Dieser Artikel ist Teil der blogübergreifenden Serie “Running Research – Denken beim Laufen”, bei der es um die Verbindung von Laufen und Wissenschaft geht. Alle Artikel der Serie findet ihr auf dieser Übersichtseite
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Ich bin wieder mal in Österreich. Heute treffe ich jede Menge alte Freunde aus der Schulzeit und wir feiern unser 20jähriges Matura-Jubiläum (so heißt bei uns das Abitur). Und passenderweise fand hier gestern der Campuslauf Krems statt. Wie der Name schon sagt, handelt es sich um eine Laufveranstaltung, die am Campus der Donau-Universität Krems startet und durch die schöne Innenstadt führt. Die Strecke, die ich gelaufen bin, war 11,4 Kilometer lang (offiziell, effektiv bin ich aber 11,7 km gelaufen) und es war überraschend anstrengend!
Ich muss irgendwann einmal lernen, nicht ständig viel zu schnell loszulaufen! Bei langen Läufen wie beim letzten Marathon in Wien habe ich das mittlerweile einigermaßen gut drauf und selbst wenn man ein bisschen zu schnell oder zu langsam startet, hat man noch genug Zeit, das zu korrigieren. Aber bei den kurzen Läufen muss man von Anfang an das richtige Tempo laufen. Ist man zu langsam, dann fehlt einem am Ende die Zeit, das wieder aufzuholen und ist man zu schnell, dann kann man keine ausreichend langen Regenerationsphasen einbauen.
Ich hab ja mittlerweile bei den Läufen eine entsprechende Uhr mit GPS-Empfänger am Handgelenk die mich über meine aktuelle Geschwindigkeit informiert. Der Empfang ist allerdings meistens nicht ganz so genau und oft dauert es ein wenig, bis die Uhr gemerkt hat, dass ich schneller oder langsamer geworden bin. Daher orientiere ich mich meistens nicht an der (angeblich) aktuellen Laufgeschwindigkeit, sondern an der von der Uhr berechneten und angezeigten Durchschnittsgeschwindigkeit.
Die sagt mir gerade, dass ich die erste 2,8km-Runde mit einem durchschnittlichen Pace von 3:50 Minuten pro Kilometer gelaufen bin. Das ist deutlich zu schnell; mein letztes vergleichbares 10-Kilometer-Rennen bin ich mit persönlicher Bestzeit von 4:00 Minuten pro Kilometer gelaufen und in den paar Wochen seitdem bin ich definitiv nicht fit genug geworden, um meinen Pace gleich um 10 Sekunden zu steigern! Aber jetzt ist es zu spät, ich bin erschöpft und die zweite Runde verspricht quälend zu werden.
Ich bin versucht, mir auszurechnen, wie weit ich meine Geschwindigkeit höchstens verringern darf, um trotzdem nicht unter einen durchschnittlichen Pace von 4min/km zu fallen. Aber ich bin mit der Lauferei schon genug beschäftigt und habe keine große Lust auf Rechnerei. Und die Statistik gehört leider auch zu den Bereichen, die ich immer viel zu sehr vernachlässigt habe. In der Schule hätte ich da ja eigentlich die Grundlagen lernen und vertiefen sollen. Aber unser Mathematik-Lehrer hat in der 8. Klasse (=12. Klasse in Deutschland) einfach darauf verzichtet, das Thema noch einmal zu behandeln und mein Wissen über Statistik bestand nach der Schule aus dem, was ich irgendwann mal als ca. 14jähriger an Grundlagen lernen musste. Auch an der Universität gehörte die Statistik nicht unbedingt zum Lehrplan meines Studiums. Ich habe irgendwann mal ein paar relevante Dinge gelernt um die nötigen Berechnungen für meine Diplomarbeit anstellen zu können. Aber auch das war weit entfernt von einem umfassenden und vor allem organisierten Verständnis der Statistik.
Mir ist zum Beispiel erst vor überraschend kurzer Zeit so richtig der Unterschied zwischen “Mittelwert” und “Median” bewusst geworden. Ich weiß, das ist wirklich fundamental – aber ich hatte nie wirklich damit zu tun. Erst als ich Anfang des letzten Jahres beschlossen habe, endlich mal abzunehmen wurden diese Größen für mich persönlich relevant. Um den Überblick über meinen Gewichtsverlust zu behalten, habe ich angefangen mein Gewicht aufzuzeichnen. Und natürlich will man diese Daten dann auch irgendwie auswerten. Das einfachste, was man mit einem Haufen Zahlen machen kann, ist einen Mittelwert zu bestimmen.
