Obwohl man sich ja eigentlich auch ständig bewegt, selbst wenn man nichts davon merkt! Der Boden unter unseren Füßen erscheint uns zwar fest und unbeweglich – ist aber alles andere als das! Wir werden immer und überall aus einer Vielzahl von Gründen durchs Universum bewegt. Mal schneller und mal langsamer und wir merken trotzdem nichts davon. Die langsamste dieser unmerkbaren Bewegungen wird durch die Bewegung der Kontinentalplatten verursacht. Während ich auf der Wiese im kleinen Ort Wogau sitze und mein Brötchen esse, befinde ich mich auch auf der Eurasischen Platte, die eine der größten Kontintelplatten unseres Planeten ist. Und so wie alle anderen Platten bewegt sie sich. Auf meiner Wanderung habe ich mich mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 5,5 km/h (auf Umwegen) Richtung Norden bewegt. Gleichzeit ist die Eurasische Platte Richtung Süden gedriftet – das allerdings ein wenig langsamer mit einem Tempo von ungefähr 14 Millimetern pro Jahr. In der Zeit, in der ich bis jetzt auf der Horizontale unterwegs war, sind da gerade einmal 0,006 Millimeter zusammengekommen – also kein Grund mir Sorgen um meinen Wanderfortschritt zu machen.
Trotzdem breche ich bald wieder auf. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es umso schwerer ist, wieder weiter zu gehen, je länger man Pause macht. Also verlasse ich die Verpflegungsstelle nach einem kurzen Besuch und beginne die nächste Etappe. Mittlerweile wird es langsam dunkel. Zum Glück aber bleibt es trocken; eigentlich sollte es in der Nacht ja bewölkt sein und immer wieder mal regnen. Derzeit aber ist der Himmel fast klar und der Mond leuchtet. Bald bin ich aber wieder im Wald und dort ist es zu dunkel um ohne Lampe zu wandern. Aber eine kleine Stirnlampe habe ich natürlich auch eingepackt; so wie alle anderen ebenfalls. Der Gänsemarsch durch die Jenaer Wälder sieht aus der Entfernung jetzt richtig hübsch aus: Ich habe mittlerweile das Saaletal erneut durchquert und kann von den Bergen dort auf die Berge der anderen Seite blicken und die lange Schlange der Lichtpunkte sehen, die von den Wanderern hinter mir gebildet werden.
Dieser Teil der Horizontale ist jetzt nicht wirklich aufregend. Es ist dunkel und ich gehe die Wege entlang, die ich bei Tageslicht schon oft genug entlang gegangen bin. Aber ich habe daran gedacht, ein paar gute Hörbücher einzupacken und so wird mir zumindest nicht langweilig. Als ich an der zweiten Verpflegungsstelle ankomme, liegen 43 Kilometer hinter mir, es ist kurz nach 2 Uhr morgens und ich bin jetzt schon mehr als 8 Stunden unterwegs. Auch hier wird man von den Organisatoren wieder perfekt versorgt. Es gibt heißen Kaffee, Bananen, Käsebrötchen, Traubenzucker und noch mehr Müsliriegel. Um mich herum haben sich viele Mitwanderer auf dem kalten Straßenpflaster ausgestreckt und für eine längere Pause niedergelassen. Aber das erscheint mir angesichts der kühlen Temperaturen nicht sehr ratsam. Also bleibe ich wieder nur kurz stehen – und denke wieder kurz an die Bewegung, die ich während meiner bisherigen Wanderung absolviert habe, ohne es zu merken.
Die Plattentektonik hat mich jetzt insgesamt schon 0,01 Millimeter weiter gebracht. Aber es ist natürlich noch mehr passiert! Es war nicht zu übersehen, dass es mittlerweile finstere Nacht geworden ist. Und das liegt daran, dass sich die Erde um ihre eigene Achse dreht. Als ich um 18 Uhr losgegangen bin, zeigte die Seite der Erde auf der ich mich befand noch in Richtung der Sonne. Mittlerweile hat sie sich aus dem Sonnenlicht heraus gedreht. Dank dieser Drehung bewege ich mich mit einer Geschwindigkeit von 1052 Kilometern pro Stunde! Übrigens gilt dieser Wert nur auf der geografischen Breite von Jena (50 Grad und 56 Minuten nördlicher Breite). In diesem Abstand vom Äquator beträgt der Erdumfang 25.253 Kilometer. Ich muss also während einer Drehung weniger Distanz zurück legen als beispielsweise am 40.000 Kilometer langen Äquator und bin dementsprechend langsamer (aber schneller als in den Regionen nördlich von Jena!). In den 8 Stunden und 15 Minuten die ich bisher unterwegs bin, habe ich dank der Erddrehung erstaunliche 8679 Kilometer zurück gelegt!
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