Als im Jahr 2004 der Asteroid Sedna entdeckt worden ist, wurde das bekannte Sonnensystem mit einem Schlag deutlich größer. Der etwa 1000 Kilometer große Felsbrocken ist von allen Himmelskörpern die wir kennen derjenige, der sich auf seiner Bahn am weitesten von der Sonne entfernt. Am sonnenfernsten Punkt ist er ganze 1000 Mal weiter von unserem Stern entfernt als die Erde! Damit befindet er sich weit außerhalb des Bereichs der Planeten und auch weit außerhalb des Kuiper-Asteroidengürtles, der sich hinter der Neptunbahn erstreckt und dessen äußerste Regionen nur 50 Mal weiter von der Sonne entfernt sind als die Erde. Mittlerweile hat man noch ein paar andere Asteroiden entdeckt, die sich so weit außen im Sonnensystem befinden und ihre Bahnen haben alle ähnliche Eigenschaften. Das hat manche Astronomen dazu bewogen, über einen eventuell dort draußen vorhandenen noch unentdeckten Planeten zu spekulieren, dessen Anziehungskraft die Asteroiden zu so einer Gruppe zusammentreibt. Wissenschaftler aus den Niederlanden haben nun eine andere Hypothese überprüft und sind zu dem Schluss gekommen, dass Sedna & Co eventuell von einem anderen Stern zu uns gekommen sind.

Künstlerische Darstellung: Die Sonne, gesehen von der Oberfläche Sednas

Künstlerische Darstellung: Die Sonne, gesehen von der Oberfläche Sednas

Eines ist auf jeden Fall klar: Dort wo sich die fernen Asteroiden jetzt befinden, können sie nicht entstanden sein. Das geht nur dort, wo auch ausreichend Material für die Entstehung von Himmelskörpern vorhanden ist und das findet man in der Frühzeit eines Planetensystems nur in relativer Nähe eines Sterns. Die Scheibe aus Gas und Staub aus der die Asteroiden und danach die Planeten unseres Sonnensystems entstanden sind, hat mit Sicherheit nicht bis in die weit entfernten Regionen gereicht, in denen sich Sedna aufhält. Das derzeit favorisierte Modell geht daher davon aus, dass die vielen chaotischen Vorgänge während der Planetenentstehung und die planetare Migration, also die Bewegung der jungen Planeten durch das Sonnensystem hindurch, einige der Asteroiden aus den inneren Bereichen des Planetensystems weit hinaus in das Niemandsland zwischen Planeten und Oortscher Wolke geschleudert hat.

Aber das reicht als Erklärung nicht aus, meinen Lucie Jílková von der Sternwarte Leiden und ihre Kollegen in ihrer Arbeit “How Sedna and family were captured in a close encounter with a solar sibling”. Bisher hat man 13 Asteroiden entdeckt, die zur gleichen Gruppe wie Sedna gehören. Berücksichtigt man die Limitationen der aktuellen Beobachtungstechniken, dann kann man abschätzen, wie viele Objekte tatsächlich zu dieser Familie, die von den Forscher Sednitos genannt wird, gehören: ungefähr 430. Es wäre zwar vorstellbar, dass die verschiedenen chaotischen Vorgänge ein paar wenige Asteroiden genau auf die Bahnen gebracht hat, die man jetzt beobachtet. Aber ein paar hundert Sednitos lassen sich damit nicht erklären.

Jílková und ihre Kollegen haben daher eine andere Hypothese untersucht: Was, wenn die junge Sonne einem anderen Stern begegnet ist? Auch der wird von einer äußeren Scheibe aus Asteroiden umgeben sein. Das ist zumindest das, was man als Resultat der normalen Planetenentstehung erwarten würde. Damit aus Asteroiden Planeten entstehen, braucht es ausreichend viele Kollisionen und je weiter entfernt sich die Felsbrocken von ihrem Stern bewegen, desto langsamer sind sie und desto mehr Platz ist zwischen ihnen. Die Kollisionen werden seltener und es entstehen keine großen Planeten mehr. Darum sind bei uns auch die äußersten Planeten Uranus und Neptun deutlich kleiner als die inneren Gasriesen Saturn und Jupiter. Und darum gibt es hinter der Neptunbahn nur noch Asteroiden und keine großen Planeten mehr. Und wenn das bei uns so läuft, dann sicherlich auch anderswo.

