Mit unendlich großen Zahlen und einer Division durch Null kommt die Himmelsmechanik nicht wirklich gut klar und es ist kein Wunder, dass das Dreikörperproblem unlösbar blieb. Denn wie sollte man ausschließen, dass es niemals zu Kollisionen kommen kann? Ganz einfach: In dem man es einfach ausschließt! Das war zumindest das, was der finnische Mathematiker Karl Frithiof Sundman im Jahr 1912 gemacht hat. Er war der erste, der eine Lösung für das Dreikörperproblem angeben konnte. Allerdings nicht in Form einer einfachen Gleichung (dass das nicht geht hatte ja Poincaré schon gezeigt), sondern in Form einer unendlich langen mathematischen Reihe. Das klingt seltsam, ist es aber nicht: Ein Beispiel: Die Summe 1 + 1/2 + 1/4 + 1/8 + 1/16 + … hat unendlich viele Einträge. Trotzdem ist das Ergebnis nicht unendlich groß sondern einfach gleich 2. Jeder neue Eintrag in der Summe ist ausreichend kleiner als der vorherige und damit ist sicher gestellt, dass die gesamte Summe niemals beliebig groß werden kann. Man nennt das eine konvergente Reihe und genau so sah die Lösung aus, die Sundman für das Dreikörperproblem gefunden hatte. Damit er zu dieser Lösung kommen konnte, musste er allerdings vorab fordern, dass es niemals zu einer Kollision der drei Himmelskörper kommen kann (vereinfacht gesagt; wer alle Details zu Sundmans Geschichte erfahren will, dem empfehle ich diesen ausführlichen wissenschaftshistorischen Artikel (pdf)). Abgesehen davon war Sundmans Lösung zwar durchaus beeindruckend, aber leider auch völlig unbrauchbar. Denn um mit der unendlichen Summe die Lösung des Dreikörperproblems so genau zu berechnen, dass man damit brauchbare astronomische Vorhersagen treffen kann, müsste man sehr, sehr viele der unendlich vielen Einträge der Reihe berechnen. Die Zahl der nötigen Terme ist in diesem Fall wirklich absurd groß: Es wäre eine 1, auf die 8 Millionen Nullen folgen! Vereinfacht gesagt: Sundmans Lösung existiert zwar, ist aber in der Praxis vollkommen unbrauchbar um damit irgendetwas anzustellen.
Das Dreikörperproblem hat die Astronomen aber trotzdem weiter beschäftigt und tut das weiterhin. 1993 entdeckte der amerikanische Physiker Christopher Moore eine weitere periodische Lösung und zwar eine wirklich faszinierende. In seiner Arbeit (“Braids in classical dynamics”, pdf) konnte er zeigen, dass sich drei Himmelskörper unter bestimmten Voraussetzungen hintereinander entlang einer Bahn bewegen können, die die Form einer “8” hat. Wie drei Autos auf einer Rennstrecke sausen sie die 8 entlang und tun das für alle Zeiten und auf exakt vorhersagbare Weise. Diese periodische Lösung ist aber, so wie auch die des Sitinikov-Problems, nur von mathematischen Interesse. Es ist kaum vorstellbar, dass sich so spezielle Konfigurationen wie die von Sitnikov oder Moore irgendwo im realen Universum tatsächlich finden sollten.
Aber wer weiß, was aus diesen mathematischen Spezialfällen irgendwann für neue Erkenntnisse erwachsen! Deswegen ist es auch gut, wenn sich die Wissenschaftler weiterhin Gedanken darüber machen. Erst vor kurzem ist den Serben Milovan Šuvakov und Veljko Dmitrašinović dabei ein regelrechter Durchbruch gelungen. Sie fügten den bisher bekannten stationären/periodischen Lösungen gleich 13 (!) neue Fälle hinzu (“Three Classes of Newtonian Three-Body Planar Periodic Orbits”). Manche dieser Lösungen sind sehr simpel, andere sind höchst komplex. Sie tragen Namen wie “Bumblebee”, “Yin-Yang” oder “Dragonfly” und man kann sie hier betrachten. Das hier zum Beispiel ist die “Motte” (und bei weitem nicht das komplexeste Bewegungsmuster der drei Himmelskörper, das sich in der serbischen Sammlung findet):
Das Dreikörperproblem wird die Astronomen und Mathematiker mit Sicherheit auch in der Zukunft beschäftigen. Eine einfach Lösung, mit der sich für alle Fälle die Bewegung der Himmelskörper für jeden beliebigen Zeitpunkt vorhersagen lässt, wird es allerdings nicht geben. Aber das ist zumindest in der Praxis auch nicht nötig. Mittlerweile haben wir ja Computer, die sehr schnell sehr viele Rechnungen durchführen können. Damit ist es heute sehr einfach, die Gleichungen, die rein mathematisch nicht vollständig lösbar sind, am Computer numerisch und näherungsweise zu lösen. Diese “Näherungslösungen” sind aber so exakt, dass wir dank ihnen zum Beispiel Raumsonden punktgenau durchs Sonnensystem steuern können. Was die konkrete Astronomie angeht, stellt das Dreikörperproblem also schon längst kein Problem mehr dar. Aber trotzdem: Die Komplexität die hinter der Bewegung dreier Himmelskörper steckt und die Unmöglichkeit einer vollständigen Beschreibung werden die Mathematiker weiterhin faszinieren. Und wer weiß, welche speziellen Lösungen man hier doch noch finden kann…
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