Diesen optimalen Fall haben sich die Astronomen nun genauer angesehen. Sie haben die Sonne und “Q” mit einer Scheibe aus jeweils 100.000 Asteroiden ausgestattet und die beiden aufeinander treffen lassen. Im Gegensatz zu den früheren Testsimulationen war nun auch die räumliche und die Größenverteilung der Asteroiden entsprechend der Modelle der Planetenentstehung der heutigen Beobachtungen der Asteroidengürtel modelliert. In diesem Fall hatte sich die Sonne nach Ende der Simulation knapp 2600 Asteroiden des anderen Sterns geschnappt! 884 davon gelangten ins innere Sonnensystem, also in den Bereich der Planeten und wurden durch die von ihnen verursachten Störungen wieder aus dem System geworfen. 936 aber erreichten die Region in der sich die Sednitos aufhalten und 434 nahmen Bahnen ein, die genau zur Familie der 13 tatsächlich bekannten Mitglieder der Sedna-Familie passen. Das sind ziemlich genau so viele, wie man aus den Abschätzungen von denen ich weiter oben geschrieben habe, erwarten würde. Damit die Simulation dieses passende Ergebnis liefert, muss “Q” von einer Scheibe aus Asteroiden umgeben sein, die 176 Astronomische Einheiten hinaus reicht, was ein plausibler Wert für einen Stern seiner Größe ist.
Natürlich kriegt die Sonne die neuen Asteroiden nicht umsonst. Sie verliert selbst auch einige ihrer eigenen Felsbrocken an “Q”, wie dieses Diagramm zeigt:
Man sieht hier auf welchen Bahnen sich die Asteroiden am Ende der Simulation befinden. Auf der x-Achse ist der mittlere Abstand zur Sonne (links) und “Q” (rechts) in Astronomischen Einheiten aufgetragen. Die y-Achse zeigt die Exzentrizität der Bahnen (unten) und die Neigung der Bahnen (oben). Rote Punkte zeigen Asteroiden an, die zu Beginn der Simulation zur Sonne gehört haben; die blauen Punkte sind Asteroiden die anfangs den Stern “Q” umkreist haben. Man erkennt schön, dass die Sonne ihre innere Population an Asteroiden behalten hat, sich aber dafür eine weit nach außen reichende Gruppe neuer “Q”-Asteroiden zugelegt hat. Der schwerere “Q” hat dagegen die Sonnen-Asteroiden viel rabiater an sich gerissen und mit seinen eigenen vermischt.
Es ist natürlich eine interessante Hypothese und eine, die auch nicht unbedingt unplausibel ist. Nahe Begegnungen zwischen Sternen kommen durchaus vor (zumindest “nahe” im astronomischen Sinn), ganz besonders in der Jugendzeit der Sterne. Denn Sterne entstehen ja in den seltensten Fällen alleine, sondern immer gemeinsam mit vielen anderen Sternen. Die sind sich anfänglich auch recht nahe, bevor sie im Laufe der Zeit auseinander driften. Aber es ist natürlich schwer, diese Hypothese des Asteroidenraubs auch zu belegen.
Jílková und ihre Kollegen weisen allerdings darauf hin, dass Beobachtungsdaten des Weltraumteleskops GAIA vielleicht bald ein bisschen mehr Informationen zu diesem Thema liefern könnten. Es wird erwartet, dass GAIA ungefähr 50 neue Asteroiden in der Sedna-Region entdecken wird. Und da GAIA eine ganze Milliarde Sterne genau vermessen wird, stehen auch die Chancen gut, dass man “Q” darunter findet. Man könnte ihn daran erkennen, dass seine chemische Zusammensetzung der der Sonne recht ähnlich ist, da sie ja vermutlich gemeinsam aus der gleichen kosmischen Wolke entstanden sind. Andererseits wird “Q” auch nicht mehr so aussehen wie früher: Da er schwerer ist hat er sich auch schneller entwickelt und wird mittlerweile schon ein weißer Zwerg sein. Es wird schwer sein, ihn dann noch als Ursprung der Sednitos und Dieb von Sonnen-Asteroiden dingfest zu machen. Aber ein Happy End gäbe es dann trotzdem noch, meinen Jílková und ihre Kollegen: Da “Q” bei seiner Entwicklung zum weißen Zwerg viel Masse verloren hat, dürfte seine Gravitationskraft nicht mehr ausreichen, um die gestohlenen Sonnen-Asteroiden in ihren fernen Umlaufbahnen festzuhalten. Sie würden nun als freie Asteroiden durch die Milchstraße ziehen ohne an einen Stern gebunden zu sein…
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