Wenn sich nun die Sonne und der fremde Stern – in der Arbeit der Leidener Astronomen “Q” genannt – nahe genug und vor allem auf die richtige Art und Weise nahe kommen, können Asteroiden des einen Sterns vom anderen eingefangen werden. Ob das wirklich funktioniert und ob sich dabei Asteroiden auf den beobachteten Bahnen der Sednitos ansammeln, haben Jílková und ihre Kollegen mit umfangreichen Computersimulationen überprüft. Zuerst haben sie verschiedene “Q”-Sterne auf unterschiedlichen Bahnen an der Sonne vorbeifliegen lassen und nachgesehen, welche Konfiguration am besten funktioniert. Das Resultat: Wenn ein Stern mit der 1,8fachen Sonnenmasse sich auf einer leicht exzentrischen und um 35 Grad gegenüber der Ebene unseres Planetensystems geneigten Bahn sich der Sonne bis auf 227 Astronomische Einheiten (also der 227fache Abstand zwischen Erde und Sonne) nähert, dann wechseln genug Asteroiden auf genau die richtige Art und Weise die Sterne.

Diesen optimalen Fall haben sich die Astronomen nun genauer angesehen. Sie haben die Sonne und “Q” mit einer Scheibe aus jeweils 100.000 Asteroiden ausgestattet und die beiden aufeinander treffen lassen. Im Gegensatz zu den früheren Testsimulationen war nun auch die räumliche und die Größenverteilung der Asteroiden entsprechend der Modelle der Planetenentstehung der heutigen Beobachtungen der Asteroidengürtel modelliert. In diesem Fall hatte sich die Sonne nach Ende der Simulation knapp 2600 Asteroiden des anderen Sterns geschnappt! 884 davon gelangten ins innere Sonnensystem, also in den Bereich der Planeten und wurden durch die von ihnen verursachten Störungen wieder aus dem System geworfen. 936 aber erreichten die Region in der sich die Sednitos aufhalten und 434 nahmen Bahnen ein, die genau zur Familie der 13 tatsächlich bekannten Mitglieder der Sedna-Familie passen. Das sind ziemlich genau so viele, wie man aus den Abschätzungen von denen ich weiter oben geschrieben habe, erwarten würde. Damit die Simulation dieses passende Ergebnis liefert, muss “Q” von einer Scheibe aus Asteroiden umgeben sein, die 176 Astronomische Einheiten hinaus reicht, was ein plausibler Wert für einen Stern seiner Größe ist.

Natürlich kriegt die Sonne die neuen Asteroiden nicht umsonst. Sie verliert selbst auch einige ihrer eigenen Felsbrocken an “Q”, wie dieses Diagramm zeigt:

Man sieht hier auf welchen Bahnen sich die Asteroiden am Ende der Simulation befinden. Auf der x-Achse ist der mittlere Abstand zur Sonne (links) und “Q” (rechts) in Astronomischen Einheiten aufgetragen. Die y-Achse zeigt die Exzentrizität der Bahnen (unten) und die Neigung der Bahnen (oben). Rote Punkte zeigen Asteroiden an, die zu Beginn der Simulation zur Sonne gehört haben; die blauen Punkte sind Asteroiden die anfangs den Stern “Q” umkreist haben. Man erkennt schön, dass die Sonne ihre innere Population an Asteroiden behalten hat, sich aber dafür eine weit nach außen reichende Gruppe neuer “Q”-Asteroiden zugelegt hat. Der schwerere “Q” hat dagegen die Sonnen-Asteroiden viel rabiater an sich gerissen und mit seinen eigenen vermischt.

