Schwarze Löcher gehören zu den faszinierendsten Objekten im Universum. Lange Zeit galten sie nur als mathematische Kuriosität; heute wissen wir, dass sie überall im Kosmos zu finden sind und großen Einfluss auf seine Entwicklung haben. Über schwarze Löcher gibt es viel zu erzählen und über sie existieren viele falsche Vorstellungen. Ich wollte schon seit längerer Zeit eine ausführliche Serie über schwarze Löcher schreiben. Und da Marcia Bartusiak kürzlich ein tolles Buch* zu diesem Thema veröffentlicht hat, nehme ich das als Anlass, um diese Serie endlich zu schreiben. Alle Teile der Serie findet ihr hier.
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Die von Albert Einstein Anfang des 20. Jahrhunderts ausgelöste wissenschaftliche Revolution war gleichzeitig auch der Grundstein für unser Verständnis der schwarzen Löcher. Seine Vereinheitlichung zweier physikalischer Theorien erlaubte einen neuen Blick auf die Struktur von Raum und Zeit und daraus folgte direkt die Möglichkeit schwarzer Löcher. Zumindest theoretisch, denn in der Realität ließen sich diese seltsamen Himmelskörper lange nicht nachweisen. Viele Wissenschaftler standen der Existenz schwarzer Löcher äußerst kritisch gegenüber, auch dann noch, als immer klarer wurde, dass sie tatsächlich im Rahmen der Sternentwicklung entstehen können. Einer der größten Gegner der schwarzen Löcher war ironischerweise Albert Einstein selbst. Seine Arbeit zu diesem Thema wird heute manchmal als sein schlechtester wissenschaftlicher Aufsatz bezeichnet…
In den Jahren nach der Veröffentlichung von Einsteins Relativitätstheorie haben sich die Astronomen langsam immer näher an die Realität der schwarzen Löcher herangetastet. Zuerst dachte man, Materie könne überhaupt niemals so enorm stark verdichtet werden, damit ein schwarzes Loch entsteht. Aber dann entdeckte man die weißen Zwerge und Subrahmayan Chandrasekhar verband Quantenmechanik und spezielle Relativitätstheorie um zu erklären, warum diese Objekte stabil sein können, obwohl hier die Masse eines Sterns auf die Größe eines Planeten komprimiert wird. Außerdem fand er heraus, dass es für diese Stabilität eine Grenze gibt – aber nicht, was passieren würde, wenn ein weißer Zwerg diese Masse überschreitet.
Das verstand man erst ein paar Jahre später, als der Astronom Fritz Zwicky behauptete, dass es so etwas wie “Neutronensterne” geben könnte. Sterne, in denen die Atome selbst komprimiert werden, so dass am Ende nur noch eine große Masse an Neutronen übrig bleibt, die noch viel dichter gepackt werden können als normale Atome aus Protonen und Elektronen. Die Neutronensterne sind nur noch wenige Kilometer groß – aber immer noch nicht dicht genug für ein schwarzes Loch.
Die Frage war nun: Wie lange ist so ein Neutronenstern stabil? Wie lange können die aneinander gepressten Neutronen dem Druck der Gravitation standhalten? Dieses Limit fand der amerikanische Physiker Robert Oppenheimer, der eigentlich besser für seine Arbeit in der Kernphysik und vor allem beim Bau der ersten Atombombe bekannt ist. Gemeinsam mit seinen Kollegen Richard Tolman und George Volkoff nutzte er Quantenmechanik in Verbindung mit der allgemeinen Relativitätstheorie, um die Tolman-Oppenheimer-Volkoff-Grenze zu berechnen. Sie fanden heraus, dass auch ein Neutronenstern nicht immer stabil ist, sondern ab einer gewissen Grenzmasse unweigerlich weiter komprimiert wird.
Der Weg zu den schwarzen Löchern war nun im wesentlichen frei. Zur gleichen Zeit fanden andere Astronomen (allen voran Hans Bethe) heraus, wie Sterne in ihrem Inneren durch Kernfusion Energie erzeugen können und es war klar, dass dieser Prozess irgendwann ein Ende finden muss. Ein Ende, auf das ein Kollaps folgen muss, dessen Verlauf durch die von Chandrasekhar bzw. Oppenheimer bestimmten Grenzmassen bestimmt wird. Und wenn der Stern schwer genug ist, dann kann er eigentlich nichts mehr anderes werden, als ein schwarzes Loch.
Ein echtes schwarzes Loch (bzw. einen Neutronenstern) hatte man Ende der 1930er Jahre aber immer noch nicht beobachtet. Und daher waren viele Astronomen weiterhin überzeugt, dass die Natur diese absurden Objekte nicht zulassen würde. Ganz besonders Einstein wollte nichts von schwarzen Löchern wissen und veröffentlichte 1939 eine Arbeit, in der er sich ganz explizit gegen Oppenheimers Schlussfolgerungen stellte. In “On a Stationary System With Spherical Symmetry Consisting of Many Gravitating Masses” (pdf) behauptete Einstein, die Teilchen eines kollabierenden Sterns müssten sich dabei auch immer schneller um die Rotationsachse drehen, so dass die Fliehkraft den totalen Zusammenfall verhindern würde.
Aber das war eine Hypothese, die im wesentlichen dem reinen Wunschdenken Einsteins entsprang und für die es keine Grundlage gab. Einstein war eben bei all seiner Genialität auch nur ein Mensch. Und seine Ablehnung der schwarzen Löcher war in diesem Fall wohl stärker als der klare Blick auf die Wissenschaft. In der Quantenmechanik war die Situation ja ähnlich: Auch hier hat Einstein wichtige Grundlagen zur Entstehung dieser neuen wissenschaftlichen Disziplin gelegt (und für seine Arbeit dazu auch den Physik-Nobelpreis bekommen) – um später dann mit großer Leidenschaft die Vertreter der Quantenmechanik und deren Theorien zu kritisieren.
Auch große Genies können sich irren. Einstein war eines der größten Genies aller Zeiten (und meiner Meinung nach das größte Genie aller Zeiten). Aber auch die Arbeiten von Genies sind nicht über Kritik erhaben und wenn sie falsch sind, dann rettet sie auch alle frühere Genialität nicht. Die Geschichte der schwarzen Löcher demonstriert das wunderbar.
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