Heute verreise ich wieder um Vorträge in Würzburg und Bamberg zu halten. Und wie immer, wenn ich andere Orte besuche, mache ich mir Gedanken, was es dort gutes zu essen und zu trinken gibt und welche Verbindungen die lokalen Spezialitäten zur Astronomie haben (siehe dazu auch meine Artikel über Leberkäse aus Linz, Zwiebelkuchen aus der Rhön, Knochenwurst aus dem Sauerland und Labskaus in Norddeutschland). Wenn ich nach Franken komme, dann bleibt mir kaum etwas anderes übrig, als mich ein wenig näher mit Bier zu beschäftigen. Und gerade in Bamberg gibt es hier eine ganz besondere Spezialität: Rauchbier!
Rauchbier ist Bier, bei der das Malz während der Produktion geräuchert wird. Ich habe es noch nie getrunken, aber angeblich soll es tatsächlich nach geräuchertem Fleisch schmecken. Ich kann mir irgendwie so gar nicht vorstellen, dass das ein Geschmack ist, den man gerne in seinem Bier haben möchte. Aber anscheinend scheinen ausreichend Menschen dieses Rauchbier gut zu finden, den ansonsten würde es ja schon längst nicht mehr existieren.
Und zumindest früher war Rauch als Geschmack viel öfter Teil des Bieres. Denn für Bier braucht man Malz, also gekeimte Getreidekörner (meistens Gerste). Malz ist der Bestandteil, der während des Bierbrauens zu gären beginnt und damit für Alkoholgehalt, Geschmack, Farbe und viele andere Faktoren bei einem fertigen Bier verantwortlich ist. Damit das Malz aber gelagert und verwendet werden kann, muss es zuerst getrocknet werden. Das kann in der Sonne geschehen. Oder, in Orten wo die Sonne nicht so oft scheint (Franken?), auch durch Hitze. Man hat also früher einfach unter dem Malz ein Holzfeuer angezündet und die aufsteigende Wärme zur Trocknung genutzt. Aber dabei stieg eben nicht nur Wärme auf, sondern auch Rauch und so wurde das Malz zwangsläufig immer geräuchert. Heute verzichtet man meistens auf offene Feuer und der Rauchgeschmack ist aus dem Bier verschwinden.
Bis auf das Rauchbier natürlich. Und im Rauch finden wir auch die Verbindung zur Astronomie. Denn es geht um die Frage nach der Energie der Sonne. Wir wissen erst seit knapp 100 Jahren (und seit knapp 50 Jahren im Detail), dass die Sonne ihre Energie durch Kernfusion erzeugt. Sie wandelt Wasserstoff in Helium um und setzt dabei Licht und Wärme frei. Aber lange Zeit war die Energieproduktion der Sonne ein Rätsel. Dass sie Energie produziert, war offensichtlich. Aber niemand konnte sich so wirklich vorstellen, wie das tatsächlich abläuft.
Die einzige Quelle für Wärme und Licht die den Menschen früher bekannt war, war Feuer. Wenn also auch die Sonne Wärme und Licht abstrahlt, dann muss auch dort ein Feuer brennen, so die lange vorherrschende Meinung. Und das war genaugenommen schon eine ziemlich fortschrittliche Idee! Denn sie setzt voraus, dass die Sonne nach den gleichen Naturgesetzen funktioniert wie die Vorgänge auf der Erde und nicht irgendein mystisch-göttliches Licht ist! Das Problem an der Sache mit dem Feuer: Es muss sehr, sehr lange brennen, damit die Sonne so hell und warm sein kann, wie sie es ist.
Man kann das leicht ausrechnen. Würde die Sonne zum Beispiel komplett aus Kohle bestehen, dann würde in einem Kilogramm ihrer Masse eine Energie von etwa 7000 Kilokalorien stecken. Jetzt muss man das nur noch mit der Gesamtmasse der Sonne multiplizieren und dann durch die Energiemenge teilen, die sie pro Sekunde abstrahlt. Dann erhält man die maximale Lebensdauer der Sonne und nach dieser Rechnung beträgt sie knapp 6000 Jahre (bzw. ein bisschen mehr oder weniger, je nachdem welche Werte man für den Energiegehalt des jeweiligen Brennstoffs tatsächlich einsetzt – verschiedene Kohlensorten können unterschiedlich viel Energie freisetzen). Das war kein Problem zu einer Zeit, in der man noch daran glaubte, dass die ganze Welt recht jung ist und erst vor wenigen tausenden Jahren von einem Schöpfer in die Welt gesetzt wurde.
Aber im 19. Jahrhundert zeigten Wissenschaftler wie Charles Darwin oder der Geologe Charles Lyell, dass die Erde definitiv viel älter sein musste als nur ein paar tausend Jahre. Ihr Alter müsste eher in vielen Millionen Jahren gemessen werden und so lange kann kein simples Feuer brennen. Man wusste aber auch nicht, was sonst als Energiequelle in Frage kommen könnte. Der Physiker Hermann von Helmholtz schlug vor, dass die Gravitation die nötige Energie bereit stellen könnte. Wenn die Sonne eine große Kugel aus Gas ist, die unter ihrem eigenen Gewicht immer weiter in sich zusammenfällt, wird dabei Bewegungsenergie in Wärmeenergie umgewandelt. Aber auch dieser Prozess würde nicht genug Energie erzeugen, um die Sonne lange genug leuchten zu lassen.
Zwischenzeitlich entdeckte man die Elektrizität und überlegte, ob dieses neue Phänomen vielleicht die Lösung sein könnte. Vielleicht ist die Sonne ja eine große elektrische Lampe? Aber auch hier stieß man schnell auf Probleme und es wurde klar, dass das nicht funktioniert (auch wenn heute immer noch einige Menschen glauben, unsere Sonne würde elektrisch leuchten). Ein normales Feuer, egal ob chemisch oder elektrisch ist einfach zu schwach, um unsere Sonne zu erklären!
Erst als man Ende des 19. Jahrhunderts die Radioaktivität entdeckt hatte, machte man Fortschritte. Jetzt hatte man eine völlig neue Art des “Feuers” gefunden. Bei radioaktiven Prozessen wird Energie nicht mehr durch veränderte Bindungen zwischen den Atomen erzeugt, sondern stammt aus den Atomkernen selbst! Bis die Wissenschaftler aber alle Details geklärt und herausgefunden haben, wie es die Sonne schafft, Atomkerne ineinander umzuwandeln und dadurch Energie für Milliarden Jahre freizusetzen, hat es noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gedauert.
Und das Rauchbier? Sein Geschmack wird durch ein simples, altes Feuer erzeugt. Ein Feuer, wie es auf der Sonne nicht existiert – aber ein Feuer, dass ohne die Sonne nicht möglich wäre! Denn die Energie, die beim Verbrennen von Holz frei wird, ist ja nichts anderes als Sonnenenergie! Die Bäume, aus denen wir das Brennholz gewonnen haben, habe das Licht der Sonne über ihre Blätter und mittels Photosynthese gespeichert und für ihr Wachstum und ihre Lebensprozesse verwendet. Und wenn wir das Holz später verbrennen, dann wird die gespeicherte Sonnenenergie wieder frei.
Wenn wir ein Glas Rauchbier trinken, erinnert der Geschmack zwar an ein normales Holzfeuer. In Wahrheit aber steckt darin die ganze Macht der nuklearen Fusion im Inneren der Sonne! Und trotzdem: Ich bin skeptisch, ob ich das Rauchbier in Bamberg wirklich probieren soll…
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