Von 1. bis 20. April bin ich auf Reisen, halte Vorträge in der Pfalz und in Baden-Württemberg und mache auch ein wenig Urlaub. Für die Zeit meiner Abwesenheit habe ich eine Artikelserie über wissenschaftliche Paradoxien vorbereitet. Links zu allen Artikeln der Serie findet ihr hier.
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Ich habe gerade draußen einen Haufen Raben gesehen und sie waren schwarz. Daraus leite ich die Hypothese ab: “Alle Raben sind schwarz”. Das paar Schuhe, dass ich eben in den Schuhschrank geräumt habe, war weiß. Und weil die Schuhe weiß sind, ist das eine Bestätigung für meine Hypothese, dass alle Raben schwarz sind!

Klingt komisch? Soll es ja auch, denn ansonsten wäre es ja keine Paradoxie. Dieses “Rabenparadox” wird auch nach dem Philosophen Carl Gustav Hempel Hempels Paradox genannt (obwohl er nicht der erste war, der sich damit beschäftigt hat). Und es entsteht, weil formale Logik nicht immer mit der Alltagssprache in Einklang steht.

“Alle Raben sind schwarz” ist eine Aussage, die im Rahmen der mathematischen Logik transformiert werden kann. Ich kann zum Beispiel auch sagen: “Alle was nicht schwarz ist, ist kein Rabe”. Ohne auf die Details der Logik eingehen zu wollen – aber diese Aussage ist logisch identisch zu “Alle Raben sind schwarz” und dann wird auch klar, was die weißen Schuhe mit der Sache zu tun haben. Weiße Schuhe sind 1) nicht schwarz und 2) keine Raben. Die Existenz weißer Schuhe bestätigt also die Aussage “Alle nicht-schwarzen Objekte sind keine Raben” und damit auch die äquivalente Aussage: “Alle Raben sind schwarz”. Das Buch das ich gerade lese, ist rot und das Brötchen, das ich gerade esse ist… hhm – bräunlich, mit weißem Hagelzucker drauf – also auf jeden Fall auch nicht schwarz und kein Rabe!

Weiße Weihnachtskekse! Ein Beleg für die Hypothese, dass alle Raben schwarz sind!

Weiße Weihnachtskekse! Oder, wie man sie auch nennen kann: nicht-schwarze Nicht-Raben. Ein Beleg für die Hypothese, dass alle Raben schwarz sind!

In der Logik mag das sinnvoll sein, aber im Alltag ist es ziemlich absurd zu behaupten, die Existenz weißer Schuhe würde irgendwie mit der Farbe von Raben zusammenhängen. Aber vielleicht ist das auch nur ein psychologisches Problem. Das war zumindest die Hypothese von Hempel selbst. Jede Aussage, die nicht im Widerspruch zur Hypothese “Alle Raben sind schwarz” steht, stützt diese zumindest ein kleines bisschen. Aber uns erscheint es eben so, als würde da kein Zusammenhang bestehen.

Der Philosoph Jean Nicod hat eine wesentlich sinnvollere Lösung für das Paradoxon gefunden, in dem er einfach gefordert hat, dass bei der Beurteilung der Farbe von Raben gefälligst auch nur Raben relevant zu sein haben! Schwarze Raben bestätigen die Hypothese; weiße, grüne oder rote Raben widerlegen sie. Und alles was kein Rabe ist, spielt keine Rolle.

Aber auch Hempels Sicht der Dinge kann nicht einfach verworfen werden. Er demonstrierte das an einem anderen Beispiel: “Alle Natriumsalze brennen mit gelblicher Flamme”. Oder andersherum: “Alles was nicht mit gelblicher Flamme brennt, ist kein Natriumsalz”. Wenn wir nun etwas, dessen Zusammensetzung wir nicht kennen in die Flamme halten und es nicht gelblich brennt und wir dann erfahren, dass es kein Natriumsalz war, dann bestätigt das die Hypothese “Alles was nicht mit gelblicher Flamme brennt, ist kein Natriumsalz” und es ist nicht mehr ganz so unplausibel darin eine Bestätigung für “Alle Natriumsalze brennen mit gelblicher Flamme” zu sehen. Der Unterschied liegt laut Hempel in der Menge an Informationen, die wir vor ab besitzen. Mit Raben kennen wir uns alle aus; aber bei Natriumsalzen wissen im Allgemeinen nur die Chemie-Fans Bescheid…

