Das Universum ist manchmal ein ziemlich unfreundlicher Ort. Normalerweise hat man als Himmelskörper ja seine Ruhe. Man bewegt sich friedlich durchs All und abgesehen von ein paar kleineren Kollisionen mit kleinen Objekten wie Asteroiden und Kometen passiert nicht viel. Zwischen den Himmelskörpern ist so viel Platz, dass zum Beispiel Zusammenstöße zwischen Planeten äußerst selten und Kollisionen zwischen Sternen so gut wie unmöglich sind. Es sei denn, man macht den Fehler und hält sich in ganz speziellen Regionen auf. Zum Beispiel in Sternhaufen. Dort ist alles ein wenig gedrängter und es können Dinge passieren, die ansonsten nicht stattfinden. Wie etwa das, was Astronomen aus Italien kürzlich entdeckt haben: Einen Planeten, der von einem weißen Zwerg zerstört worden ist.
Melania Del Santo vom Istituto Nazionale di Astrofisica in Palermo und ihre Kollegen haben den Kugelsternhaufen NGC 6388 beobachtet (“The puzzling source IGR J17361-4441 in NGC 6388: a possible planetary tidal disruption event”). Wie der Name schon sagt, ist ein Kugelsternhaufen eine kugelförmige Ansammlung von Sternen (ich habe hier mehr darüber erzählt). NGC 6388 ist wie die meisten anderen Kugelsternhaufen besonders alt – mehr als 10 Milliarden Jahre – und am Himmel im Sternbild Skorpion zu sehen (allerdings nicht ohne optische Hilfsmittel). Er befindet sich innerhalb unserer Milchstraße; knapp 35.000 Lichtjahre entfernt. Dort sind die Sterne wesentlich dichter gepackt als in den normalen Regionen der Galaxis und es kann durchaus vorkommen, dass sich zwei von ihnen sehr nahe kommen oder sogar miteinander kollidieren. Für Planeten ist so ein Kugelsternhaufen kein gutes Pflaster, denn die vielen nahen Begegnungen zwischen den Sternen machen ihre Bahnen tendenziell instabil so dass sie irgendwann aus ihrem eigentlich System heraus fliegen und dann alleine durch den Haufen fliegen. Und da warten weitere Gefahren auf sie, wie Del Santo und ihre Kollegen entdeckt haben.
Im Zentrum des Kugelsternhaufens befindet sich ein schwarzes Loch. Kein gigantisches supermassereiches Loch wie in den Zentren der großen Galaxien, sondern ein sogenanntes “intermediate-mass black hole” mit nur der etwa hundertfachen Masse der Sonne. Wenn Material auf so ein Loch fällt, dann gibt es dabei hochenergetische Strahlung ab, weswegen man solche aktiven schwarzen Löcher (bzw. ihre unmittelbare Umgebung) auch gut im Röntgenlicht beobachten kann. Genau das haben die Astronomen getan und tatsächlich viele Röntgenquellen in NGC 6388 gefunden. Man vermutete bisher, das ein Teil dieser Röntgenstrahlung von heißem Gas stammt, das auf das zentrale schwarze Loch fällt. Aber wie die neuen Beobachtungen zeigen, scheint das nicht der Fall zu sein. Die von den Wissenschaftlern gefundene starke Röntgenquelle befindet sich nicht dort, wo sich das schwarze Loch befindet. Es muss sich also um etwas anderes handeln und um herauszufinden, wo die Strahlung herkommt, haben Del Santo und ihre Kollegen das Weltraumteleskop Swift benutzt, um sich die Sache genauer anzusehen.
Es könnte sich zum Beispiel um ein Doppelsternsystem handeln, in dem sich ein Neutronenstern befindet. Aber in dem Fall würde das Röntgenlicht periodisch heller und dunkler werden und das war nicht der Fall. Es könnte sich auch um ein ganz normales, kleines schwarzes Loch handeln, das nach dem Tod eines Sterns entsteht. Aber dafür war die Röntgenstrahlung zu schwach. Del Santo und ihre Kollegen haben aber beobachtet, dass das Röntgenlicht während der Messung schwächer wurde. Und das deutet auf eine ganz andere Quelle hin: Einen Planeten, der von einem weißen Zwerg zerstört wurde.
Weiße Zwerge gibt es in Kugelsternhaufen genau so, wie überall sonst. Sie entstehen, wenn sonnenähnlichen Sternen am Ende ihres Lebens der Brennstoff ausgeht und sie in sich zusammenfallen. Die Masse des Sterns wird auf ein Volumen komprimiert, das in etwa der Erde entspricht. Das hat Auswirkung, vor allem auf die Gezeitenkräfte. Bei den Gezeiten geht es ja nicht um die Gravitationskraft der gesamten Masse, sondern den Unterschied der Gravitationskraft. Der Mond zieht an der ihm zugewandten und daher ein bisschen näheren Seite der Erde ein bisschen stärker als an der mondabgewandten Seite und dieser Unterschied ist für Ebbe und Flut verantwortlich. Bei einem weißen Zwerg ist die Masse aber viel dichter gepackt und das verstärkt den Gezeiteneffekt. Nähert sich ein Planet dem weißen Zwerg, dann wirkt auf der dem Zwerg zugewandte Seite eine stärkere Gravitationskraft als auf der abgewandten Seite. Und weil der weiße Zwerg so viel Masse auf so kleinem Raum vereint, kann man dieser Masse auch sehr nahe kommen. Auf der einen Seiten des Planeten zieht der weiße Zwerg nun viel stärker als auf der anderen und wenn diese Kraft groß genug ist – größer als die Kräfte, die den Planeten zusammenhalten – dann wird er dabei auseinander gerissen. Das Material, aus dem er besteht, wird dabei aufgeheizt und beginnt im Röntgenlicht zu leuchten, bevor es auf den weißen Zwerg fällt und dabei erneut Röntgenstrahlung erzeugt.
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