Lise Meitner kehrt – trotz entsprechender Angebote – nach dem Krieg nicht mehr nach Deutschland zurück. Sie ist entsetzt darüber, wie ihre deutschen Kollegen den Horror des Holocaust verdrängen und komplett zu vergessen scheinen, was sie während des Kriegs getan haben. Meitner bleibt in Schweden, setzt ihre eigene Forschung fort – engagiert sich aber auch verstärkt in der Friedensbewegung und für die Gleichberechtigung der Frauen.

Lise Meitner mit Studentinnen, 1959 (Bild: USNRC, CC-BY 2.0)

Lise Meitner mit Studentinnen, 1959 (Bild: USNRC, CC-BY 2.0)

Lise Meitner starb am 27. Oktober 1968 in Cambridge, wohin sie wenige Jahre zuvor übersiedelte. Einen Nobelpreis hat sie nie bekommen, obwohl sie dreimal für den Physik-Preis nominiert wurde. In den 1950er und 1960er Jahren bekam sie diverse andere Preise verliehen – aber im Deutschen Museum, wo heute der Arbeitstisch zu besichtigen ist, an dem Hahn und Meitner damals geforscht habe, dauert es noch bis 1990, bevor neben Hahns Namen auch der von Lise Meitner zu finden ist.

Lise Meitner gehört unbestreitbar zu den großen Wissenschaftlerinnen des letzten Jahrhunderts. Ihre Entdeckungen haben dazu beigetragen, die Welt fundamental zu verändern. Ihre wissenschaftlichen Leistungen hätten einen Nobelpreis mehr als verdient und ihre Biografie sollte eigentlich mindestens so bekannt sein wie die ihrer Kollegin Marie Curie. “Das Leben muss nicht leicht sein, wenn es nur inhaltsreich ist”, sagte Meitner bei einer Rede, die sie in Wien hielt. Und Meitners Leben war definitiv nicht leicht, dafür aber auch definitiv inhaltsreich. Trotz aller Ehrungen ist Lise Meitner aber nie so prominent geworden, wie sie durch ihre Arbeit eigentlich hätte werden sollen. Aber zumindest ist sie doch noch so bekannt, dass über ihr Leben mehr als nur ein Buch geschrieben worden ist.

meitner

Das, das ich gelesen habe heißt “Lise, Atomphysikerin”*, ist von Charlotte Kerner und soweit ich weiß, war es die erste Biografie die über Meitner geschrieben worden ist. Ich kann das kleine Buch nur uneingeschränkt empfehlen! Es gibt einen umfassenden Überblick über Meitners Leben, eine verständliche Erklärung ihrer wichtigsten Arbeiten und vor allem einen sehr packenden und spannenden Einblick in die persönlichen Beziehungen zwischen Meitner, Hahn und all den anderen großen Forschern der damaligen Zeit. Meitners Leben ist in jeder Hinsicht inspirierend. Sie war, wie es auch auf ihrem Grabstein steht, “Eine Physikerin, die niemals ihre Menschlichkeit verlor.”

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Kommentare (8)

  1. #1 Ferrer
    28. April 2015

    Ich schlage https://de.m.wikipedia.org/wiki/Henrietta_Swan_Leavitt vor
    Der Wikiartikel nennt in der Bibliographie folgende Bücher, die bei der Suche nach weiteren Anstronominnen hilfreich sein können:
    Helena Korneck: Frauen in der Astronomie, Sterne und Weltraum 21, 1982
    George Johnson: Miss Leavitt’s Stars: the untold story of the woman who discovered how to measure the universe, W. W. Norton, New York 2005, ISBN 0-393-05128-5

  2. #2 schlappohr
    28. April 2015

    Welche Größe muss ein Mensch besitzen, um alle diese Demütigungen über sich ergehen zu lassen, von Verbrechern aus der eigenen Heimat vertrieben zu werden, unter diesen Umständen Nobelpreis-würdige Wissenschaft zu betreiben ohne jemals diesen Preis zuerkannt zu bekommen, und bei alledem auch noch seine unerschütterliche pazifistische Grundeinstellung zu behalten. Das ist mehr als bewundernswert.

  3. #3 Florian Freistetter
    28. April 2015
  4. #4 JW
    28. April 2015

    Was mich dann immer interessiert, sind die anderen Frauen. Eine von 4 Studentinnen und die zweite promovierte. Was ist eigentlich aus diesen Frauen geworden. Das müssen ja auch sehr engagierte und auch für ausgebildete Frauen gewesen sein. Sind Sie wie so häufig “weg geheiratet” worden? Gibt es Infos zu deren Biografie?

  5. #5 Sim
    28. April 2015

    Ein wunderbarer Artikel über eine wunderbare Person. Und letzten Endes hat sie es auch noch in den erlesenen Kreis der Personen geschafft nach denen ein Element benannt worden ist: Das Meitnerium.

  6. #6 Florian Freistetter
    28. April 2015

    @JW: Die Kommilitonin von Meitner war Selma Freud: https://de.wikipedia.org/wiki/Selma_Freud

  7. […] Bücher habe ich im April schon in eigenen Artikel vorgestellt. Einmal die lesenswerte Biografie der Physikerin Lise Meitner. Und dann noch die “Biografie” des Hubble-Weltraumteleskops, das kürzlich 25 Jahre alt […]

  8. […] von ihnen lag das auch daran, dass der Preis zu ihren Lebzeiten noch nicht existierte. Andere, wie Lise Meitner, wurden schlicht und einfach […]