Die Sache mit der Logik und den zusätzlichen Informationen, die scheinbar irrelevant sind und trotzdem einen Einfluss auf Wahrscheinlichkeitssaussagen haben, ist mittlerweile im Rahmen der Bayesschen Logik formalisiert. Trotzdem fällt es uns immer noch enorm schwer, den “gesunden Menschenverstand” beiseite zu lassen, wenn es um solche Themen geht. Ich habe das ja alles schon mal sehr ausführlich im Rahmen meiner Artikel-Serie “Wie der Zufall unser Leben bestimmt” beschrieben und auch dort war der Text über Bayessche Logik der, über den am heftigsten gestritten worden ist, weil darin logisch und mathematisch korrekte Aussagen standen, die einfach nicht mit unserer Intuition zusammen passen wollten.

Ich geh jetzt auf jeden Fall wieder ein bisschen spazieren und suche nach schwarzen Raben. Oder nicht-schwarzen Dingen, die keine Raben sind!

Kommentare (33)

  1. #1 Crazee
    8. April 2015

    Die beiden Links zur Artikelserie und zur Logik führen bei mir wieder zu diesem Artikel. Kaputt?

  2. #2 rolak
    8. April 2015

    Kaputt?

    Nee, Crazee, nur falsch. Die ZufallSerie ist da hinten, siehe Kapitel 6.

  3. #3 Jens
    8. April 2015

    Irgendwie versteh ich das nicht.
    Mit Mathematik kann man die Wirklichkeit in ein Modell (Formeln) übersetzen, mit den mathematischen Möglichkeiten umformen / bearbeiten und aus dem Ergebnis dann gegebenenfalls (nach Rücktransformation in die reale Welt) (andere) Schlüsse ziehen.

    In diesem Fall ist einfach das Modell falsch.
    “Wenn es regnet, ist der Boden nass.” Andersrum
    “Wenn der Boden nass ist, hat es geregnet”.
    Das ist schlicht falsch.
    Um es Mathematisch auszudrücken:
    “4+6 = 10” andersherum
    “10 = 4+6″….somit ist “10= 3+7” das wäre dann falsch…

    also ist einfach nur die “Übersetzung” in das (mathematische) Modell falsch. Das dann nur Mist rauskommt ist doch klar.

    Und jetzt erkläre man mir meinen Fehler…was hab ich daran nicht verstanden 😉

    J.Lu

  4. #4 Jens
    8. April 2015

    Um es klarer zu machen:
    die aussage “nur 4+6 ist gleich 10” ist falsch…denn mathematisch ist auch 3+7 = 10
    ..das hab ich etwas verwirrend geschrieben 😉

  5. #5 Jens
    8. April 2015

    So, verstanden….
    Ich stelle eine Behauptung auf. Diese ist wahr…somit bestätigen alle anderen Behauptungen die wahr sind und der ersten Behauptung nicht widersprechen die Behauptung.

    Ist das nicht wie “die Wissenschaft” funktioniert? Man tätigt eine Aussage (These) und solange sie keiner entkräften kann, gilt sie als Wahr. Und wenn “alle” anderen Behauptungen dieser These nicht widersprechen muss sie wahr sein…..
    Bis dahin erhöht jede “nicht-widersprechende Behauptung” die Wahrscheinlichkeit das diese ursprüngliche Behauptung wahr ist….

    Gott…ich hoffe mich versteht jemand…..wenn nicht…ich habs ja versanden 😉

    Danke J.Lu

  6. #6 Crazee
    8. April 2015

    @rolak: Danke. Das ist vermutlich das Link-Paradox.

  7. #7 Artur57
    8. April 2015

    Jetzt hab’ ich’s verstanden! Also nicht unbedingt den Hempel, aber zumindest, warum wir in der Schule Mengenlehre hatten. Irgendwie war es damals Pflicht, dagegen zu sein und irgendwie bin ich in dieser Phase opportunistisch erstarrt. Aber jetzt, dieser Hempel.

