“Am 20. März droht Deutschland doppelter Blackout” schreibt die “Welt”. “Sonnenfinsternis könnte Österreich bald ins Blackout stürzen” lautet die Schlagzeile bei der “Presse”. Ähnliche Artikel findet man derzeit überall in den Medien. Und angeblich fürchten sich ein Drittel der Deutschen vor einem großflächigen Stromausfall, wenn am Freitag über Mitteleuropa eine Sonnenfinsternis stattfinden wird. Besteht hier wirklich Gefahr?
Zuerst muss man vielleicht mal erklären, wieso eine Sonnenfinsternis überhaupt für einen Stromausfall sorgen könnte. Sonnenfinsternisse gab es ja schon sehr viele und wenn dieses Naturschauspiel auch regelmäßig Anlass für Weltuntergangsprognosen ist, so ist doch zumindest bis jetzt noch nie der Strom ausgefallen, nur weil die Sonne für ein paar Minuten hinter dem Mond verschwindet. Aber ganz aus der Luft gegriffen ist die Geschichte nicht. Mittlerweile wird ein relevanter Anteil des Stroms in Deutschland (und auch in Österreich) durch Sonnenenergie gewonnen. Verfinstert sich die Sonne, dann sinkt natürlich auch die Stromerzeugung durch Photovoltaikanlagen. Das alleine ist natürlich noch kein Problem. Immerhin wird es jeden Abend dunkel und wir haben trotzdem noch Strom. Das Problem ist nicht die Menge an Strom, die während der Sonnenfinsternis nicht produziert werden kann, sondern die relativ kurzfristige Veränderung im Stromnetz.
Während der Verfinsterung der Sonne sinkt zuerst die Menge an Solarstrom, der ins allgemeine Netz eingespeist wird und wenn die Sonne danach wieder ungehindert scheint, steigt die Menge wieder plötzlich stark an. Diese Schwankungen können rein prinzipiell dafür sorgen, dass es zu Überlastungen kommt unter denen das Netz zusammenbricht. Das Resultat ist ein unter Umständen großflächiger Stromausfall. Und genau das befürchten anscheinend viele Menschen für den kommenden Freitag.
Das Problem ist also keine Fantasie, sondern tatsächlich real. Aber es ist auch ein Problem, das sich vorab recht gut untersuchen lässt und das haben schon im letzten Jahr Wissenschaftler von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin getan. Ihre Arbeit “Einfluss der Sonnenfinsternis im März 2015 auf die Solarstromerzeugung in Deutschland” ist online verfügbar und betrachtet die Situation sehr ausführlich.
Man muss dabei viele Faktoren berücksichtigen: Die Sonne wird nicht überall gleich lange und gleich stark bedeckt sein. Im Süden wird die Sonnenscheibe vom Mond nur zu etwa 65 Prozent bedeckt sein; im Norden von Deutschland sind es bis zu 80 Prozent. Auch die Dauer ist je nach geografischer Lager unterschiedlich und der Höhepunkt der Finsternis findet im Osten früher statt als im Westen. Hinzu kommt die unterschiedliche dichte Verteilung der Photovoltaik-Anlagen. All das haben die Wissenschaftler aus Berlin in ihrer Arbeit berücksichtigt, aber der wichtigste Faktor ist ohne Zweifel das Wetter! Es geht ja darum, wie stark die Menge an produziertem Solarstrom schwankt. Und wenn die helle Sonne bei wolkenlosem Himmel plötzlich nicht mehr so stark scheint, sind der Abfall und Anstieg der erzeugten Strommenge viel stärker, als wenn ein trüber, dicht bewölkter Himmel ein klein wenig trüber wird als zuvor. Die Berliner Forscher haben also ihre Berechnungen für zwei verschiedene Wettersituationen (klar und bewölkt) durchgespielt und sind zu folgendem Ergebnis gekommen:
Das Diagramm zeigt die über den Tag erzeugte und ins Netz eingespeiste Menge an Strom aus Photovoltaik-Anlagen für einen klaren Himmel (links) und an einem bewölkten Tag (rechts). Man sieht den Einfluss der Sonnenfinsternis recht gut und man sieht auch die Asymmetrie: Nach der Finsternis wird viel mehr Strom ins Netz strömen als vorher weggefallen ist, da die Sonne während der Finsternis am Himmel weiter nach oben steigt und die Ausbeute der Solaranlagen größer wird. Für den Fall eines bewölkten Tages sind die Schwankungen gering und nicht weiter problematisch. Bei einem klaren Tag entsprechenden die Veränderungen im Stromnetz ungefähr dem 3,5fachen der normalen Veränderungen die auch sonst durch verschiedene Faktoren auftreten. Das kann zu einem Problem werden, aber es muss nicht. Schwankungen dieser Art liegen innerhalb dessen, was die Netzbetreiber ausgleichen können, sofern sie sich ausreichend vorbereitet haben. Und da die Sonnenfinsternis nicht überraschend kommt, kann man davon ausgehen, dass diese Vorbereitungen auch getroffen worden sind. Der Verband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber schreibt auf seiner Homepage zumindest, dass man das getan hat:
“European transmission system operators (TSOs) have been preparing for the 20 March solar eclipse for several months.”
