Ich lese gerne Bücher über die Geschichte der Astronomie. Und da stößt man natürlich sehr oft auf diverse Astronomen, über die man mehr erfahren will. Meistens findet sich dann auch irgendwo eine Biografie mit weiterführenden Informationen. Es sei denn, der Astronom ist eine Astronomin. Denn auch die findet man in der Wissenschaftsgeschichte immer wieder und sie sind leider lange nicht so prominent wie ihre männlichen Kollegen. Ich hatte eigentlich vor, das Jahr 2015 für eine monatliche Serie über Astronominnen zu nutzen und wollte eigentlich für jeden Monat eine entsprechende Biografie auswählen und vorstellen. Aber leider habe ich feststellen müssen, dass es auf dem Buchmarkt sehr wenige biografische Bücher über Astronominnen gibt. Ich wollte mich ursprünglich auf deutschsprachige Ausgaben, die im normalen Handel erhältlich sind beschränken – aber nach ein wenig Recherche war ich froh, wenn ich überhaupt Bücher gefunden habe! Ich hoffe, es reicht am Ende für eine monatliche Serie; ein paar Bücher konnte ich dann doch noch auftreiben. Aber wenn ihr noch entsprechende Vorschläge habt, dann sagt bitte Bescheid!
In den bisherigen Artikeln dieser Serie habe ich schon über zwei wichtige Astronominnen aus dem 19. Jahrhundert geschrieben: Maria Mitchell und Annie Jump Cannon. Henrietta Swan Leavitt, um die es heute gehen soll, hat ihre wichtigste Arbeit zwar im frühen 20. Jahrhundert erledigt, steht aber trotzdem in der Tradition ihrer Vorgängerinnen. Sie war auch eine Zeitgenossin von Annie Jump Cannon und gehörte so wie sie zu den Frauen, die an der Harvard-Sternwarte an der Auswertung astronomischer Daten arbeiteten. Ursprünglich eingestellt weil man mit der Beschäftigung von Frauen Geld sparen konnte, haben sich die Astronominnen durch fundamentale Erkenntnisse über das Universum hervorgetan. Und kaum etwas konnte fundamentaler sein, als die berühmteste Entdeckung Leavitt: Denn dank ihrer Arbeit war es erstmals möglich, die wahren Ausmaße des Kosmos zu verstehen!
So wie bei ihren Kolleginnen existiert auch über Henriette Swan Leavitt kaum biografisches Material. Zumindest nicht so viel, wie es ihrer wissenschaftlichen Bedeutung angemessen wäre. Ohne die Arbeit von Henrietta Swan Leavitt hätte später der heute viel berühmtere Edwin Hubble seine revolutionären Entdeckungen nicht machen können. Er hätte den Abstand zum Andromedanebel nicht messen und herausfinden können, dass es sich dabei um eine eigene Galaxie handelt und das Universum sehr viel größer ist, als man bisher dachte. Er hätte danach auch nicht herausfinden können, dass das Universum expandiert und somit die Grundlage für die moderne Urknalltheorie legen können. Ohne Henrietta Leavitts Erkenntnisse wären viele der folgenden Entwicklungen nicht möglich gewesen, denn sie zeigte uns, wie wir auch große Entfernungen im Weltall messen können. Wenn Astronomen der Gegenwart Pressemitteilung veröffentlichen, die Titel wie “Die genaueste Vermessung des Universums aller Zeiten” tragen, dann hat war es Leavitt die dafür im Jahr 1912 die Grundlagen gelegt hat. In einer wissenschaftlichen Arbeit mit dem Titel “Periods of 25 Variable Stars in the Small Magellanic Cloud” schrieb sie damals:
“A remarkable relation between the brightness of these variables and the length of their periods will be noticed.”
Und es war tatsächlich eine “außergewöhnliche Beziehung”, die Leavitt entdeckt hatte…
Henrietta Leavitt begann ihre wissenschaftliche Arbeit am Harvard College im Jahr 1893. Sie war ein “Computer”. So bezeichnete man damals keine technischen Geräte, sondern Menschen, die mathematische Berechnungen anstellten. Und in Harvard waren das Frauen. Das war für die damalige Zeit enorm ungewöhnlich. Die erste Frau, die Edward Charles Pickering, der Direktor der Sternwarte, einstellte, war Williamina Flemming. Ursprünglich war sie die Haushälterin von Pickerung und man erzählt sich, dass er einmal so unzufrieden mit seinen männlichen Mitarbeitern war und ihnen drohte: Da kann ja meine Haushälterin bessere Arbeit leisten als ihr! Ob das wirklich der Grund war, warum er Flemming einstellte, weiß ich nicht aber sie hat definitiv für ihn gearbeitet und wurde eine hervorragende Astronomin. Ein Grund – wenn nicht vielleicht sogar der Grund – warum Pickering Frauen beschäftigte war aber definitiv der geringe Lohn, den er ihnen zahlen konnte. So wie heute immer noch wurden auch damals schon die Frauen für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt als Männer.
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