    Kurz: die Welt lässt sich teilen in schwarze und nichtschwarze – nun ja – Entitäten. Wobei Raben und Schuhe jeweils Untermengen der Hauptmenge sind. Eben deswegen erlaubt die Aussage über eine nichtschwarze Untermenge keine Aussage über eine schwarze Untermenge. Das wird dauernd verwechselt und es ist natürlich löblich, wenn dieser Hempel versucht hat, hier etwas Ordnung ins Chaos zu bringen.

    Ich habe nachgesehen: mit der Familie gleichen Namens, unter deren Sofa es so hempelmäßig ausieht, hat er nichts zu tun. Im Gegenteil, sein Wirken diente der Ordnung des Denkens. Was natürlich mengenmäßig wieder von der Welt unter dem Sofa zu unterscheiden ist.

  8. #8 Lars
    8. April 2015

    Mit Popper wäre das nicht passiert.

    Die Menge der Basissätze die die beiden Aussagen falsifizieren können ist identisch.

    Um zu prüfen ob sich eine Hypothese bewährt muss ich die Basissätze prüfen, die die Aussage falsifizieren können. Basissätze die sich auf andere Objekte als Raben beziehen können die Hypothese nicht falsifizieren.

    Dein Buch, Dein Brötchen und Deine Schuhe bringen Dir also nichts.

  9. #9 Fermat
    8. April 2015

    @Jens
    “Wenn es regnet, ist der Boden nass.” Andersrum
    “Wenn der Boden nass ist, hat es geregnet”.

    Die zweite Ausgage folgt logisch aber nicht aus der Ersten. Will man eine Aussage umdrehen muß man sie gleichzeitig negieren.
    Also:
    Wenn aus A -> B folgt
    dann folgt aus nicht B -> nicht A.
    Die korrekte Umkehrung von deinem Regenbeispiel ist demnach
    “Wenn der Boden nicht nass ist, hat es nicht geregnet”.
    Und das ist wieder logisch korrekt. (bzw. folgt aus der ersten Aussage)

    Florian hat dies bei dem Rabenbeispiel korrekt gemacht.

  10. #10 barbaz
    8. April 2015

    @Jens

    “Wenn es regnet, ist der Boden nass.” Andersrum
    “Wenn der Boden nass ist, hat es geregnet”.
    Das ist schlicht falsch.
    ….
    Und jetzt erkläre man mir meinen Fehler

    Korrekt wäre “Wenn der Boden nicht nass ist, regnet es nicht”. Aussagen “A -> B” sind equivalent zu “-B -> -A”, du hast aber “B -> A” gefolgert, was ein typischer Anfängerfehler ist (ich hab 2 Jahre lang Mathe-HA an der Uni korrigiert, selbst nach zwei Semestern Logik haben einige diesen Fehler noch gemacht)

  11. #11 jere
    8. April 2015

    Ich vermute mal, die Intuition hat was mit der Menge an möglichen Objekten zu tun.

    Wenn ich sage “alle Natriumsalze brennen mit gelber Flamme”, dann behaupte ich damit auch, dass von den 100 Chemikalien in meinem Labor keines ein Natriumsalz ist*, dass mit einer anderen Flamme brennt. Ich habe also 100 Objekte, von denen ich zeigen muss, dass sie entweder in die Gruppe der Natriumsalze gehören, die gelb brennen, oder nicht zu den Natriumsalzen.
    Halte ich jetzt was in die Flamme, es brennt grün und ist kein Natriumsalz, dann habe ich nur noch 99 Objekte, genauso, wenn es gelb brennt und ein Natriumsalz ist. Beides ein wichtiger Informationsgewinn, der meine Hypothese schonmal wahrscheinlicher macht.

    Bei den Raben gibt es aber deutlich mehr als 100 mögliche Objekte, sondern quasi unendlich viele, zumidnest aber ein par Milliarden. Da ist es in der Praxis unmöglich, alle auf die Eigenschaften “Rabe” und “schwarz” zu testen, und es hilft uns nicht wirklich, die Anzahl an Objekten um 1 zu reduzieren. Deswegen kommt uns das so nutzlos vor.
    Die einzige realistische Chance, das ganze zu widerlegen, wäre es, ein Gegenbeispiel, also einen Albinoraben o.Ä. zu finden. Und weil der auch ein Rabe ist, müssen wir als Raben betrachten, und alles andere ist irrelevant.