Es ist natürlich eine interessante Hypothese und eine, die auch nicht unbedingt unplausibel ist. Nahe Begegnungen zwischen Sternen kommen durchaus vor (zumindest “nahe” im astronomischen Sinn), ganz besonders in der Jugendzeit der Sterne. Denn Sterne entstehen ja in den seltensten Fällen alleine, sondern immer gemeinsam mit vielen anderen Sternen. Die sind sich anfänglich auch recht nahe, bevor sie im Laufe der Zeit auseinander driften. Aber es ist natürlich schwer, diese Hypothese des Asteroidenraubs auch zu belegen.

Jílková und ihre Kollegen weisen allerdings darauf hin, dass Beobachtungsdaten des Weltraumteleskops GAIA vielleicht bald ein bisschen mehr Informationen zu diesem Thema liefern könnten. Es wird erwartet, dass GAIA ungefähr 50 neue Asteroiden in der Sedna-Region entdecken wird. Und da GAIA eine ganze Milliarde Sterne genau vermessen wird, stehen auch die Chancen gut, dass man “Q” darunter findet. Man könnte ihn daran erkennen, dass seine chemische Zusammensetzung der der Sonne recht ähnlich ist, da sie ja vermutlich gemeinsam aus der gleichen kosmischen Wolke entstanden sind. Andererseits wird “Q” auch nicht mehr so aussehen wie früher: Da er schwerer ist hat er sich auch schneller entwickelt und wird mittlerweile schon ein weißer Zwerg sein. Es wird schwer sein, ihn dann noch als Ursprung der Sednitos und Dieb von Sonnen-Asteroiden dingfest zu machen. Aber ein Happy End gäbe es dann trotzdem noch, meinen Jílková und ihre Kollegen: Da “Q” bei seiner Entwicklung zum weißen Zwerg viel Masse verloren hat, dürfte seine Gravitationskraft nicht mehr ausreichen, um die gestohlenen Sonnen-Asteroiden in ihren fernen Umlaufbahnen festzuhalten. Sie würden nun als freie Asteroiden durch die Milchstraße ziehen ohne an einen Stern gebunden zu sein…

Kommentare (34)

  1. #1 Higgs-Teilchen
    Im Standardmodell oben rechts
    16. Juni 2015

    @Florian
    “wird mittlerweile schon ein weißer Zwerg sein.”

    Wie weit läge die Begegnung denn in der Vergangenheit?

  2. #2 Karsten
    16. Juni 2015

    @Higgs-Teilchen: Wenn Sonne und “Q” in der gleichen Wolke “geboren” wurden, dann dürfte sich die Begegnung in der ersten Mrd. Jahre der Existenz der Sonne abgespielt haben. Das ist zwar ‘ne reine Vermutung … Aber wäre sie später gewesen, dann dürfte sich meines Erachtens die Gravitation von “Q” deutlicher auf die Planeten/Asteroidenbahnen im Sonnensystem ausgewirkt haben – vor allem, weil “Q” ja als massereicher als die Sonne beschrieben wird – und es gäbe vermutlich mehr Himmelskörper, die die Ekliptik des Sonnensystems (also die Ebene, in der die Planeten ihre Bahnen ziehen) durchbrechen würden..

  3. #3 JJ
    Danke für den Tipp
    16. Juni 2015

    Habe gerade beim MPCnachgesehen. Sedna wurde selten beobachtet die letzten Jahre. Im November kann ich mit einem 60er dann mal draufhalten. Die Helligkeit von ca. 21 Mag schaffe ich gerade noch…

  4. #4 Till
    16. Juni 2015

    @FF Und da GAIA eine ganze Milliarde Sterne genau vermessen wird, stehen auch die Chancen gut, dass man “Q” darunter findet.

