Ich schreibe hier in meinem Blog oft über aktuelle astronomische Forschung. Meistens erkläre ich dann kurz die Grundlagen, auf denen die jeweilige Forschungsarbeit basiert, probiere die Ergebnisse der Wissenschaftler verständlich zusammenzufassen und gehe dann vielleicht noch auf ein oder zwei interessante Details ein. Aber ich dachte mir, dass es auch mal ganz interessant sein kann, eine komplette wissenschaftliche Facharbeit von Anfang bis Ende durchzugehen und dabei zu “übersetzen”. So bekommt man vielleicht einen besseren Einblick in die tatsächliche Arbeit der Wissenschaftler – denn die ganzen technischen Details werden in den üblichen Pressemitteilungen meistens übergangen obwohl sie unter Umständen durchaus interessant sein können. Ich probiere das jetzt einfach mal – und freue mich über Feedback. Je nachdem wie das ausfällt, werde ich das in Zukunft weiterführen oder auch nicht.
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David Martin, Tsevi Mazeh und Daniel Fabrycky sind drei Namen, die regelmäßigen Lesern der himmelsmechanischen Fachliteratur bekannt sein dürften. Aber wer diese drei Astronomen nicht kennt, muss sich keine Sorgen machen. Die Zielgruppe für wissenschaftliche Arbeiten aus diesem Themenbereich ist nicht besonders groß. Interessant sind die Ergebnisse aber trotzdem und darum möchte ich mich heute mit dem Artikel “No circumbinary planets transiting the tightest Kepler binaries – a fingerprint of a third star” beschäftigen. Es geht um extrasolare Planeten, die sich in Dreifachsternsystemen befinden und die Einleitung klingt auf jeden Fall schon sehr vielversprechend:
“The first two decades of exoplanetary science have yielded many surprising results. Not only do most stars host orbiting planets (Cassan et al. 2012), but planets are often found in unexpected locations and with unexpected properties. For example, hot-Jupiters continue to pose significant theoretical challenges (Triaud et al. 2010; Madhusudhan et al. 2014), while Super-Earths were predicted not to form, and yet they are some of the most abundant planets known today (Howard et al. 2010). Planets also have been found in binary star systems orbiting one (e.g., 16 Cygni, Cochran et al. 1997) and two (e.g., Kepler-16, Doyle et al. 2011) stars. The parameter space of non-discoveries is shrinking fast. The field has therefore evolved to a state where an absence of planets is just as telling as a new discovery.”
Normalerweise ist der “Introduction”-Abschnitt eines wissenschaftlichen Artikels ja vor allem dazu da, Dinge zu erzählen, die eigentlich sowieso schon jeder weiß, der sich für das Thema interessiert. Und natürlich dafür, so viele Kollegen wie nur möglich zu zitieren, damit sich auch niemand übergangen fühlt. Denn man weiß ja nie, wer von diesen Leuten von der Zeitschrift in der man veröffentlichen will, als Gutachter ausgewählt wird! In diesem Fall hat mich aber der letzte Satz ein bisschen überrascht. Zuerst erklären die Autoren, dass man bei der Suche nach extrasolaren Planeten mittlerweile große Fortschritte gemacht hat. Man hat fast überall Planeten gefunden und unter anderem auch Planeten, die sich in Doppelsternsystemen befinden. Vor allem hat man aber nun schon so viele Planeten an so vielen verschiedenen Orten entdeckt, dass es auch relevant ist, wenn man irgendwo keine Planeten findet! “An absence of planets is just as telling as a new discovery”, sagen Martin und seine Kollegen. Da man wirklich überall Planeten gefunden hat, muss es etwas zu bedeuten haben, wenn man irgendwo keine Planeten finden kann. Und einen solchen Fall abwesender Planeten wollen Martin, Mazeh und Fabrycky in ihrer Arbeit behandeln:
“One conspicuous absence is seen in the Kepler circumbinary planets (CBPs). So far there have been ten transiting CBPs discovered by Kepler orbiting eight eclipsing binaries (EBs), including the three-planet system Kepler-47 (Orosz et al. 2012b). It was pointed out byWelsh et al. (2014a) that all of the planets have been found orbiting EBs of periods between 7.4 and 40 d, despite the median of the EB catalog being 2.7 d. The discoveries have therefore been made on the tail of the EB period distribution and there is a dearth of planets around the shortest-period binaries.”
Die Wissenschaftler haben sich also alle Planeten angesehen, die vom Weltraumteleskop Kepler in Doppelsternsystemen entdeckt worden sind. Und zwar diejenigen Planeten, die außen um beide Sterne herum kreisen: Die sogenannten “Circumbinary Planets (CBPs)”. Manche Leute sind ja immer noch überrascht, dass es Planeten in Doppelsternsystemen überhaupt geben kann. Aber es ist eigentlich schon lange klar, dass das durchaus möglich ist. Ich habe das hier ein wenig ausführlicher erklärt. Es gibt zwei Bereiche, in denen sich ein Planet in einem Doppelsternsystem stabil bewegen kann: Er kann einen der beiden Sterne umkreisen und wenn der andere Stern ausreichend weit entfernt ist, dann ist dessen Anziehungskraft zu gering, um einen störenden Einfluss auf den Planeten auszuüben. Oder aber der Planet kreist außen um beide Sterne herum und ist weit genug von ihnen entfernt, so dass er den kombinierten Einfluss beider Sterne spürt. Aus der Sicht des Planeten fühlt es sich dann so an, als wäre in der Mitte seiner Umlaufbahn nur ein Stern, dessen Masse so groß ist wie die addierte Masse der beiden einzelnen Sterne. Die beiden Fälle werden “S-Typ” und “P-Typ” genannt:
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