    *ja ich weiß, ich muss nicht alle Natriumsalze vor Ort haben, aber ich nehme mal an, unserer Intuition ist das egal.

  12. #12 kdm
    8. April 2015

    Hier ist mal ein weißer Rabe: https://bit.ly/1CwhCTF

  13. #13 Pilot Pirx
    8. April 2015

    Ein Soziologe, ein Physiker und ein Mathematiker fahren im Zug. Sie schauen aus dem Fenster und sehen ein schwarzes Schaf.
    Soziologe: “Hier gibt es schwarze Schafe.”
    Physiker: “Falsch. Hier gibt es mindestens ein schwarzes Schaf.”
    Mathematiker: “Immer noch falsch. Hier gibt es mindestens ein Schaf, das auf mindestens einer Seite schwarz ist.”

  14. #14 vroomfondel
    Graz
    8. April 2015

    Das Problem, das man als Mensch mit der aussagenlogischen Implikation von weissen Schuhen zu schwarzen Raben hat, liegt darin, dass fuer uns Erklaerungen (bzw. Behauptungen) im Alltag fast immer mit Kausalitaet zu tun haben: das Schwarz des Raben wird erst dann interessant, wenn ich es in einer Kausalkette wiederfinde: Evolutionstheorie (Tarnung oder Balz), oder Federboa-Herstellung, oder…oder…
    Ich bin mir fast sicher, dass Hr.Freistetter den ersten Absatz entweder korrigiert oder jedenfalls mit hoechster Vorsicht formuliert hat, um das sprachliche Abgleiten in die Kausalitaet (“weil…deshalb..” etc.) zu vermeiden.
    Die Aussagenlogik auf unzusammenhaengende Dinge angewandt kommt uns deshalb seltsam vor, weil sie bis auf Gedankenexperimente nutzlos ist – allerdings kommt diese Technik oft verschleiert in den Pseudowissenschaften zum Einsatz: “ich nehme Globuli gegen meine Lactoseintoleranz und ich fuehle mich besser” …. oh wait!

  15. #15 Turi
    8. April 2015

    Ich gehe da ganz simple mit Hempel. Es gibt eine endliche Menge von möglichen Objekten. Ich kann die Aussage “Alle Raben sind schwarz” Beweisen, in dem ich alle Objekte überprüfe und zeige das kein nicht schwarzer Rabe darin vorkommt. Und somit trägt der weiße Schuh dazu bei die Aussage zu belegen, da es ein weiteres Objekt ist welches die Aussage nicht widerlegt.
    Das kommt einem so unwirklich vor, da es eine so gewaltige Anzahl an möglichen Objekten gibt, dass der Beitrag, den der weiße Schuh liefert etwa 0 ist und somit uns in der Praxis nicht weiter hilft. Aber das schöne an Gedankenspielen ist ja, das die Praxis außenvor bleiben kann.

  16. #16 Alderamin
    8. April 2015

    @Florian

    In der Logik mag das sinnvoll sein, aber im Alltag ist es ziemlich absurd zu behaupten, die Existenz weißer Schuhe würde irgendwie mit der Farbe von Raben zusammenhängen.

    Die (hier geltende) Logik sagt nichts über die Existenz weißer oder schwarzer Schuhe aus, sondern über eine notwendige Bedingung, Rabe sein zu können, weil Raben notwendig schwarz sind (Albinos und sonstige Gendefekte mal ausgeklammert). Wenn “Rabe” “schwarz sein” impliziert, reicht “nicht schwarz sein” schon aus, um kein Rabe zu sein. “Schuh sein” hätte aber auch ausgereicht.