    Wie gut stehen diese chancen denn wirklich?. Das Zusammentreffen der beiden Sterne war ja vermutlich schon vor ca 4 Mrd Jahren, Die Sonne benötigt für einen Umlauf um die Galaxis ~230 Mio Jahre. D.h. beide Sterne haben seitdem schon ~20 Runden hinter sich. Die Bahnen um die Galaxis sind ja auch viel Chaotischer als die Planetenbahnen. Steht da wirklich die Chance gut, dass “Q” sich noch in relativer Nähe zur Sonne befindet und einer der 1Mrd Sterne ist, die Gaia vermessen wird? Oder ist die Chance eher 1/400 (1 Mrd vermessene Sterne/ 400Mrd Sterne gesamt)?

  5. #5 Alderamin
    16. Juni 2015

    @Till

    Ich denke auch (und meine anderswo schon gelesen zu haben), dass sich die Sterne aus dem Geburtssternhaufen der Sonne schon über die gesamte Milchstraße verteilt haben können (es gab in Sky & Telescope mal einen Artikel über die Suche nach Schwestersternen der Sonne, gab auch irgendeinen Kandidaten, aber der Nachweis sei schwierig; viel mehr als einen ähnlichen Metallgehalt und ähnliches Alter wie die Sonne hat man ja nicht als Anhaltspunkte; die Rückverfolgung der Bahn zu einem gemeinsamen Ursprung ist im Milchstraßengewimmel ziemlich hoffnungslos).

    Hingegen kommt die Sonne irgendeinem anderen Stern aus der Milchstraße alle 100000 Jahre auf weniger als 1 LJ nahe (ohne nachzuschauen, grob aus der Erinnerung). Das heißt, die Chance, dass die Sednitos aus einer späteren Begegnung der Sonne mit irgendeinem Feldstern stammen, sollte eigentlich viel größer sein, als dass sie von einem ihrer “Schwestersterne” stammen. Es könnte sich lohnen, die Zusammensetzung dieser Objekte genauer zu studieren, denn die Chance, Material aus einem anderen Sonnensystem in die Finger (oder unter den Sensor) zu bekommen, ist ansonsten eher vernachlässigbar.

  6. #6 advanced deep space propeller
    16. Juni 2015

    Am 30. Juni ist übrigens Asteroid Day!

    https://www.asteroidday.org/

  7. #7 Yeti
    16. Juni 2015

    @jj:
    > Die Helligkeit von ca. 21 Mag schaffe ich gerade noch…

    Mit dem Auge oder photografisch / CCD-ish?
    Und was ist ein 60er? 60″? Ich habe auf dem Vogelsberg mal durch so ein Teil Stephan’s Quintett(?) geSEHEN!

    Ich finde es abenteuerlich, dass man diesen kleinen Brocken (Sedna) in dieser Entfernung mit Teleskopen “sehen” kann. Ich habe ein 10″ mit 160mm Brennweite und wenn ich damit mit einem Okular, das ihn (sie?) auch auflösen (4-10 mm?) kann auf Sedna halten würde, könnte man die Photonen, die da so pro Sekunde auf einer Zelle meiner Netzhaut auftreffen, sicher an einer Hand abzählen.

  8. #8 Tina_HH
    16. Juni 2015

    Danke für diesen spannenden Artikel!
    Im Moment nähert sich Sedna (laut Wikipedia) ja noch weiter an und wird ihr Perihel Mitte 2076 erreichen.
    Und wird sich dann für die nächsten Jahrtausende wieder immer weiter entfernen. 12.000 Jahre für einen Umlauf…
    Also möglichst noch in diesem Jahrhundert fotografieren und untersuchen!

    Und dann ist Sedna auch wohl bald offiziell ein Zwergplanet, sehr sympathisch 😉 (Ich weiss, nicht alle finden diese Kategorie gut… )

  9. #9 kereng
    Hamburg, Germany
    16. Juni 2015

    Über die Eskimo-Göttin Sedna steht bestimmt was in Wikipedia, aber ich empfehle den Podcast “Reasonable Doubts”. Das Segment Polyatheism beginnt in Folge 115 vom 3. Mai 2013 in Minute 1:24

    https://doubtcast.org/podcast/rd114_mom_p2_die_for_a_lie.mp3

  10. #10 DAD
    16. Juni 2015

    Das wäre doch der richtige Kandidat als Folgeobjekt für New Horizons. Scheint aber wohl nicht zu passen, sonst wäre wohl einer schon vorher drauf gekommen.

