Der Einfluss der planetaren Migration wird dann auch noch einmal extra im nächsten Abschnitt erläutert:
“Our analysis so far has only considered planets with static semi-major axes. However, as previously discussed, the favoured paradigm is that the circumbinary planets generally migrate inwards before being halted near the inner edge of the disc. The disc dispersal timescale (Alexander 2012) is expected to be much shorter than the KCTF timescale (Fabrycky & Tremaine 2007), and hence any migration will only occur around the primordial binary. This migration may have a positive or negative effect on planet survival, depending on the relative timescales of the inner binary Kozai cycles and disc migration. (…) If the planet migrates quickly and reaches the inner edge of the disc while the inner binary is still circular, then it will have migrated in too far and will be ejected once ein is subsequently excited during Kozai cycles. Alternatively, if the planet migrates slowly then the inner binary will have already undergone a full Kozai cycle and the disc will be truncated farther out, meaning that the planet will not get too close.”
Bis jetzt wurde in allen Rechnungen und Simulationen ja nur Planeten betrachtet, die nicht migriert sind. Wenn sie das aber tun, hat das natürlich auch wieder einen Einfluss auf die gesamte Dynamik! Je nachdem ob der Planet schnell oder langsam migriert, kann das einen negativen oder positiven Effekt auf seine Stabilität haben. Wenn er schneller migriert als die Zeitskale auf der der Kozai-Effekt abläuft, dann kommt er den beiden inneren Sternen schon zu einem Zeitpunkt nahe, wo die Kozai-Resonanz noch nicht lange genug gewirkt hat, um deren Bahnen exzentrisch zu machen. Und wenn das dann passiert, ist der Planet zu nahe dran, kriegt die dabei entstehenden gravitativen Störungen voll ab und fliegt aus dem System. Wenn er aber langsam migriert, dann hat der Kozai-Effekt die inneren Sterne schon lange auf exzentrische Bahnen gezwungen, bevor er dort ankommt. Die Störungen haben nun nicht auf den Planeten gewirkt, sondern auf die Scheibe mit dem ganzen Staub. Die wurde kleiner und weil der Planet nur in der Scheibe migrieren kann, kann er den beiden Sternen auch nicht naher kommen als deren innerer Rand. Seine Bahn schrumpft also nicht weit genug und der Abstand ist nach Ende der Migration immer noch ausreichend, damit er auf einer stabilen Bahn bleiben kann.
Jetzt könnte man an dem Punkt angelangt sein, wo man den Überblick verloren hat (Wer liest noch mit? Das Codewort für die Kommentare lautet “Zahnpasta”!). Zum Glück kommt nun ein Abschnitt mit der Überschrift “The general picture”. Wie sieht das bisher gewonnene Bild der Dynamik von Planeten in engen Doppelsternsystemen also nun aus? Martin und seine Kollegen fassen die Lage in acht Punkten zusammen:
- Ein Planet entsteht um einen Doppelstern bei dem die Sterne weit voneinander entfernt sind. Ein weiter entfernter dritter Stern verursacht Kozai-Resonanzen, wodurch die Bahnen der inneren Sterne exzentrisch werden.
- Der Planet kann nur weit entfernt vom inneren Doppelstern existieren, da er ansonsten durch die stark exzentrischen Sternbahnen aus seiner Bahn geworfen würde.
- Der Planet kann aber auch nicht zu weit entfernt von den inneren Sternen sein. Denn nur so können die Störungen dieses dritten Sterns durch den Einfluss der inneren Sternen unterdrückt werden.
- Wenn der Planet ausreichend schwer und den inneren Sternen ausreichend nahe (aber immer noch im stabilen Bereich) ist, dann kann er selbst den Kozai-Effekt des dritten Sterns unterdrücken und damit verhindern, dass der Abstand zwischen den inneren Sternen schrumpft.
- Geht man davon aus, dass der Abstand schrumpft, dann werden einige Planetenbahnen im Laufe dieses Prozess instabil.
- Selbst in den stabilen Bereichen, wo der Einfluss der inneren Sternen die Störungen des dritten Sterns auf den Planeten unterdrücken, kann es immer noch zu leichten Störungen kommen, die dafür sorgen, dass die Bahn des Planeten sich gegenüber der Bahn der inneren Sterne neigt.
- Die Berücksichtigung der Bedingungen in der Scheibe in der Planeten entstehen führt zu weiteren Einschränkungen in der Stabilität der Planetenbahnen.
- Die Migration der Planeten kann dem Überleben der Planeten förderlich sein. Oder nicht.
Es gibt insgesamt nur einen kleinen Bereich, in dem ein Planet einerseits überleben und andererseits den KCTF-Mechanismus nicht unterdrücken kann. Und das heißt, dass die Chancen schlecht stehen, Planeten um enge Doppelsternsysteme zu finden, die durch den KCTF-Mechanismus entstanden sind. Und die Planeten, die überlebt haben, haben tendenziell Bahnen, auf denen wir sie mit der Transit-Methode nicht entdecken können:
“We conclude that most triple star systems evolving under KCTF are not conducive to hosting planets. Alternatively they host planets biased towards small masses, long periods and misaligned orbits, which are diffcult to detect via transits.”
Die ausführliche theoretische und numerische Untersuchung der Dynamik von Dreifachsternsystemen von Martin und seinen Kollegen hat also im Prinzip schon ausreichend demonstriert, warum man um enge Doppelsterne keine Planeten entdeckt hat. Im letzten Teil des Artikels erwähnen sie aber noch ein paar andere Punkte, die ebenfalls dazu führen, dass dort kaum Planeten entstehen oder überleben bzw. keine zu beobachten sind:
“Very close binaries are tidally locked, which increases the rotation speed and can lead to increased stellar activity. The standard Kepler 30-minute cadence may lead to insuffcient sampling at the shortest periods. And finally, Martin & Triaud (2015) calculated that some of the closest eclipsing binaries may be suffciently inclined with respect to our line of sight that transits by coplanar planets are not geometrically possible.”
Bei sehr engen Doppelsternen kann es zu erhöhter Sternaktivität kommen, was der Entstehung von Planeten nicht förderlich ist. Außerdem ist das Kepler-Weltraumteleskop nicht darauf ausgelegt, ausreichend schnelle Beobachtungen zu machen, um die Dynamik sehr enger Systeme aufzulösen bzw. können die dynamischen Effekte dazu führen, dass die Planeten sich nicht in der gleichen Bahnebene wie die Sterne befinden und daher nicht für uns sichtbar sind.
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