Ok, es gab nur drei (damals; heute sind es nur noch zwei) Kinos und keine paar Dutzend wie in Wien. Es gibt nur drei Hipster-Burger/Pommes-Läden und nicht die Unmengen, die man anderswo finden kann. Es gibt alles, aber eben von allem weniger. Aber da ich in Jena viel mehr Arbeit hatte als noch in Wien, konnte ich das Angebot der Stadt anfangs sowieso nur bedingt wahrnehmen.
Mein Job lief gut, aber nach drei Jahren war der Arbeitsvertrag zu Ende. Und mittlerweile wollte ich eigentlich nicht mehr weg. Ich hatte keine Lust mehr auf die Großstadt; ich hatte die Vorteile der kurzen Wege in einer kleinen Stadt wie Jena zu schätzen gelernt. Und auch alles andere, was diese Stadt zu bieten hat! Die Natur, deren Anblick mich zuerst irritiert hatte, war nun einer der großen Vorteile. Egal wo man sich in Jena befindet: Man muss höchstens 10 bis 20 Minuten nach Osten oder Westen gehen und steht mitten im Wald und der großartigen Natur rund um das Saaletal! Es gibt “Berge”, es gibt dichten Wald, es gibt einzigartige Biotope wie den Windknollen; es gibt entlang der Saale große Parks in denen man wunderbar laufen, spazieren gehen oder feiern kann. Und Jena ist eine enorm lebendige Stadt in der immer gefeiert wird. Je nachdem wie man es zählt, sind ein Drittel der Einwohner Studenten oder haben sonst irgendwie mit der Universität oder den vielen anderen Forschungseinrichtungen zu tun. Und das merkt man! Die Universität Wien hat vergleichbar viele Studenten wie die Universität Jena. Aber in der Millionenstadt Wien fallen die nicht weiter auf. In Jena schon. Seit Jahrhunderten ist die Stadt von der Universität geprägt worden und das schafft ein Ambiente und eine gewisse subtile Grundstimmung, die einem wissenschaftsaffinen Mensch wie mir sehr gut gefällt.
Wenn man Jena mit ähnlichen Thüringer Städten vergleicht (Gera, Weimar, Erfurt, Gotha, …) dann ist hier definitiv am meisten los. Die Universität, die Fachhochschule und die vielen anderen Bildungseinrichtungen machen Jena größer, als es eigentlich ist. Man findet ein kulturelles Angebot, das man in diesem Ausmaß in so einer Stadt gar nicht vermuten würde (die Kulturarena ist nur eines von vielen Beispielen). Jena ist klein und hat all die Vorteile einer kleinen Stadt. Es gibt keine langen Wege; selbst wenn man am Stadtrand wohnt, ist man mit der Straßenbahn in 20 Minuten im Zentrum. Und die vielen jungen Menschen machen Jena gleichzeitig groß und lebendig. Dazu kommt noch die ganze Natur rundherum. Insgesamt ergibt das eine äußerst lebenswerte Stadt und das scheine nicht nur ich so zu sehen. In entsprechenden Rankings für die familienfreundlichsten Städte oder lebenswertesten Städte landet Jena regelmäßig weit vorne. Die Stadt wächst; und wo anderswo in Ostdeutschland Ortschaften aussterben weil die Bewohner wegziehen, gibt es in Jena kein Problem dieser Art. Studenten kommen aus ganz Deutschland um in Jena zu studieren und die Arbeitslosigkeit ist vergleichsweise gering.
Und bevor jetzt jemand auf die Idee kommt, ich würde von der Jenaer Tourismusbehörde für diesen Artikel bezahlt (Werde ich nicht – aber falls die Leute von dort mitlesen: Ihr könnt mir trotzdem gern mal ne Rostbratwurst ein Bier ausgeben ;)), sage ich vielleicht auch noch ein paar Worte zu den Dingen, die mich trotz allem an Jena stören. Über die Sache mit dem Schwimmbad habe ich ja früher schon gemeckert, aber das ist eher eine Kleinigkeit. Etwas schwerwiegender ist hier schon die Wohnungssituation. Gerade weil so viele Menschen in Jena leben wollen, wird der Wohnraum knapp. Die Mieten steigen und gehören zu den höchsten im ganzen Osten. Für meine Wohnung hat sich die Miete seit 2013 um 110 Euro erhöht (ohne irgendwelche Renovierungen o.ä. natürlich). Und das ist bei weitem keine Luxuswohnung; sie hat zwar drei Zimmer, aber dafür weder Garten, Keller oder Balkon. Wenn die Stadt nicht bald für bezahlbaren Wohnraum sorgt, wird die Gentrifizierung nicht aufzuhalten sein und Leute die nicht so gut verdienen, müssen in die Randlagen abwandern. Auch die Verkehrssituation entwickelt sich nicht unbedingt positiv. Ich habe Jena unter anderem auch deswegen so geschätzt, weil die Stadt ziemlich zentral in Deutschland liegt (der Mittelpunkt ist nicht weit weg).
Kommentare (31)