Zumindest hat der Regen aufgehört, es wird sonnig und der Weg durch das Naturschutzgebiet Leutratal ist schon (und noch schöner, seit kürzlich die direkt durch das Tal führende Autobahn aufgelassen wurde). Hinter dem Tal geht es aber wieder bergauf und gleich wieder wieder runter nach Zöllnitz. Und jetzt wird es dann doch langsam ein wenig anstrengend. Ich merke, wie ich immer langsamer gehe – obwohl ich immer noch keine großartigen Schmerzen oder Blasen habe. Aber jetzt wo es wieder hell und wärmer wird, kriege ich Durst und wünsche mir, ich hätte doch auch etwas zu trinken eingepackt. Der Wanderweg ist in dieser Gegend auch nicht sonderlich attraktiv und führt über Felder und die Ausläufer des Jenaer Gewerbegebiets. Die nächste Verpflegungsstelle ist erst in knapp 15 Kilometern zu erwarten und davor kommt noch ein langer Aufstieg zurück in die Kernberge.
Umso mehr habe ich mich gefreut, als bei Kilometer 78 überraschend die Bundeswehr aufgetaucht ist! Mit der Armee habe ich es ja normalerweise nicht so sehr – aber über den Kaffee, den Orangensaft und die Gummibärchen die sie verteilt haben, habe ich mich mehr als gefreut. Trotzdem war jetzt der Teil der Wanderung erreicht, der nicht mehr viel Spaß gemacht hat. Es waren zwar “nur” noch knapp 20 Kilometer zu absolvieren. Aber wieder ging es auf und ab auf schmalen Wegen durch den Wald.
Es war mal zu heiß und sonnig für meine Wanderjacke, aber dann wieder zu bedeckt und kühl, um sie wirklich auszuziehen (oder mein Kreislauf kam langsam ein wenig durcheinander). Andere Wanderer hat man jetzt meist nur noch aus der Ferne gesehen und ich bin langsam und alleine durch den Wald gegangen und die Tatsache, dass ich die Strecke gut genug kannte um zu wissen, wie lang es noch dauert, war kein großer Vorteil. Normalerweise laufe ich ja durch den Wald und wenn ich da noch 20 Kilometer vor mir habe, dann weiß ich, dass ich dafür höchstens zwei Stunden brauch werden. Jetzt aber habe ich mir keine großen Prognosen zugetraut…
Irgendwann tauchte aber dann doch die vierte und letzte Verpflegungsstelle auf. 87 Kilometer lagen hinter mir und ich war fast 18 Stunden lang unterwegs. Es war jetzt kurz vor 12 Uhr Mittags und ich hatte wirklich keine große Lust mehr aufs Wandern. Aber zumindest gab es wieder ausreichend Essen! Ich hab mich mit Marmeladenbroten und Bananen eingedeckt und es vermieden, mich allzu lange auf der Wiese niederzulassen. Andere Wanderer hatten weniger Hemmungen und sich für ein kurzes (oder langes?) Nickerchen hingelegt. Aber ich wollte das ganze jetzt endlich zu Ende bringen! Offiziell ist bei der Horizontale ein Limit von 24 Stunden vorgesehen, um die Wanderung zu absolvieren. Und wenn ich mich jetzt noch schlafen legen würde, dann stünden die Chancen gut, dieses Limit zu verschlafen. Ich wollte aber doch noch im Ziel ankommen, bevor die Erde sich einmal komplett um ihre Achse gedreht hatte! Immerhin hat sie mich in den 17 Stunden und 42 Minuten meiner bisherigen Wanderung schon 18.620 Kilometer weit getragen. Auch auf ihrem Weg um die Sonne war ich mit der Erde jetzt schon 1.871.421 Kilometer weit gekommen. Und als ob das noch nicht reicht: Auch die Sonne selbst (und mit ihr die Erde und alle anderen Planeten) steht nicht still sondern bewegt sich um das Zentrum der Milchstraße herum. Sie kreist mit der enormen Geschwindigkeit von 220 Kilometern pro Sekunde durch unsere Galaxie und hat während meiner Wanderung erstaunliche 14.018.400 Kilometer zurück gelegt! Und wenn ich ehrlich bin: Ich spüre mittlerweile jeden dieser 14 Millionen Kilometer so, als wäre ich ihn selbst gegangen.
Es sind jetzt nur noch 13 Kilometer bis ins Ziel. 13 Kilometer sind an normalen Tagen die Distanz meiner “kurzen” Laufrunde für die ich ein bisschen mehr als eine Stunde brauchen. 13 Kilometer wären an einem normalen Tag ein gemütlicher Abendspaziergang für den ich um die zwei Stunden benötigen würde. 13 Kilometer sind keine Distanz, die mich normalerweise abschreckt. Aber jetzt hatte ich schon 87 Kilometer hinter mir – und war für die “kurzen” 13 Kilometer noch fast drei Stunden lang unterwegs!
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