Will man die Existenz der Strings direkt nachweisen, bräuchte man dafür einen Beschleuniger, der knapp 100 Billionen mal mehr Energie erzeugt als der LHC. Das liegt also weit außerhalb unserer technischen Reichweite (die Geräte müssten dann so groß wie ganze Galaxien sein). Aber manche Vorhersagen der Stringtheorie würden sich auch schon bei niedrigeren und im LHC erreichbaren Energien nachweisen lassen, wie Hossenfelder erklärt.
Die Stringtheorie sagt zum Beispiel die Existenz von Extradimensionen vorher. Sollte es wirklich mehr als drei Raumdimensionen geben, dann würde sich die Gravitation auf sehr kleinen Maßstäben betrachtet ganz anders verhalten (ich habe hier mehr dazu geschrieben). Sie wäre stärker und das könnte zum Beispiel dazu führen, dass bei den Kollisionen winzige schwarze Löcher entstehen (und keine Sorge: Das ist nicht gefährlich!). Solche Phänomene könnte der LHC im Prinzip nachweisen. Es gibt nur zwei Probleme. Nummer Eins: Die Existenz von Extradimensionen setzt nicht zwingend die Gültigkeit der Stringtheorie voraus. Es könnte sie auch ganz unabhängig davon geben. Nummer Zwei: Bis jetzt hat man am LHC absolut keine Anzeichen für die Existenz von Extradimensionen gefunden.
Das gleiche gilt für die Supersymmetrie. Diese Erweiterung des klassischen Standardmodells der Teilchenphysik spielt eine wichtige Rolle in der modernen Physik. Die Supersymmetrie würde viele der offenen Probleme lösen, gilt als sehr elegant und würde sich wunderbar in die Stringhtheorie einfügen. Sie sagt voraus, dass jedes der bekannten Teilchen noch ein bisher unentdecktes supersymmetrischen Partnerteilchen hat (und ich werde irgendwann demnächst mal einen ausführlichen Artikel darüber schreiben). Und viele Physiker waren fest davon überzeugt, dass am LHC die entsprechenden Teilchen ziemlich schnell entdeckt werden. Wurden sie aber leider nicht – und selbst wenn das noch passiert, dann wäre auch das kein endgültiger Beleg für die Stringtheorie. Denn die Stringtheorie setzt zwar die Existenz der Supersymmetrie voraus. Die Supersymmetrie kann es aber auch ohne Stringtheorie geben.
Trotzdem: Wenn Extradimensionen und/oder Supersymmetrie am LHC doch noch entdeckt werden sollten, dann wäre das ein sehr starkes Indiz dafür, dass an der Stringtheorie doch etwas dran ist und es sich lohnt, dieses Thema weiter zu verfolgen. Andererseits ist das ganze auch nicht so wichtig, wie Hossenfelder am Ende ihres Artikels erklärt. Stringtheorie wird mittlerweile wieder vermehrt als rein mathematisches Modell zur Beschreibung von Teilchen-Interaktionen verwendet; zum Beispiel wenn es um das sogenannte Quark-Gluon-Plasma geht, ein Zustand den Materie bei extrem hohen Temperaturen (so wie sie kurz nach dem Urknall geherrscht haben) einnimmt. Und in diesem Fall lässt sich die Stringtheorie durchaus am LHC testen, denn genau solche Zustände werden dort reproduziert.
Hossenfelder beendet ihren Artikel mit dem Wunsch:
“Maybe (…) physicists are eventually settling into a stable relationship with string theory, one in which reality replaces dreams. The LHC, then, will test how seriously they take their new commitment.”
Aber egal, ob uns der LHC nun etwas Neues über die Gültigkeit der Stringtheorie sagen wird oder nicht, eines ist sicher: Die Experimente die dort in den nächsten Jahren durchgeführt werden, WERDEN uns etwas Neues über das Universum verraten! Und wer weiß – vielleicht ist das am Ende noch viel beeindruckender als die Stringtheorie…
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