    Den Folgerungspfeil für zwei Aussagen A=>B (aus A folgt B) kann man aussagenlogisch auch hinschreiben als ¬A ˅ B (nicht A oder B), d.h. die Gesamtaussage ist wahr, wenn entweder nicht A oder B oder beide gültig sind, und nur genau dann falsch, wenn A gilt und B nicht. Im betreffenden Fall ist die Aussage A “ein Ding x ist ein Rabe” und die Aussage B “x ist schwarz”. Die Folgerung A=>B ist also dann wahr, wenn entweder gilt ¬A (also x ist kein Rabe, dann ist es Wurst, ob x schwarz ist oder nicht, für Nicht-Raben macht die Folgerung keine Vorschriften) oder es gilt A (x ist ein Rabe), dann ist ¬A falsch und die Gesamtaussage ¬A ˅ B kann nur wahr sein, wenn B gilt (x ist schwarz).

    “Schuhe” bedeuten ¬A ist richtig, dann ist es also egal, ob B gilt, d.h. welche Farbe sie haben. “weiß” bedeutet, B ist falsch, dann muss ¬A richtig sein, also kann x alles sein, nur kein Rabe (dann wäre nämlich A richtig und folglich ¬A falsch).

    Aussagenlogisch ist da alles klar und sauber, nur wird umgangssprachlich oft nicht korrekt negiert. Das Gegenteil von “alle Kreter sind Lügner” ist eben nicht, dass alle Kreter immer die Wahrheit sagen, sondern dass es mindestens einen Kreter gibt, der stets die Wahrheit sagt (weswegen der Satz auch kein Paradoxon ist, wenn ein Kreter ihn ausspricht; auch Lügner können ja gelegentlich mal die Wahrheit sagen und somit können alle Kreter einschließlich des Behauptenden Lügner sein).

  17. #17 Alderamin
    8. April 2015

    @myself

    Die Folgerung A=>B ist also dann wahr, wenn entweder gilt

    Das “entweder” ist hier ersatzlos zu streichen, die Folgerung ist natürlich auch wahr, wenn ¬A und B beide erfüllt sind, und dieser Fall wurde im folgenden nicht aufgeführt.

  18. #18 Chemiker
    8. April 2015

    Meiner Meinung nach liegt kein Paradox vor. Das stimmt alles, auch wenn es unintuitiv ist.

    Wenn ich die Behauptung, daß alle Raben schwarz sind, empirisch stützen will, dann habe ich tatsächlich zwei Mög­lich­keiten: Entweder ich fange alle Raben und sehe nach, ob einer von ihnen nicht schwarz ist. Oder ich fange alle nicht-schwarzen Objekte und sehe nach, ob eines von ihnen ein Rabe ist.

    In beiden Fällen ist die Behauptung ge­stützt, wenn ich das frag­liche Objekt nicht finde. Kann ich nur einen Teil der frag­lichen Menge selektieren, dann bleibt die Unter­stützung proba­bilis­tisch; kann ich alle erwischen, dann ist die Be­hauptung zumindest für den Zeit­punkt der Unter­suchung strikt bewiesen.

    Die Paradoxie kommt nur aus der Intuition und beruht darauf, daß es zwar sehr viele Raben gibt, aber noch um Größen­ordnungen mehr nicht-schwarze Objekte. Realistisch muß man also mit Stich­proben arbeitet, und die Intuition sagt ganz richtig, daß der zweite Weg nichts taugt, weil man bei einer realistisch großen Stich­probe nur einen winzigen Bruchteil aller nicht-schwarzen Objekte unter­suchen kann. Daher führt Weg Zwei zu einem statistisch in­signifi­kan­ten Resultat.

    Aber das liegt nur an den Zahlen, und bei voll­ständigem Sampeln sind natürlich beide Wege äquivalent.

    Aufpassen muß man aber, daß man nicht auf die folgende un­zuläs­si­ge Met­hode verfällt: Man selektiert alle nicht-Raben und unter­sucht deren Farbe. Daraus könnte man natürlich über die Farbe vor Raben genau gar nichts lernen.

  19. #19 Spritkopf
    8. April 2015

    @Chemiker

    Oder ich fange alle nicht-schwarzen Objekte und sehe nach, ob eines von ihnen ein Rabe ist.

    In beiden Fällen ist die Behauptung ge­stützt, wenn ich das frag­liche Objekt nicht finde. Kann ich nur einen Teil der frag­lichen Menge selektieren, dann bleibt die Unter­stützung proba­bilis­tisch; kann ich alle erwischen, dann ist die Be­hauptung zumindest für den Zeit­punkt der Unter­suchung strikt bewiesen.