Wenn ich das für alle seit Anfang 2014 aufgezeichneten Gewichtswerte mache, dann komme ich auf ein Durchschnittsgewicht von knapp 70 Kilogramm. Eigentlich gar nicht so schlecht, wenn man bedenkt das ich damals mit 114 Kilogramm angefangen habe. Andererseits ist die Aussagekraft dieses Mittelwerts für meinen aktuellen Zustand auch nicht allzu groß. Denn das letzte Mal, dass meine Waage tatsächlich 70 Kilogramm angezeigt hat, war irgendwann im Oktober 2014. Seitdem lag mein Gewicht immer darunter und schwankt momentan zwischen 65 und 67 Kilogramm.
Schwanken tut auch meine Laufgeschwindigkeit. Das Ende der zweiten 2,8km-Runde ist wirklich fies. Man läuft der Sonne entgegen und wird geblendet; es geht bergauf und über fiesen Bodenbelag und auch noch um lauter scharfe Kurven herum. Das drückt die Geschwindigkeit ordentlich und damit auch meine Durchschnittsgeschwindigkeit. Und ich weiß, dass es vermutlich nur selektive Wahrnehmung ist, aber: Ich schwöre, dass der von meiner Uhr angezeigte Durchschnitts-Pace sofort nach oben schießt, wenn ich nur mal ganz kurz langsamer laufen und ich danach ewig schnell laufen muss, um ihn wieder zu auf den früheren Wert zu bringen.
Während ich die dritte Runde absolviere, denke ich darüber nach, ob es sinnvoll wäre, wenn meine Uhr nicht den Mittelwert meiner Geschwindigkeit anzeigen würde, sondern den Median? Der berechnet sich eigentlich auch ganz simpel: Man nimmt alle Zahlenwerte die man untersuchen will, und schreibt sie ihrem Wert nach geordnet auf. Die kleinste Zahl am Anfang und die größte Zahl am Schluss. Und dann sucht man die Zahl, die genau in der Mitte der Liste steht: Das ist der Median. Er hat den Vorteil, dass er nicht ganz so sehr auf “Ausreißer” anspringt wie der Mittelwert. Als ich damals abgenommen habe, habe ich in den ersten Wochen und Monaten ziemlich schnell ziemlich viel Gewicht verloren. Mittlerweile habe ich mehr oder weniger das Gewicht erreicht, das ich haben will und die Werte variieren nur noch leicht hin und her. Die großen Zahlen in diesem Datensatz werden also immer mehr zu untypischen Ausreißern. Der Median verkraftet das aber recht gut, denn die hohen Werte stehen an einem Ende der Datenreihe und je mehr “normale”, also kleinere Zahlen dazu kommen, desto weiter rückt die Zahl die den Median darstellt von den großen Zahlen fort. Und tatsächlich liegt der aktuelle Median meiner Gewichtsmessungen bei 67 Kilogramm also nur geringfügig über meinem tatsächlichen Gewicht.
Aber egal ob Mittelwert oder Median: Am Ende zählt bei so einem Wettrennen nur, was auf der Uhr steht, wenn man über die Ziellinie läuft. Angesichts meiner letzten Ergebnisse hatte ich eigentlich damit gerechnet, die 11,4 Kilometer in etwa 44 bis 45 Minuten absolvieren zu können. Nach meiner zu schnellen ersten Runde und der deswegen viel zu langsamen zweiten Runde kann ich das aber wohl vergessen. Immerhin kann ich in den Runden drei und vier einige der langsamen Läufer im Feld überrunden und es motiviert immer ein wenig, wenn man Leute vor sich hat, die man als “Zwischenziel” anpeilen und überholen kann. Ich kann meine Geschwindigkeit noch ein kleines bisschen erhöhen und komme am Ende schließlich noch mit einer Zeit von 49 Minuten und 34 Sekunden an.
Nicht die Zeit, die ich mir gewünscht hatte, aber auch nicht sooo wahnsinnig schlecht. Und eigentlich ganz gut, wenn man berücksichtigt, dass ich in den letzten sieben Wochen fünf Wettkämpfe absolviert habe (darunter ein Marathon). Bis zum nächsten Wettlauf dauert es jetzt aber wieder und ich habe genug Zeit, um 1) ordentlich zu trainieren, 2) endlich zu lernen in der richtigen Geschwindigkeit los zu laufen und mich 3) ein wenig mehr über Statistik zu informieren…
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