Am Ende ist aber jedes Land selbst dafür verantwortlich, sich um einen entsprechenden Ausgleich zu kümmern. Technisch sind aber in Deutschland (das von den europäischen Ländern bei weitem mit den größten Schwankungen zu rechnen hat, da anderswo die Finsternis nicht so stark ausgeprägt bzw. der Anteil des Solarstroms viel geringer ist) die Voraussetzungen vorhanden, mit der Sonnenfinsternis klar zu kommen. Das ist auch das Fazit der Autoren der Berliner Studie:
“Durch den Einbruch der PV-Erzeugung während der Sonnenfinsternis kommt es zu einem Anstieg der residualen Last. Grundsätzlich stehen zur Reduktion der sich daraus ergebenden Residuallastspitze verschiedene Ausgleichsmaßnahmen auf der Erzeugungs- und Nachfrageseite zur Verfügung. Dafür sind besonders die in Deutschland vorhandenen Pumpspeicherwerke geeignet. Werden diese sowohl im Pump- als auch im Turbinenbetrieb eingesetzt, könnten aus technischer Sicht allein durch die Pumpspeicher die sonnenfinsternisbedingten Schwankungen der residualen Last vollständig ausgeglichen werden. Ergänzend könnten auch flexible Kraftwerke wie schnell regelbare Gaskraftwerke zum Ausgleich beitragen. Deren Verfügbarkeit ist aber entscheidend von der Zusammensetzung des produzierenden Kraftwerksparks am Tag der Sonnenfinsternis abhängig. Von entscheidender Bedeutung ist daher, dass die Auswirkungen der Sonnenfinsternis in der Kraftwerkseinsatzplanung vorausschauend berücksichtigt werden.”
Es sollte am Freitag also eigentlich zu keinen Problemen bei der Stromversorgung kommen. Selbst wenn die Schwankungen im Stromnetz maximal ausfallen, sollten die Netzbetreiber die Auswirkungen unter Kontrolle haben. Aber natürlich besteht immer die Möglichkeit, dass irgendwo irgendjemand nicht ausreichend vorbereitet ist, die Sache nicht ernst genommen hat oder einfach Fehler gemacht werden. Ob dann der Strom ausfällt und in welchem Ausmaß lässt sich schwer vorhersagen; das hängt unter anderem auch vom Wetter ab. Die Chancen stehen aber gut, dass das Wetter am Freitag in vielen Teilen Deutschlands für einen bewölkten Himmel sorgen wird.
Für diejenigen, die die Sonnenfinsternis beobachten wollen, ist das natürlich nicht gut. Und sicherheitshalber sage ich nochmal das, was eigentlich alle schon wissen sollten: Schaut nicht ungeschützt in die Sonne! Da die Finsternis nicht total sondern nur partiell sichtbar ist (es sei denn, ihr habt das Glück auf den Färöer-Inseln zu sein), wird man ohne geeignete Hilfsmittel nicht viel mitbekommen. Auch bei voller Bedeckung wird sich der Himmel nicht so stark verdunkeln, als das es wirklich auffällig wäre. Mit bloßem Auge wird man auch keine Veränderung der Sonnenscheibe selbst sehen können. Dazu braucht man eine Sonnenfinsternisbrille, ein Fernglas mit Filter oder ein Teleskop mit Filter (und der Filter muss immer korrekt montiert sein, sonst passiert das hier). Eine Sonnenbrille ist ungeeignet für die Beobachtung und kommt ja nicht auf die Idee, eine Sonnenfinsternisbrille oder ähnliches aufzusetzen und dann damit durch ein Fernglas/Teleskop OHNE Filter zu schauen! Am besten ist es, ihr seht nach, ob es bei euch in der Gegend eine Volkssternwarte, ein Planetarium, einen astronomischen Verein oder eine andere Einrichtung gibt, die am Freitag eine öffentliche Beobachtung veranstaltet. Da könnt ihr euch die Finsternis professionell und ohne Gefahr für euer Augenlicht vorführen lassen!
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