  11. #11 Artur57
    16. Juni 2015

    Interessant wäre nun, etwas über die Zusammensetzung der Sedna zu erfahren, was natürlich derzeit nicht möglich ist. Aber vielleicht wissen wir mehr, als wir ahnen? Es könnte ja ein Meteor dieser Kategorie auf die Erde gefallen sein und da gibt es einen heißen Anwärter: der große Meteor, der vor 65 Millionen Jahren den Chicxulub-Krater verursacht hat und am Tod der Saurier schuld sein soll.

    Der nun zeichnet sich durch eine Besonderheit aus: sein Iridium-Gehalt ist deutlich höher als das der Erde. Iridium ist extrem selten und man darf annehmen, dass das im Rest des Sonnensystems genau so ist.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Iridium-Anomalie

    Also das wäre zumindest ein Kandidat. Wenn das zutrifft, kann man davon ausgehen, dass das andere Sonnensystem eine gravierend abweichende Metallizität hat.

  12. #12 mr_mad_man
    16. Juni 2015

    Spannende Vorstellung, dass unsere Sonne und “Q” in der Frühzeit Asteoriden ausgetauscht haben. Gibt es eigentlich einen besonderen und/oder bekannten Grund für die Benennung der fremden Sonne als “Q”? Oder sind die Wissenschaftler StarTrekFans (“Q” als Anspielung auf “Q” und das “Q-Kontinuum”)

  13. #13 bikerdet
    16. Juni 2015

    @ mr_mad_man :
    Oder sie waren James-Bond-Fans oder sie wolten das ‘X’ vermeiden um nicht in die Weltuntergangsrubrik zu rutschen …

  14. #14 Benny
    17. Juni 2015

    Wie weit weg kann ein Asteroid mit 1000 km Durchmesser von der Sonne entfernt sein und um sie kreisen?

  15. #15 Alderamin
    17. Juni 2015

    @Artur57

    Iridium ist extrem selten und man darf annehmen, dass das im Rest des Sonnensystems genau so ist.

    Nein, Iridium ist in Meteoriten (die von Asteroiden stammen) relativ häufig. Das Iridium der Erde ist wegen seines hohen Gewichts (wie auch Gold, Platin, Uran etc.) größtenteils in die Tiefe des flüssigen Erdinneren abgesunken, deswegen gibt es so wenig davon an der Erdoberfläche. Das ist z.B. bei den Mutterkörpern der Eisenmeteoriten auch passiert, nur wurden diese durch Kollisionen zertrümmert, so dass jetzt Meteoriten und Asteroiden mit konzentriertem Iridium-Gehalt durch das Sonnensystem fliegen (aber auch in Steinmeteoriten findet man mehr Iridium als auf der Erde, das in deren nicht aufgeschmolzenen Mutterkörpern gar nicht erst in den Kern gesunken ist).

    Das war bekannt, deswegen kamen die Alvarez’ nach dem Fund der Iridium-Schicht auf der Erde überhaupt erst auf die Idee, dass es sich um die Spur eines Asteroideneinschlags handeln könnte. Nur der Krater fehlte noch, den man später im Boden unter Yucatan fand.

  16. #16 Florian Freistetter
    17. Juni 2015

    @Benny: “Wie weit weg kann ein Asteroid mit 1000 km Durchmesser von der Sonne entfernt sein und um sie kreisen?”

    Das lässt sich nicht exakt sagen. Im Prinzip unendlich weit. Die Gravitation hat ja eine unendliche Reichweite. Gäbe es im Universum nur die Sonne und diesen Asteroid, könnte er sie in einem beliebigen Abstand umkreisen. Aber in der Realität gibt es ja noch jede Menge andere Himmelskörper, die ebenfalls Gravitation ausüben. Im Sonnensystem reicht die Oortsche Wolke ungefähr 1,5 Lichtjahre weit hinaus. Noch weiter weg beginnt dann schon ALpha Centauri zu dominieren und würde die Asteroiden vom Sonnensystem lösen.

