Dieser Artikel ist Teil der blogübergreifenden Serie “Running Research – Denken beim Laufen”, bei der es um die Verbindung von Laufen und Wissenschaft geht. Alle Artikel der Serie findet ihr auf dieser Übersichtseite
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Am Wochenende habe ich an einer außergewöhnlichen Sportveranstaltung teilgenommen. Zur Abwechselung ging es einmal nicht darum, schnell zu laufen. Es wurde nur gewandert. Anstrengend war es aber trotzdem, denn es handelte sich um die “Horizontale”, eine 100 Kilometer Langstreckenwanderung rund um Jena. Diese Veranstaltung hat Tradition in Jena und fand 2015 schon das 30. Mal statt und wie jedes Mal in den letzten Jahren waren die 1000 verfügbaren Startplätze schnell ausgebucht. Bis jetzt hatte ich mir diese Distanz nie wirklich zugetraut, aber in diesem Jahr wollte ich es dann doch mal wissen – und als Jenaer ist man fast schon verpflichtet, einmal bei der Horizontale mitzumachen.
Bei meinen längsten bisherigen Wanderungen habe ich nur etwa 45 Kilometer zurück gelegt. Wie es ist, mehr als die doppelte Distanz am Stück zu gehen, konnte ich mir nicht wirklich vorstellen. Bei der Horizontale kommt erschwerend hinzu, dass der Start am Freitag Abend um 18 Uhr erfolgt und man einen großen Teil der Strecke in der Nacht zurück legen muss. Die Dunkelheit ist dabei nicht das große Problem; außerdem kenne ich den Weg ziemlich gut. Aber wie würde das mit der Müdigkeit werden? Und wie vor allem mit der Motivation?
Egal, ich wollte das trotzdem einmal probieren und bin ohne irgendwelche speziellen Erwartungen an den Start gegangen. Ich wollte einfach mal gehen, und abwarten, was passiert. Ich hatte mir nicht fix vorgenommen, auf jeden Fall und ohne Rücksicht auf Verluste ins Ziel zu kommen. Aber ich wollte nach Möglichkeit schon probieren, die ganzen 100 Kilometer zu absolvieren. Jetzt, wo alles vorbei ist, kann ich sagen: Es war gleichzeitig viel schwerer und viel einfacher, als ich es mir vorgestellt hatte.
Der Anfang der Wanderung war erwartungsgemäß noch harmlos und ebenso erwartungsgemäß sehr überfüllt. Ich bin mit der Geschwindigkeit von etwa 5 km/h gegangen, die ich mir vorgenommen hatte. Rund um mich herum sind jede Menge Leute recht zügig an mir vorbei geschritten, aber ich hab mich davon nicht irritieren lassen. Es würde schon noch früh genug anstrengend werden; kein Grund, jetzt zu hetzen. Vor allem wusste ich ja auch, was nach den ersten 5 Kilometern passieren würde.
Die Veranstaltung heißt zwar “Horizontale”, aber horizontal ist die Strecke nicht wirklich. Aus dem Saaletal geht es hinauf in die Jenaer Kernberge und dann dort auf dem offiziellen Wanderweg rund um die Stadt. Man ist zwar meistens immer irgendwo oben über dem Tal, geht aber trotzdem ständig auf und ab und steigt mehrmals ins Tal ab und wieder hinauf in die Berge. Insgesamt kamen da knapp 3200 Meter Auf- und genau so viel Abstieg zusammen. Vor allem aber ist der Wanderweg am ersten Abschnitt durch die Kernberge so schmal, dass man kaum überholen kann. Es zog sich also eine lange, lange Schlange an Wanderern durch den Wald und die Geschwindigkeit war durch die Leute vor bzw. hinter einem vorgegeben. Dieser Gänsemarsch machte die Sache ein klein wenig unattraktiv, andererseits war es auch irgendwie interessant, mal die üblichen fast leeren Wanderweg gemeinsam mit so vielen anderen Leuten entlang zu gehen.
Kurz nach halb zehn Uhr abends hatte ich dann nach 21 Kilometern die erste Verpflegungsstelle erreicht. Die war auch nötig, denn ich hatte mich beim Gepäck stark zurück gehalten. Es war kühl genug, dass ich über meinem langärmeligen Laufshirt sowieso meine Wanderjacke anhatte. Auf einen Rucksack habe ich ganz verzichtet und nur eine Gürteltasche umgeschnallt, mit ein paar Müsliriegeln, Socken zum Wechseln, Mütze, Handschuhen, Handy und einem kleingefalteten Plastik-Einwegregenschutz. Auf die Müsliriegel hätte ich auch verzichten können, denn Essen gab es bei den Verpflegungsstellen genug! An der ersten gab es Obst, Schokolade, Würstchen, Brote, Cola, Wasser und Saft. Ich hab mich mit meinem Proviant auf die nahe Wiese zurückgezogen und überlegt, was noch vor mir liegt. 21 Kilometer wären normalerweise als Tageswanderung völlig ausreichend für mich. Aber heute musste ich das ganze noch vier Mal absolvieren, bevor ich im Ziel ankommen würde. So viel Bewegung aus eigener Kraft am Stück war etwas völlig Neues für mich.
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