    Ich bin mir nicht sicher, ob nicht ich jetzt einen logischen Fehler begehe. Aber was, wenn ich behaupte, alle Dinosaurier seien schwarz?

  20. #20 Chemiker
    8. April 2015

    @ Alderamin

    (weswegen der Satz auch kein Paradoxon ist, wenn ein Kreter ihn ausspricht; auch Lügner können ja gelegentlich mal die Wahrheit sagen und somit können alle Kreter einschließlich des Behauptenden Lügner sein).

    Für die logische Analyse dieses Satzes wird aber Lügner so definiert, daß ein Lügner immer lügt und niemals die Wahrheit spricht. Und dann ist der Satz wirklich paradox und führt zu Gödel.

  21. #21 Alisier
    8. April 2015

    Ihr entschuldigt bitte meinen Einwurf, aber es dürfte sich bei dem Haufen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um Krähen, und nicht um Raben gehandelt haben.
    Aussagen über Raben anhand von Krähen zu machen scheint mir recht gewagt.
    Ehe man sich zu Schlüssen verführen lässt, sollte man schon die Prämissen überprüfen.
    Manchmal ist ein Rabe eben gar kein Rabe, und ich habe, denke ich, denoch verstanden, was der Autor sagen will. 🙂

  22. #22 Chemiker
    8. April 2015

    @ Spritkopf

    Stichwort: Existentieller Import.

    Manche eigentlich gültige Schlußfiguren versagen, wenn man sie auf nicht-existierende Objekte anwendet. Das schlägt bereits bei Syllogismen nach Aristoteles zu.

    (A) Alle Leser dieses Blog sind Menschen.

    (B) Alle Leser dieses Blogs sind schlau.

    Das erlaubt den Schluß, daß es schlaue Menschen gibt (genauer: Manche Menschen sind schlau).

    Würde dieser Blog aber von niemandem gelesen werden, dann könnte ich für (B) völlig korrekt auch ein anderes Attribut wie grünhäutig verwenden, und dann wäre der Schluß natürlich falsch.

    Ich habe in meiner Behandlung also stillschweigend vorausgesetzt, daß es Raben wirklich gibt (einer ist bereits genug).

  23. #23 Joseph Kuhn
    8. April 2015

    Vor ein paar Tagen hatte FF hier das Allmachtsparadoxon zur Diskussion gestellt. Daran einmal angeknüpft: Der Satz “Alles Göttliche ist allmächtig” ist logisch gleichbedeutend mit “Alles, was nicht allmächtig ist, ist nicht göttlich”. Bestätigt jetzt jede Beobachtung, dass Raben nicht allmächtig sind, sondern nur schwarz, den Satz, dass Gott allmächtig ist? Und wenn er allmächtig ist, muss er dann nicht auch existieren?

    Verbraucherschutzhinweis: Nicht alles, was wie ein Argument aussieht, ist auch eines.

  24. #24 Chemiker
    8. April 2015

    @ Joseph Kuhn

    Bestätigt jetzt jede Beobachtung, dass Raben nicht allmächtig sind, sondern nur schwarz, den Satz, dass Gott allmächtig ist?

    Korrekt müßte man so vorgehen: Man müßte nicht-all­mächtige Lebe­wesen (darunter auch Raben, aber natürlich keine Katzen, denn die können alles) selektieren und unter­suchen, ob sie Gott sind. Mit jedem einzelnen negativen Befund wird die Wahr­schein­lich­keit, daß nicht-Allmächtiges nicht göttlich ist, um einen infini­tesi­ma­len Betrag größer. Denn gäbe es nicht-all­mächtige Götter, dann würde man ja früher oder später auf einen solchen stoßen.

  25. #25 rolak
    8. April 2015

    Verbraucherschutz

    Zieht hier nicht, Joseph. Argumente werden nicht verbraucht, sondern getauscht, bleiben also erhalten.

  26. #26 DerMannMitHut
    8. April 2015

    Ich denke, das Problem, das die Intuition mit den weißen Schuhen hat, ist vor allem die Reihenfolge, in der ich die Schuhe mir anschaue. Das ist wie bei den Natriumsalzen, dort betrachtet man die Flammenfarbe und schaut dann, was es für ein Salz gewesen ist.

