Von 1. bis 20. April bin ich auf Reisen, halte Vorträge in der Pfalz und in Baden-Württemberg und mache auch ein wenig Urlaub. Für die Zeit meiner Abwesenheit habe ich eine Artikelserie über wissenschaftliche Paradoxien vorbereitet. Links zu allen Artikeln der Serie findet ihr hier.
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Ich habe gerade draußen einen Haufen Raben gesehen und sie waren schwarz. Daraus leite ich die Hypothese ab: “Alle Raben sind schwarz”. Das paar Schuhe, dass ich eben in den Schuhschrank geräumt habe, war weiß. Und weil die Schuhe weiß sind, ist das eine Bestätigung für meine Hypothese, dass alle Raben schwarz sind!
Klingt komisch? Soll es ja auch, denn ansonsten wäre es ja keine Paradoxie. Dieses “Rabenparadox” wird auch nach dem Philosophen Carl Gustav Hempel Hempels Paradox genannt (obwohl er nicht der erste war, der sich damit beschäftigt hat). Und es entsteht, weil formale Logik nicht immer mit der Alltagssprache in Einklang steht.
“Alle Raben sind schwarz” ist eine Aussage, die im Rahmen der mathematischen Logik transformiert werden kann. Ich kann zum Beispiel auch sagen: “Alle was nicht schwarz ist, ist kein Rabe”. Ohne auf die Details der Logik eingehen zu wollen – aber diese Aussage ist logisch identisch zu “Alle Raben sind schwarz” und dann wird auch klar, was die weißen Schuhe mit der Sache zu tun haben. Weiße Schuhe sind 1) nicht schwarz und 2) keine Raben. Die Existenz weißer Schuhe bestätigt also die Aussage “Alle nicht-schwarzen Objekte sind keine Raben” und damit auch die äquivalente Aussage: “Alle Raben sind schwarz”. Das Buch das ich gerade lese, ist rot und das Brötchen, das ich gerade esse ist… hhm – bräunlich, mit weißem Hagelzucker drauf – also auf jeden Fall auch nicht schwarz und kein Rabe!
In der Logik mag das sinnvoll sein, aber im Alltag ist es ziemlich absurd zu behaupten, die Existenz weißer Schuhe würde irgendwie mit der Farbe von Raben zusammenhängen. Aber vielleicht ist das auch nur ein psychologisches Problem. Das war zumindest die Hypothese von Hempel selbst. Jede Aussage, die nicht im Widerspruch zur Hypothese “Alle Raben sind schwarz” steht, stützt diese zumindest ein kleines bisschen. Aber uns erscheint es eben so, als würde da kein Zusammenhang bestehen.
Der Philosoph Jean Nicod hat eine wesentlich sinnvollere Lösung für das Paradoxon gefunden, in dem er einfach gefordert hat, dass bei der Beurteilung der Farbe von Raben gefälligst auch nur Raben relevant zu sein haben! Schwarze Raben bestätigen die Hypothese; weiße, grüne oder rote Raben widerlegen sie. Und alles was kein Rabe ist, spielt keine Rolle.
Aber auch Hempels Sicht der Dinge kann nicht einfach verworfen werden. Er demonstrierte das an einem anderen Beispiel: “Alle Natriumsalze brennen mit gelblicher Flamme”. Oder andersherum: “Alles was nicht mit gelblicher Flamme brennt, ist kein Natriumsalz”. Wenn wir nun etwas, dessen Zusammensetzung wir nicht kennen in die Flamme halten und es nicht gelblich brennt und wir dann erfahren, dass es kein Natriumsalz war, dann bestätigt das die Hypothese “Alles was nicht mit gelblicher Flamme brennt, ist kein Natriumsalz” und es ist nicht mehr ganz so unplausibel darin eine Bestätigung für “Alle Natriumsalze brennen mit gelblicher Flamme” zu sehen. Der Unterschied liegt laut Hempel in der Menge an Informationen, die wir vor ab besitzen. Mit Raben kennen wir uns alle aus; aber bei Natriumsalzen wissen im Allgemeinen nur die Chemie-Fans Bescheid…
Die Sache mit der Logik und den zusätzlichen Informationen, die scheinbar irrelevant sind und trotzdem einen Einfluss auf Wahrscheinlichkeitssaussagen haben, ist mittlerweile im Rahmen der Bayesschen Logik formalisiert. Trotzdem fällt es uns immer noch enorm schwer, den “gesunden Menschenverstand” beiseite zu lassen, wenn es um solche Themen geht. Ich habe das ja alles schon mal sehr ausführlich im Rahmen meiner Artikel-Serie “Wie der Zufall unser Leben bestimmt” beschrieben und auch dort war der Text über Bayessche Logik der, über den am heftigsten gestritten worden ist, weil darin logisch und mathematisch korrekte Aussagen standen, die einfach nicht mit unserer Intuition zusammen passen wollten.
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