Von 1. bis 20. April bin ich auf Reisen, halte Vorträge in der Pfalz und in Baden-Württemberg und mache auch ein wenig Urlaub. Für die Zeit meiner Abwesenheit habe ich eine Artikelserie über wissenschaftliche Paradoxien vorbereitet. Links zu allen Artikeln der Serie findet ihr hier.
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Stellt euch vor, ihr seid ein Krokodil. Und macht das, was Krokodile so tun: Kleine Kinder entführen! Ihr habt also ein Kind entführt und nun taucht natürlich die verzweifelte Mutter auf und will ihren Nachwuchs wieder zurück haben. Da ihr aber nicht nur ein Krokodil seid, sondern noch dazu böse und ein Fan fieser Rätsel, gebt ihr der Mutter folgende Chance: Sollte sie korrekt erraten, was ihr mit dem Kind vorhabt, dann werdet ihr das Kind freilassen. Ehrenwort!
Ihr erwartet natürlich, dass die Mutter sagt, dass ihr das Kind freilassen werdet. Denn schließlich ist das ja das, was sich die Mutter wünscht. Und weil ihr ein böses Krokodil seid und das Kind nicht freilassen wollt, hat sie falsch geraten und ihr könnt das tun, was ihr von Anfang an vorhattet: Nämlich das Kind behalten.
Aber die Mutter könnte sich ja auch anders entscheiden. Immerhin weiß sie Bescheid, wie fies Krokodile sind! Sie kann also raten, dass ihr das Kind nicht rausrücken werdet. Und jetzt seid ihr die Dummen! Denn gebt ihr zu, dass es tatsächlich so ist, dann hat die Mutter Recht und ihr müsst das Kind frei lassen – und verstoßt dabei gegen die von euch aufgestellte Regel. Denn wenn ihr das Kind zurück gebt, dann tut ihr nicht mehr das, was die Mutter geraten hat und solltet es eigentlich behalten. Und wenn ihr es einfach trotzdem behaltet, dann verstoßt ihr ebenfalls gegen eure eigene Behauptung und euer gegebenes Ehrenwort!
Tja – das kommt davon, wenn man ein fieses Krokodil ist, und Kinder entführt! Egal was ihr tut, ihr landet bei einer Entscheidung, die euren Vorgaben widerspricht.
Natürlich ist die Geschichte mit dem Krokodil nur eine Geschichte und keine Situation, der man im echten Leben begegnet wird. Aber dieses “Krokodildilemma” oder “Krokodil-Paradox” wurde schon in der Antike betrachtet und zeigt die logischen Probleme auf, die entstehen, wenn man zu viel Wissen über das Wissen hat. Die Sache mit dem “Metawissen” war ja auch schon der Knackpunkt beim Paradox des Flaschenkobolds.
Das Krokodildilemma ist eng mit einer der bekanntesten Paradoxien bekannt: Dem Lügner-Paradox. Es lässt sich von allen Paradoxien vermutlich am einfachsten formulieren und besteht nur aus dem Satz:
“Dieser Satz ist falsch.”
Ist dieser Satz nun falsch oder richtig? Ist er richtig, dann folgt aus dem Satz, dass er falsch ist. Und ist er falsch, dann folgt, das der Satz richtig ist. Wie man es betrachtet, am Ende entsteht ein logischer Widerspruch. In der klassischen Variante handelt es sich dabei um das Paradoxon des Epimenides, der behauptet hat “Alle Kreter sind Lügner” und selbst aus Kreta stammt. Seiner eigenen Behauptung nach ist er also ein Lügner – und wenn er ein Lügner ist, dann hat er bei dem Satz “Alle Kreter sind Lügner” gelogen und die Aussage ist falsch. Kreter sagen also die Wahrheit – und damit ist der Satz richtig und alle Kreter sind Lügner. Tja.
Das, was die Sache mit den Lügnern und den Krokodilen so verwirrend macht, ist die Selbstbezüglichkeit. Es geht dabei um Aussagen, die sich auf sich selbst beziehen und damit landet man fast immer bei Widersprüchen der einen oder anderen Art. Wer dieses Thema in all seinen Details verstehen will, dem kann ich das Buch “Gödel, Escher, Bach ein Endloses Geflochtenes Band”* (im Original: “Godel, Escher, Bach: An Eternal Golden Braid”*) von Douglas Hofstadter nur dringend empfehlen. Es ist ein äußerst hervorragendes Buch, in dem es um genau die selbstbezüglichen Paradoxien geht, die ich hier angesprochen habe. Hofstadter zeigt, wie und wo sie in Musik (u.a. der von Johann Sebastian Bach), der Kunst (u.a. der von MC Escher) und der Wissenschaft auftreten. Er schafft so eine Verbindung von der Logik der Antike bis hin zu Gödels berühmten Unvollständigskeitssatz, der zeigt, dass die Mathematik niemals alle wahren Aussagen wird beweisen können sondern das es immer Probleme geben wird, bei denen man nicht entscheiden kann, ob sie wahr sind oder nicht; genau so wie sich nicht entscheiden lässt ob der verdammte Epimenides jetzt ein Lügner ist oder nicht! Gödels Unvollständigkeitssatz ist wirklich nicht leicht zu verstehen, aber nach der Lektüre von “Gödel, Escher, Bach” hat man ein ziemlich gutes Verständnis, und das gilt durchaus auch für die mathematisch/logischen Grundlagen des Problems.
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