Ich bin unterwegs in den Norden um dort heute und morgen Vorträge in Bremen und Hamburg zu halten. Und nehme diese Reise als Anlass, um wieder einmal über die Verbindung zwischen Astronomie und lokalen kulinarischen Spezialitäten nachzudenken (siehe dazu auch meine Artikel über Leberkäse aus Linz, Zwiebelkuchen aus der Rhön und Knochenwurst aus dem Sauerland)!
Ich bin gerne im Norden Deutschlands. Dort ist gewissermaßen meine zweite Heimat: Meine Mutter kommt aus Hamburg und ich habe dort von klein auf immer viel Zeit beim deutschen Zweig meiner Familie verbracht. Und natürlich auch alle Eigenheiten des norddeutschen Lebens mitbekommen; inklusive der diversen kulinarischen Besonderheiten. Eines meiner Lieblingsgerichte in meiner Kindheit war daher auch Labskaus. Dieses Gericht besteht aus gepökeltem Rindfleisch, gestampften Kartoffeln, Gurken, roten Rüben, Zwiebeln und Matjes. Aber natürlich gibt es jede Menge Variationen. Manchmal kriegt man noch ein Spiegelei dazu, manchmal wird alles zu einem einzigen Brei durchgemixt; manchmal kriegt man Gurken und rote Rüben extra; manchmal gibt es Schweinfleisch statt Rindfleisch, usw.
In Deutschland (das Gericht ist auch in England und Skandinavien verbreitet) wird meistens Corned Beef als Fleisch für das (den?) Labskaus verwendet. Dabei handelt es sich um zerkleinertes, gepökeltes Rindfleisch, das im eigenen Saft geliert in Dosen verpackt wird. Und genau in dieser Dose findet sich auch die Verbindung zur Astronomie. Beziehungsweise: Genau in diesen Dosen findet man sie nicht.
Denn man verpackt Lebensmittel ja nicht ohne Grund in Dosen. Die Konserven dienen dazu, ihren Inhalt möglichst gut von der Außenwelt zu isolieren. So können keine Bakterien oder andere Mikroorganismen die Lebensmittel ungenießbar machen. Sie werden vor Schmutz geschützt, vor Licht und auch vor dem Sauerstoff in der Luft. Den brauchen wir Menschen dringend zum Überleben. Aber auch die meisten anderen Lebewesen und darunter auch viele der Bakterien, die für ein schnelles Verderben der Lebensmittel sorgen. In die Konserve können sie zwar von außen nicht mehr rein – aber auch die Bakterien die schon drin sind können dann mangels Sauerstoff nicht mehr so viel Schaden anrichten. Und selbst wenn man die sauerstoffatmenden Bakterien ignoriert können chemische Reaktionen der Moleküle in den Lebensmitteln mit dem Sauerstoff in der Luft für eine unerwünschte Geschmacksveränderung sorgen.
Würde man das Corned Beef einfach so und ohne Schutz aufbewahren, würde es schnell ranzig riechen: Ein Resultat einer Verbindung der enthaltenen ungesättigten Fettsäuren mit dem Sauerstoff in der Luft. Auch Aminosäuren können durch die Oxidationsreaktionen geschädigt werden (wodurch zum Beispiel die Vitamine geschädigt werden). Sauerstoff ist also eigentlich ein ziemlich fieses Gas. Und früher einmal war der Sauerstoff nicht nur fies, sondern Ursache der größten Katastrophe in der Geschichte unseres Planeten.
Denn ursprünglich kam die Erde wunderbar ohne Sauerstoff aus. In der ersten stabilen Atmosphäre die sie nach ihrer Entstehung hatte, gab es auch keine relevanten Mengen dieses Gases. Es ist auch schwer, Sauerstoff in reiner Form zu erhalten, denn dieses Element reagiert sehr gerne mit so gut wie allen anderen Elementen. Es kommt daher auch heute auf der Erde meistens in Verbindungen vor: Das prominenteste Beispiel ist vermutlich die Verbindung aus Wasserstoff und Sauerstoff – besser bekannt als H2O oder Wasser. Sich selbst überlassen verschwindet der reine Sauerstoff also vergleichsweise schnell. Aber die Erde fand vor knapp 2,4 Milliarden Jahren einen Weg, dauerhaft Sauerstoff nachzuliefern. Damals entwickelten die ersten Mikroorganismen eine Methode der Photosynthese, bei der als Abfallprodukt Sauerstoff entstand. Und wie das mit Abfall so ist, ist der oft nicht unbedingt gesund. Beim Sauerstoff war das definitiv der Fall!
Für die meisten der damals existierenden Lebewesen (verschiedene Formen von Mikroorganismen; “höheres” Leben gab es damals noch nicht) war der Sauerstoff reines Gift. Das war vorerst noch kein gravierendes Problem, denn das Leben fand in den Ozeanen statt und dort wurde der entstehende Sauerstoff bei chemischen Reaktionen verbraucht und gebunden (zum Beispiel an die im Wasser gelösten Eisenatome). Irgendwann war der Ozean aber “voll” und es konnte kein weiterer Sauerstoff mehr durch chemische Reaktionen gebunden und unschädlich gemacht werden. Und ab da wurde es richtig ungemütlich! Der steigende Sauerstoffgehalt in den Ozeanen brachte so gut wie alle Lebewesen um, die damals existierten. Dieses Ereignis wird nicht umsonst die “Große Sauerstoffkatastrophe” genannt…
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