  17. #17 T
    17. Juni 2015

    @ FF
    Dann gibt es doch sicher auch eine interstellare Entsprechung zu den Lagrange-Punkten? Könnte sich ein Objekt, das sich dort befindet, überhaupt von dort entfernen? Es würde ja quasi festhängen zwischen den Sternen, deren Gravitation sich gegenseitig aufhebt. Oder würde die Bewegung um das galaktische Zentrum ein solches System zerstören?

  18. #18 Alderamin
    17. Juni 2015

    @T

    Dann gibt es doch sicher auch eine interstellare Entsprechung zu den Lagrange-Punkten?

    Nö, die gibt’s ja nur auf der Bahn von umkreisenden Objekten. Andere Sterne umkreisen die Sonne nicht, sondern fliegen an ihr vorbei. Dann gibt’s auch keine permanenten Punkte in irgendeinem mitrotierenden Koordinatensystem, an denen ein Körper im Gleichgewicht der Kräfte zwischen der Sonne und diesen Sternen verbleiben könnte.

  19. #19 T
    18. Juni 2015

    Danke für die Antwort, Alderamin. Wenn du magst, hilf mir doch bitte hiermit noch weiter:
    1. D.h. zwischen zwischen zwei Sternen gibt es keine Zone gravitativen Gleichgewichts? Jeder Körper, der dort hineingerät, wird sich der einen oder anderen Seite zuwenden?
    2. Ein Vagabund müsste also früher oder später eingefangen werden, sobald er zwischen zwei Gravitationsfelder gerät?
    3. Mit ‘vorbeifliegen’ meinst du nicht, dass sich der Abstand zwischen bspw. Sonne und Alpha Centauri verändert?

  20. #20 Alderamin
    18. Juni 2015

    @T

    1. D.h. zwischen zwischen zwei Sternen gibt es keine Zone gravitativen Gleichgewichts?

    Schon, aber bei den Lagrangepunkten sind die Fliehkräfte wichtig. Wenn man einfach zwei statische Massen hat, dann zieht auf einer Linie dazwischen entweder die eine oder die andere Masse einen Probekörper stärker an. Irgendwo in der Mitte ist ein instabiler Gleichgewichtspunkt, auf dem der Probekörper bei der winzigsten Abweichung in die eine oder andere Richtung fällt. Bei den Lagrange-Punkten verhindern die Fliehkräfte, dass der Probekörper auf dem kürzesten Weg zu einer der Massen fällt, deswegen sind Orbits um diese Punkte möglich. Fallen die Fliehkräfte weg, funktioniert das so nicht.

    2. Ein Vagabund müsste also früher oder später eingefangen werden, sobald er zwischen zwei Gravitationsfelder gerät?

    Nein, wenn er schnell genug unterwegs ist, kann er den Gravitationsfeldern entfliehen. In der Mitte zwischen den Sternen ist die Fluchtgeschwindigkeit klein, in 100000 AU nur noch rund 133 m/s (480 km/h), das ist viel langsamer als die meisten Objekte im All unterwegs sind (die Sonne selbst driftet mit 19 km/s Richtung Sternbild Herkules). Kommt ein Objekt aus dem Unendlichen, wird es außerdem auf die Fluchtgeschwindigkeit beschleunigt. Die Chance für einen Einfang in großer Entfernung ist also ziemlich klein.

    3. Mit ‘vorbeifliegen’ meinst du nicht, dass sich der Abstand zwischen bspw. Sonne und Alpha Centauri verändert?

    Doch, das tut er. Alpha Centauri kommt uns in den nächsten 30000 Jahren noch etwas näher und entfernt sich dann wieder. Die Sterne der Sonnenumgebunge driften an der Sonne vorbei.

