elektron zusammensetzen. Oder man nimmt ein Antiproton und ein Positron und bekommt ein Atom Antiwasserstoff. Das hat man in Teilchenbeschleunigern sogar schon gemacht. Jedes Stück Materie hat seine Antimaterie – aber wenn wir diese Antimaterie beobachten wollen, müssen wir sie mühsam selbst herstellen. Von selbst entstehen Antiteilchen nur sehr selten bei natürlichen Vorgängen und nirgendwo im Universum finden sich größere Mengen davon.
Es könnte aber sein, dass es Teilchen gibt, die ihre eigenen Antiteilchen sind. Teilchen und Antiteilchen wären dann also tatsächlich identisch, könnten sich aber trotzdem gegenseitig auslöschen, wenn sie aufeinander treffen. Diese Art von Teilchen nennt man “Majorana-Fermionen”, nach dem italienischen Physiker Ettore Majorana, der diese Idee im Jahr 1937 hatte. Alle Elementarteilchen die wir bis jetzt kennen, gehören allerdings nicht dazu. Bis auf die Neutrinos – bei denen weiß man es nicht so genau.
Wie ich in Folge 103 der Sternengeschichten ja schon erzählt habe, sind die Neutrinos äußerst flüchtig und wechselwirken so gut wie gar nicht mit sich selbst oder dem Rest der Materie. Es ist daher auch nicht leicht sie zu untersuchen und mehr über sie herauszufinden. Wir kennen zum Beispiel noch nicht einmal ihre Masse. Früher dachte man, dass sie komplett masselos wären, so wie es auch die Lichtteilchen, die Photonen sind. Und auch das Standardmodell der Teilchenphysik beschreibt die Neutrinos als masselos. Aber wir wissen mittlerweile, dass die Neutrinos eine Masse haben müssen – sie ist nicht groß, aber sie ist auch nicht null. Diverse Beobachtungen haben gezeigt, dass sich bestimmte Eigenschaften der Neutrinos nur erklären lassen, wenn sie eben nicht völlig masselos sind. Aber wie groß ihre Masse wirklich ist, ist unbekannt. Genau so wenig weiß man, wie man den Widerspruch zur Vorhersage des Standardmodells auflösen kann.
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