    Wenn ich an die Sache mit den Raben und den Schuhen also wie folgt herangehe: “Oh, hier sind Schuhe, sie sind weiß. Und damit habe ich meine Aussage bestätigt.” Dann ist das komisch, weil meine Hypothese ja Raben, aber keine Schuhe betrifft.

    Wenn ich sagte: “Oh, etwas Weißes. Ist es vielleicht ein Rabe? Nein, es sind Schuhe.” Dann erscheint es mir viel sinnvoller, dass die Information “weiße Schuhe” die Hypothese “Alle Raben sind schwarz” stützt.

  27. #27 Martin
    8. April 2015

    Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen dem Beispiel mit dem Raben und mit dem Natriumsalz:
    Das Beispiel mit dem Natriumsalz kommt uns deswegen plausibel vor, weil wir durch das Brennen einer Chemikalie mit nicht-gelblicher Flamme etwas darüber herausfinden können, welche Stoffe für die unbekannt Substanz in Frage kommen, und wir können Natriumsalze ausschließen, solange wir der Hypothese glauben, dass alle Natriumsalze mit gelblicher Flamme brennen, obwohl wir nicht wissen, ob tatsächlich alle denkbaren Salze schon überprüft wurden. Das ist dann vergleichbar damit, dass wir herausfinden können, dass irgendwelche weißen Objekte keine Raben sind, solange wir glauben, dass alle Raben schwarz sind.
    Solange wir aber annehmen, dass es in unbekannten Ländern auch nicht-schwarze Raben geben könnte, oder z.B. Raben-Albinos gezüchtet werden könnten, oder wir annehmen, dass man bislang noch unbekannte Natriumsalze synthetisieren könnte, die dann aus irgendwelchen Gründen keine gelblichen Flammen hervorbringen, bringt die Betrachtung der völlig anderen Stoffe oder Objekte keine Erkenntnis zur All-Satz-Gültigkeit.

    Die scheinbare Plausibilität ergibt sich aus den prinzipiell ungleichartigen Beispielen.

  28. #28 Alderamin
    9. April 2015

    @Chemiker

    Für die logische Analyse dieses Satzes wird aber Lügner so definiert, daß ein Lügner immer lügt und niemals die Wahrheit spricht.

    In der Urform nicht (und nur so kann er in meinem Post als Beispiel für eine falsch gebildete Negation herhalten).

    Man kann den Satz aber alternativ so formulieren, dass er echt paradox wird: “Ein Kreter sagt: alle Aussagen von Kretern sind Lügen”. Oder kürzer: “Dieser Satz ist falsch.”

    Danke für den Hinweis, so kommt man an’s Googeln und lernt was dazu 🙂

  29. #29 JoselB
    10. April 2015

    Ich hoff das ist jetzt nicht zu wirr. Ich denke es gibt hier einen Unterschied zwischen dem Satz “Alle Raben sind schwarz” ($ \forall x ( R(x) \rightarrow S(x) ) $, bzw. $ \nexists x ( \neg S(x) \land R(x) ) $), der zwar Aussage über Mengen macht, aber selbst universal gültig ist und damit nicht einzelne Elemente von Mengen anwendbar und dem Satz “Ist ein Objekt ein Rabe, ist dieses Schwarz” ($ R(x) \rightarrow S(x) $ bzw. im Umkehrschluss “Ist ein Objekt nicht schwarz, dann ist das auch kein Rabe”, $ \neg S(x) \rightarrow \neg R(x) $). Diesen Satz kann man nicht nur als allgemeingültige Aussage betrachten sondern auch gegen einzelene Elemente einer Menge testen. Somit ist auch die Bayessche Logik auf diesen Satz anwendbar, während “Alle Raben sind schwarz” solange gültig ist, solange es keine andersfarbigen Raben gibt und sobald es einen einzigen beispielsweise weißen Raben gibt nicht mehr haltbar ist. In der Bayesschen Logik ist ein weißer Turnschuh Element der Menge der richtig-negativen Tests und diese hat durchaus Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, dass der Satz (oder seine Umkehrrung) bei einem zufälligen Objekt stimmt. Ich hoffe ich habe da jetzt nichts durcheinander gebracht.