  21. #21 T
    18. Juni 2015

    Vielen Dank, das ist sehr aufschlussreich. Ich merke gerade, dass meine Vorstellung von ‘Fix’sternen reichlich naiv ist. 😉
    Ist das eine Wellenbewegung? Kommen die dann wieder mal zurück? Die Spiralarme der Milchstraße bleiben doch in sich stabil, auch wenn die Abstände wischen den Sternen offenbar veränderlich sind?

  22. #22 Alderamin
    18. Juni 2015

    @T

    Ist das eine Wellenbewegung?

    Die Sonne soll wohl insgesamt eine Wellenbewegung um die Milchstraßenebene vollführen, aber jeder Stern driftet auch irgendwie für sich durch die Gegend, angezogen von der Masse der Milchstraße innerhalb seiner Bahn wie auch naher Sterne um ihn herum (da kommt am Ende keine schöne Keplerbahn heraus! Wenn man schon sieht, was bei drei Körpern herauskommen kann – in der Milchstraße gibt es hunderte Milliarden). Sterne aus kannibalisierten Zwerggalaxien schießen dazu mit hoher Geschwindigkeit und als Gruppen (woran man sie erkennt) quer.

    Kommen die dann wieder mal zurück?

    Eher nicht, denke ich. Die verlieren sich im Gewimmel.

    Die Spiralarme der Milchstraße bleiben doch in sich stabil, auch wenn die Abstände wischen den Sternen offenbar veränderlich sind?

    Die Spiralarme markieren nicht die Orte von Sternen, sondern von Sternentstehungsgebieten und es sind nicht stets die gleichen Sterne, die sich in den Spiralarmen befinden, sondern die Spiralarme wandern über die Sterne hinweg wie ein Stau über die Autos. Ich hab’ das neulich mal hier erklärt.

  23. #23 Ridikuli
    18. Juni 2015

    #22 Alderamin:
    Als überwiegend stiller Mitleser möchte ich übrigens mal ein großes Dankeschön an dich richten. Du erklärst in den Kommentaren von vielen Artikeln wunderbar aufkommende Fragen und zusätzliche Aspekte: Kurz und knapp, sagenhaft verständlich und trotzdem nicht allzu verfälschend vereinfacht (soweit ich das einschätzen kann 🙂 ) Vielen Dank dafür mal wieder! Ich finde das unglaublich, wieviel Zeit du dafür aufbringst!

  24. #24 Alderamin
    18. Juni 2015

    @Ridikuli

    Freut mich, wenn’s hilft (und beosnders, wenn’s gelegentlich mal positives Feedback gibt) 🙂 Macht jedenfalls Spaß, daher der Aufwand…

  25. #25 Bynaus
    18. Juni 2015

    @Florian: Danke für den spannenden Artikel! Eine Mission zu Sedna wäre demnach sowas wie eine simple interstellare Mission: sicher ein spannendes Ziel für die zweite Hälfte des Jahrhunderts! Übrigens: Bei einem vorbeifliegenden Stern ist die Exzentrizität immer >1 (sonst wäre er ja in einer gebunden Bahn), da macht es nicht viel Sinn, von einer “leicht exzentrischen Bahn” zu sprechen. Viel exzentrischer als >1 geht ja nicht…

    @Alderamin: Das Iridium ist nicht wegen seines Gewichts abgesunken, sondern wegen seiner chemischen Affinität zu Eisenschmelzen: es löst sich sehr gut darin, so dass es, als das Eisen der Erde sich zum Kern sammelte, regelrecht aus dem Mantel gesaugt wurde, zusammen mit vielen anderen “siderophilen” Elementen (darunter auch leichtere: siehe: https://en.wikipedia.org/wiki/Goldschmidt_classification). Uran etwa ist ja auch sehr schwer (spezifisch), aber fast alles Uran ist in der Kruste konzentriert: Uran is lithophil, geht also gerne in Gesteinsschmelzen – und wo ziehts am Ende alle Gesteinsschmelzen hin? In Richtung Oberfläche. Abgesehen davon volle Zustimmung zu deinen Antworten.

