Im Laufe der Jahre haben die Astronomen drei verschiedene Möglichkeiten identifiziert, bei denen Fluor gebildet werden kann. Bei den normalen Kernreaktionen, die im Inneren von Sternen ablaufen und bei denen zum Beispiel aus der Fusion von Helium Sauerstoff und Kohlenstoff entstehen, wird kein Fluor gebildet. Aber es geht auch anders! Schon 1988 haben zwei amerikanische Astronomen vorgeschlagen, dass es in bestimmten Supernova-Explosionen gebildet werden kann.
Wenn wirklich große Sterne – mit typischerweise ein paar Dutzend Sonnenmassen – am Ende ihres Lebens keinen Brennstoff mehr haben, dann explodieren sie und es findet eine sogenannte “Typ-II-Supernova” statt. Am Ende dieser gigantischen Explosion bleibt vom Stern nur noch ein schwarzes Loch (oder ein Neutronenstern) übrig. Und während der Explosion werden unzählige Neutrinos frei. Über diese sehr speziellen Elementarteilchen habe ich ja schon zum Beispiel hier oder auch hier berichtet. Neutrinos wechselwirken so gut wie gar nicht mit dem Rest der Materie; sie gehen fast überall glatt durch. Bei einer Supernova-Explosion entstehen aber so viele von ihnen und die Materie des sterbenden Sterns auf die sie bei ihrem Weg hinaus ins All treffen ist so dicht, dass es dabei doch zu einer relevanten Anzahl von Interaktionen kommt. Gegen Ende seines Lebens hat der Stern in seinem Kern noch jede Menge neue chemische Elemente fusioniert; unter anderem das Isotop Neon-20. Wenn ein Neutrino auf einen Kern des Neon-20-Atoms trifft, kann es dabei in Fluor umgewandelt werden.
Supernovae vom Typ II sind also ein Prozess, bei dem Fluor gebildet werden kann. Und es ist ein sehr faszinierender Gedanke, dass wir ein chemisches Element zur Härtung unserer Zähne verwenden, das nur bei der Explosion gigantischer Sterne und der dabei stattfindenden seltenen Wechselwirkung mit den geisterhaften Neutrinos entstehen kann…
Eine zweite Möglichkeit der kosmischen Fluor-Produktion wurde in den 1990er Jahren identifiziert. Astronomen hatte rote Riesensterne untersucht und die Häufigkeit des dort vorkommenden Fluors gemessen. Und in einer speziellen Gruppe dieser Sterne fanden sie überdurchschnittlich viel davon: den sogenannten AGB-Sternen. Das sind Sterne, die schon am Ende ihres Lebens angekommen sind und bei denen zwei Arten von Kernfusion ablaufen. In den kühleren äußeren Schichten wird ganz normal Wasserstoff zu Helium fusioniert. Im heißeren Kern dagegen sind die Temperaturen hoch genug, um Helium zu Kohlenstoff zu fusionieren. Dieses Heliumfeuer brennt aber nicht so stabil und gleichmäßig wie die normale Wasserstoff-Fusion. So ein “Helium-Flash” kann jede Menge Kohlenstoff aus dem Inneren des Sterns in die äußeren Schichten bringen und ihn zu einem “Kohlenstoff-Stern” machen. Genau bei dieser Art der Sterne hatten die Astronomen auch die hohen Fluor-Mengen entdeckt. Normalerweise würde das bei den nuklearen Reaktionen entstehende Fluor im Inneren des Sterns gleich wieder durch weitere Reaktionen mit dem Helium umgewandelt und vernichtet werden. Aber so wie der Helium-Flash den Kohlenstoff nach oben in die kühleren Zonen bringt, tut er das auch mit dem Fluor. Das Fluor wird dabei schneller in die “sicheren” Zonen transportiert als es weiter unten vernichtet werden kann und kann sich ansammeln. Wenn dann der Stern später seine äußeren Schichten ins All hinaus pustet und endgültig stirbt, wird dabei auch das Fluor im Universum verteilt.
Die dritte Möglichkeit der Fluor-Produktion findet man in sogenannten Wolf-Rayet-Sternen (über die ich hier schon mal mehr geschrieben habe). Auch das sind Riesensterne am Ende ihres Lebens; sie sind aber so heiß und erzeugen durch ihre starke Strahlung einen so heftigen Sternenwind, dass sie schon lange vor ihrem Ende ihre äußeren, kühleren Schichten ins All hinaus blasen. Übrig bleibt nur der heiße Kern (der bei diesen Sternen aber immer noch enorm groß ist), weswegen diese Riesen auch nicht rot, sondern blau-weißlich leuchten. Der Sternwind rettet vermutlich auch das Fluor. Es entsteht in den Wolf-Rayet-Sternen auf die gleiche Art wie in den AGB-Sternen und würde normalerweise auch hier durch das Helium wieder vernichtet werden. Aber der Sternwind pustet es schneller hinaus ins All, als es zerstört werden kann.
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