  30. #30 JoselB
    10. April 2015

    Sorry, falsche Formatierung.

    Ich hoff das ist jetzt nicht zu wirr. Ich denke es gibt hier einen Unterschied zwischen dem Satz “Alle Raben sind schwarz” (\forall x ( R(x) \rightarrow S(x) ) , bzw. \nexists x ( \neg S(x) \land R(x) ) ), der zwar Aussage über Mengen macht, aber selbst universal gültig ist und damit nicht einzelne Elemente von Mengen anwendbar und dem Satz “Ist ein Objekt ein Rabe, ist dieses Schwarz” (R(x) \rightarrow S(x) bzw. im Umkehrschluss “Ist ein Objekt nicht schwarz, dann ist das auch kein Rabe”, \neg S(x) \rightarrow \neg R(x) ).

    Der zweite Satz kann man nicht nur als allgemeingültige Aussage betrachten sondern auch gegen einzelene Elemente einer Menge testen. Somit ist auch die Bayessche Logik auf diesen Satz anwendbar, während “Alle Raben sind schwarz” solange gültig ist, solange es keine andersfarbigen Raben gibt und sobald es einen einzigen beispielsweise weißen Raben gibt nicht mehr haltbar ist.

    In der Bayesschen Logik ist ein weißer Turnschuh Element der Menge der richtig-negativen Tests und diese hat durchaus Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, dass “Ein Objekt das ein Rabe ist ist schwarz” bei einem zufälligen Objekt stimmt.

    Ich hoffe ich habe da jetzt nichts durcheinander gebracht.

  31. #31 JoselB
    10. April 2015

    Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob die Bayessche Logik überhaupt bei der Frage über die Gültigkeit von “Rabe also Schwarz” hilft. Schließlich gibt es weder eine Korrelation zwischen Verhältnis von schwarzen zu nicht schwarzen Raben zu dem Verhältnis von schwarzen zu nicht schwarzen Objekten die keine Raben sind. Noch gibt es eine Korrelation des Verhältnisses von schwarzen Raben zu schwarzen Nicht-Raben zum Verhältnis von nicht-schwarzen Raben zu nicht-schwarzen Nicht-Raben.

    Und solange wir nicht mindestens einen nicht-schwarzen Raben haben können wir somit keine Wahrscheinlichkeiten angeben, weil wir von unzureichenden Tests ausgehen müssen, zumindest solange wir nicht einen signifikanten Teil aller Raben getestet haben. Wenn wir 99% aller Raben zufällig als schwarz identifiziert haben, können wir mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass das letzte Prozent ebenfalls schwarz ist.

    Meiner Meinung nach bestätigt einer weißer Schuh zwar “Alle Raben sind schwarz” aber er stüzt diese Aussage nicht, da mangels Korrelation und Wissen über allgemeine Zusammenhänge keine Übertragung von Nicht-Raben auf Raben vorgenommen werden kann.

    Oder um es anders zu sagen, ein Nicht-Widerspruch stützt eine Aussage nur dann, wenn wir ihn in ein Verhältnis zum Widerspruch stellen können. Jeder Schwarze Rabe reduziert die Menge der Raben die eventuell nicht-schwarz sein können. Jeder weiße Turnschuh reduziert die Menge der möglichen schwarzen Turnschuhe. Er reduziert zwar ebenso die Menge der Objekte die Möglicherweiße Raben sind, aber er verändert nicht das Verhältnis zwischen möglichen schwarzen und nicht-schwarzen Raben. Und das Letzte gilt in gleichem Maße ebenfalls für schwarze Turnschuhe.

    Sorry für den langen Kommentar.

  32. […] Logik kann hinterhältig sein! Da können dann sogar rote Schuhe ein Beleg dafür sein, dass alle Raben schwarz sind. Zumindest in “Hempels Paradox”. […]

  33. […] Logik kann hinterhältig sein! Da können dann sogar rote Schuhe ein Beleg dafür sein, dass alle Raben schwarz sind. Zumindest in “Hempels Paradox”. […]