Als im Jahr 2004 der Asteroid Sedna entdeckt worden ist, wurde das bekannte Sonnensystem mit einem Schlag deutlich größer. Der etwa 1000 Kilometer große Felsbrocken ist von allen Himmelskörpern die wir kennen derjenige, der sich auf seiner Bahn am weitesten von der Sonne entfernt. Am sonnenfernsten Punkt ist er ganze 1000 Mal weiter von unserem Stern entfernt als die Erde! Damit befindet er sich weit außerhalb des Bereichs der Planeten und auch weit außerhalb des Kuiper-Asteroidengürtles, der sich hinter der Neptunbahn erstreckt und dessen äußerste Regionen nur 50 Mal weiter von der Sonne entfernt sind als die Erde. Mittlerweile hat man noch ein paar andere Asteroiden entdeckt, die sich so weit außen im Sonnensystem befinden und ihre Bahnen haben alle ähnliche Eigenschaften. Das hat manche Astronomen dazu bewogen, über einen eventuell dort draußen vorhandenen noch unentdeckten Planeten zu spekulieren, dessen Anziehungskraft die Asteroiden zu so einer Gruppe zusammentreibt. Wissenschaftler aus den Niederlanden haben nun eine andere Hypothese überprüft und sind zu dem Schluss gekommen, dass Sedna & Co eventuell von einem anderen Stern zu uns gekommen sind.
Eines ist auf jeden Fall klar: Dort wo sich die fernen Asteroiden jetzt befinden, können sie nicht entstanden sein. Das geht nur dort, wo auch ausreichend Material für die Entstehung von Himmelskörpern vorhanden ist und das findet man in der Frühzeit eines Planetensystems nur in relativer Nähe eines Sterns. Die Scheibe aus Gas und Staub aus der die Asteroiden und danach die Planeten unseres Sonnensystems entstanden sind, hat mit Sicherheit nicht bis in die weit entfernten Regionen gereicht, in denen sich Sedna aufhält. Das derzeit favorisierte Modell geht daher davon aus, dass die vielen chaotischen Vorgänge während der Planetenentstehung und die planetare Migration, also die Bewegung der jungen Planeten durch das Sonnensystem hindurch, einige der Asteroiden aus den inneren Bereichen des Planetensystems weit hinaus in das Niemandsland zwischen Planeten und Oortscher Wolke geschleudert hat.
Aber das reicht als Erklärung nicht aus, meinen Lucie Jílková von der Sternwarte Leiden und ihre Kollegen in ihrer Arbeit “How Sedna and family were captured in a close encounter with a solar sibling”. Bisher hat man 13 Asteroiden entdeckt, die zur gleichen Gruppe wie Sedna gehören. Berücksichtigt man die Limitationen der aktuellen Beobachtungstechniken, dann kann man abschätzen, wie viele Objekte tatsächlich zu dieser Familie, die von den Forscher Sednitos genannt wird, gehören: ungefähr 430. Es wäre zwar vorstellbar, dass die verschiedenen chaotischen Vorgänge ein paar wenige Asteroiden genau auf die Bahnen gebracht hat, die man jetzt beobachtet. Aber ein paar hundert Sednitos lassen sich damit nicht erklären.
Jílková und ihre Kollegen haben daher eine andere Hypothese untersucht: Was, wenn die junge Sonne einem anderen Stern begegnet ist? Auch der wird von einer äußeren Scheibe aus Asteroiden umgeben sein. Das ist zumindest das, was man als Resultat der normalen Planetenentstehung erwarten würde. Damit aus Asteroiden Planeten entstehen, braucht es ausreichend viele Kollisionen und je weiter entfernt sich die Felsbrocken von ihrem Stern bewegen, desto langsamer sind sie und desto mehr Platz ist zwischen ihnen. Die Kollisionen werden seltener und es entstehen keine großen Planeten mehr. Darum sind bei uns auch die äußersten Planeten Uranus und Neptun deutlich kleiner als die inneren Gasriesen Saturn und Jupiter. Und darum gibt es hinter der Neptunbahn nur noch Asteroiden und keine großen Planeten mehr. Und wenn das bei uns so läuft, dann sicherlich auch anderswo.
Wenn sich nun die Sonne und der fremde Stern – in der Arbeit der Leidener Astronomen “Q” genannt – nahe genug und vor allem auf die richtige Art und Weise nahe kommen, können Asteroiden des einen Sterns vom anderen eingefangen werden. Ob das wirklich funktioniert und ob sich dabei Asteroiden auf den beobachteten Bahnen der Sednitos ansammeln, haben Jílková und ihre Kollegen mit umfangreichen Computersimulationen überprüft. Zuerst haben sie verschiedene “Q”-Sterne auf unterschiedlichen Bahnen an der Sonne vorbeifliegen lassen und nachgesehen, welche Konfiguration am besten funktioniert. Das Resultat: Wenn ein Stern mit der 1,8fachen Sonnenmasse sich auf einer leicht exzentrischen und um 35 Grad gegenüber der Ebene unseres Planetensystems geneigten Bahn sich der Sonne bis auf 227 Astronomische Einheiten (also der 227fache Abstand zwischen Erde und Sonne) nähert, dann wechseln genug Asteroiden auf genau die richtige Art und Weise die Sterne.
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