In den nächsten Wochen wird der große Teilchenbeschleuniger LHC nach einer Renovierungspause wieder den Betrieb aufnehmen und sich auf die Suche nach interessanten Phänomenen machen. Die Wissenschaftler erhoffen sich Antworten auf große Fragen (zum Beispiel “Woraus besteht die dunkle Materie?” oder “Woher kommt der Unterschied zwischen Materie und Antimaterie?”), sind aber auch auf der Suche nach neuer Physik. Damit ist Physik gemeint, die über das derzeitige Standardmodell der Teilchenphysik hinaus geht. Allen Forschern ist klar, dass die derzeitigen Modelle nicht in der Lage sind, die Natur komplett zu beschreiben und es noch mehr geben muss. Aber um Phänomene zu entdecken, zu deren Beschreibung neue Theorien nötig sind, muss man auch in völlig neue Regionen vordringen. Das heißt, man muss Teilchen bei Energien kollidieren lassen, die höher sind als all das, was bisher in den Beschleunigern passiert ist (und nein, das ist nicht gefährlich). Und genau das wird der LHC demnächst machen. Aber es kann sein, dass das nicht ausreicht. Es kann sein, dass man noch größere Maschinen braucht, um neue Physik zu entdecken. Maschinen, die größer als Sterne oder gar Galaxien sind. Wir können so etwas nicht bauen. Aber vielleicht gibt es kluge Aliens, die so etwas gemacht haben? Und vielleicht können wir ihr Vorhaben sogar beobachten…
Das klingt ein wenig verrückt. Das klingt sogar mehr als ein wenig verrückt. Aber nicht so verrückt, als das Brian Lacki vom Institute for Advances Studies (hey – erst kürzlich hab ich mich gewundert, warum ich nie auf Forschungsarbeiten vom IAS stoße…) nicht einen 22seitigen Fachartikel voller Formeln und Diagrammen (“SETI at Planck Energy: When Particle Physicists Become Cosmic Engineers”) darüber schreiben könnte. Lacki beschwört den “Alptraum der Teilchenphysik”: Vielleicht gibt es schlicht und einfach keine neuen physikalischen Phänomene, die wir mit einigermaßen praktikablen Methoden beobachten können! Vielleicht wird neue Physik erst bei oder in der Nähe der sogenannten Planck-Skala sichtbar, also genau an der Grenze der möglichen Physik. Vielleicht muss man die kleinstmöglich physikalisch sinnvoll definierbare Längenskala (10-35 Meter) betrachten um etwas Neues zu sehen und das bedeutet, dass man auch wirklich gigantische Energien erzeugen muss, um Aussagen über diese kleinstmöglichen Skalen treffen kann.
Kollisionen im LHC werden bei bis zu 14 TeV stattfinden. “TeV” steht für “Teraelektronenvolt”. “Tera” ist die Vorsilbe für “Billion” und “Elektronenvolt” ist die Einheit, in der Teilchenphysiker die Energie bzw. Masse ihrer Teilchen messen. Ein Elektron hat eine Ruhemasse, die einer Energie von 0,5 Megaelektronenvolt (MeV) entspricht; also eine Million Mal weniger als die Kollisionsenergie am LHC. Das bedeutet, dass am LHC auch prinzipiell Teilchen erzeugt werden können, deren Masse eine Million Mal größer als die eines Elektrons ist. Aber alle Teilchen bzw. Phänomene die erst bei noch größeren Energien auftreten, sind für den LHC nicht zugänglich. Und vielleicht, so Lacki, braucht es eben Energien in der Nähe der Planck-Skala, um neue Entdeckungen machen zu können. Das wäre dann der Bereich von “Yottaelektronenvolt (YeV)”, also eine Größenordnung von Quadrillionen von Elektronenvolt. Das ist ziemlich viel und ein Teilchenbeschleuniger, der solche Kollisionsenergien zustande bringen kann, müssten so groß wie ein ganzes Sonnensystem oder eine ganze Galaxie sein (je nachdem, wen man fragt).
So etwas zu bauen ist für uns Menschen reine Science-Fiction. Sollte der “Alptraum der Teilchenphysik” real sein, haben wir Pech gehabt und werden keine neuen teilchenphysikalischen Phänomen bei höheren Energien mehr entdecken. Aber vielleicht sind da draußen irgendwo hochentwickelte Aliens, meint Lacki, die sich mit dem Alptraum nicht abfinden wollen und die technischen Möglichkeiten haben, Konstruktionen auf kosmischen Maßstäben durchzuführen. Die könnten dann tatsächlich so einen Yotta-Beschleuniger bauen. Und damit ihre Existenz auch für uns sichtbar machen.
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