  26. #26 Alderamin
    18. Juni 2015

    @Bynaus

    Danke, wieder was gelernt 🙂

  27. #27 AmbiValent
    21. Juni 2015

    @Alderamin
    Ich denke, ein Feldstern als Ursprung der Asteroiden wäre unwahrscheinlich, weil die Begegnung nicht nur nah, sondern auch relativ langsam (Relativgeschwindigkeit der Sterne) erfolgt sein müsste.

    Damit ein Asteroid in eine Bahn um einen neuen Stern einschwenkt, reicht die Gravitation des neuen Sterns nicht als Ursache aus, denn dann würde für den neuen Stern der Asteroid aus dem Unendlichen kommen und wieder ins Unendliche verschwinden. Als drittes Objekt kommt eigentlich nur der Ursprungsstern in Frage, dessen Gravitation den Asteroiden im richtigen Zeitraum bremst, so dass seine Relativgeschwindigkeit zum neuen Stern langsam genug ist, um diesen nicht wieder verlassen zu können. Damit das aber passieren kann, muss die Begegnung der Sterne eine relativ langsame sein – je weiter die Sterne beim geringsten Abstand voneinander entfernt sind, um so langsamer müsste sie sein.

    Dadurch wird ein Schwesterstern als Ursprung wahrscheinlich, weil bei der Entstehung schon mehrere Sterne mit langsamen Relativgeschwindigkeiten zueinander auf relativ engem Raum bereitstehen, während dies bei Feldsternen äußerst unwahrscheinlich ist.

  28. #28 Jens
    21. Juni 2015

    Wie hell erscheint die Sonne von Sednas fernsten (Aphel) und nächsten Punkt (Perihel)?

  29. #29 Alderamin
    21. Juni 2015

    @Jens

    Perihel: 76 AE -> L = 1/76² = 1/5776 der Helligkeit auf der Erdbahn
    Aphel: 1000 AE-> L = 1/1000² = 1 Millionstel der Helligkeit auf der Erdbahn

    In Größenklassen:
    Δmag = -log L * 2,5 ; mag(Erde) = -26,7
    mag(Sedna) = mag(Erde)+Δmag

    Perihel: Δmag = -log (1/5776) * 2,5 = 9,4; mag = -26,7 + 9,4 = -17,3 (ca. 100x Vollmond)
    Aphel: Δmag = -log (1/1000000) * 2,5 = 15; mag = -26,7 + 15 = -11,7 (ca. 1/2x Vollmond)

  30. #30 Alderamin
    21. Juni 2015

    @Ambivalent

    Mag sein, dass die Sterne im Geburtssternhaufen der Sonne relativ langsamer unterwegs waren und häufiger, als spätere Begegnungen. Es kann auch später noch ein langsamer Stern vorbeigedriftet sein und es war sehr viel mehr Zeit dafür vorhanden. Die Wahrscheinlichkeiten für den einen oder anderen Fall könnte ich so aus dem Stehgreif nicht beurteilen.

  31. #31 PDP10
    21. Juni 2015

    @Alderamin (#29):

    So hell dann doch noch im Aphel (fast hell genug zum lesen …)! Wow!

  32. #32 Jens
    21. Juni 2015

    @Alderamin #29
    100 mal heller als der Vollmond in 76 AE Entfernung ist noch beeinduckend hell in dieser Entfernung. Ich dachte dort wäre es wesentlich dunkler.

  33. […] Kommt der Asteroid Sedna von einem anderen Stern? […]

  34. […] Das fängt schon bei der Größe an. Der Himmelskörper muss vergleichsweise groß sein, sonst hätte man ihn in dieser großen Entfernung nicht entdecken können. Aber wie groß genau er ist, weiß man nicht. Sein Durchmesser wird irgendwo zwischen 500 und 1000 Kilometer liegen. Damit ist er circa halb so groß wie Pluto; und in etwa so groß wie der ebenfalls sehr weit entfernte Asteroid Sedna. […]