Aber auch wenn sie unterbezahlt waren, leisteten die “Harvard Computers” wichtige Arbeit. Die Frauen klassifizierten Sterne und werteten Daten aus – und auch wenn das ziemlich langweilige, automatisch ablaufende Arbeit ist, machten sie sich doch Gedanken über das was sie taten. Annie Jump Cannon entwickelte zum Beispiel das System zur Klassifizierung von Sternen in verschiedene Spektraltypen, das auch heute noch in Verwendung ist. Und Henrietta Leavitt fielen ein paar interessante Eigenschaften bei sogenannten veränderlichen Sternen auf. Nicht alle Sterne leuchten immer gleich hell; es gibt viele, die ihre Helligkeit verändern (siehe hier und hier für Details). Man wusste damals zwar noch nicht, warum sie das tun, aber man konnte sie zumindest katalogisieren und genau das tat Leavitt.
Schon 1908 veröffentlichte sie einen Katalog mit 1777 veränderlichen Sternen aus der Magellanschen Wolke. Dabei stellte sie fest, dass die helleren Sterne ihre Helligkeit langsamer zu verändern schienen als die dunkleren Sterne. Normalerweise ist es schwierig, Beziehungen festzulegen, die mit der Helligkeit der Sterne zu tun haben. Denn man weiß ja erst mal nicht, wie weit sie entfernt sind. Ein Stern kann am Himmel hell erscheinen, weil er sehr nahe ist. Oder weil er weit weg ist, aber sehr groß. Auf Anhieb kann man das nicht unterscheiden und es war damals noch viel komplizierter als heute, die Entfernung von Sternen genau zu bestimmen. Aber Leavitt erkannte richtig, dass das in ihrem Fall keine Rolle spielte. Denn ihr Katalog enthielt nur Sterne aus der Magellanschen Wolke. Die war weit enfernt; so weit, dass man in erster Näherung davon ausgehen konnte, dass all die Sterne in etwa gleich weit von der Erde entfernt waren. Die Unterschiede in der Helligkeit mussten daher nur auf die Leuchtkraft zurückzuführen sein. Helle Sterne in der Magellanschen Wolke waren tatsächlich heller und leuchtkräftiger als die dunkleren Sterne. Und damit war auch die Beziehung zur Periode der veränderlichen Sterne real.
In dem schon oben erwähnten Artikel aus dem Jahr 1912 hat sie diese Beziehung dann detailliert ausgearbeitet. Die Daten wurden exakt analysiert und Leavitt fand die sogenannte Perioden-Leuchtkraft-Beziehung. Je leuchtkräftiger ein veränderlicher Stern, desto länger ist die Periode, mit der er seine Helligkeit ändert (Leavitt legte diese Beziehung damals nur für eine bestimmte Gruppe von veränderlichen Sternen fest, die Cepheiden). Das bedeutet: Kennt man die Helligkeit eines veränderlichen Sterns, dann kann man daraus die Periode berechnen. Und noch wichtiger: Kennt man die Periode eines veränderlichen Sterns, kann man daraus seine Helligkeit berechnen! Und zwar seine wahre Helligkeit, das was die Astronomen “absolute Helligkeit” nennen. Die Helligkeit, mit der der Stern wirklich leuchtet und nicht nur die, die wir am Himmel sehen, die “scheinbare Helligkeit”. Die scheinbare Helligkeit hängt auch von der Entfernung ab – ein Stern kann scheinbar schwach leuchten, weil er auch eine geringe absolute Helligkeit hat. Oder weil er zwar absolut hell leuchtet, aber weit weg ist. Aus der scheinbaren Helligkeit alleine kann man die Entfernung nicht berechnen. Kennt man aber absolute und scheinbare Helligkeit, dann folgt daraus sofort die Entfernung des Sterns! Weiß man, wie hell ein Stern wirklich leuchtet und wie hell er am Himmel erscheint, kann man leicht berechnen, wie weit er weg ist.
Die scheinbare Helligkeit ist leicht zu messen. Sie ist das, was wir am Himmel sehen. Die absolute Helligkeit zu bestimmen, ist viel schwerer. Wir können sie ja nicht direkt beobachten sondern brauchen indirekte Methoden. Und Leavitt hatte genau so eine Methode gefunden! Wir brauchen nur die Periode eines veränderlichen Sterns zu messen – was ziemlich einfach ist – und können daraus durch die Perioden-Leuchtkraft-Beziehung seine absolute Helligkeit berechnen.
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