Aber egal ob 26 Grad Celsius, 80 Grad Fahrenheit oder 540 Grad Rankine: Heiß ist es immer noch auf der Strecke! So heiß, dass einigen der vor mir liegenden Läufer anscheinend schon die Kräfte ausgehen. Jedenfalls habe ich bis zur Halbmarathonmarke in Laucha schon wieder einige derjenigen überholt, die zuvor mich überholt haben ohne dafür schneller laufen zu müssen. Meine genaue Position im Feld kann ich aber nicht mehr sagen, denn mittlerweile laufe ich auf das langsame Ende des Halbmarathons auf, der erst hier und jetzt gestartet wurde, damit alle gemeinsam im Ziel in Nebra ankommen können. Es wird jetzt also ein wenig unübersichtlich und ich überhole viele Leute, ohne zu wissen, ob es Marathon- oder Halbmarathonläufer sind. Aber irgendwo in der Nähe von Platz 10 müsste ich mich eigentlich gerade aufhalten.
Nach dem zweiten Platzregen verschwinden die Wolken und es wird richtig ungemütlich. Zumindest was die Temperatur angeht; die Strecke ist immer noch schön. Aber auf den letzten 10 Kilometern wird so ein Marathon dann meistens auch ordentlich anstrengend und ich merke die fehlende Ruhe in der Vorbereitung jetzt massiv. Bei meinem Marathon in Wien war ich bei Kilometer 32 noch so gut in Form, dass ich das Tempo für den Schluss noch ordentlich steigern konnte. Jetzt bin ich froh, wenn ich nicht allzu sehr einbreche und meine Geschwindigkeit halbwegs halten kann. Ab und zu probiere ich zwar, ein bisschen mehr Gas zu geben, merke dann aber jedesmal sofort, wie sich Krämpfe in den Oberschenkelmuskeln ankündigen und lasse es dann wieder bleiben. Denn ins Ziel möchte ich schon noch kommen…
Einen Marathonkollegen erkenne ich jetzt doch noch vor mir. Ungefähr bei Kilometer 20 hat er mich in einem solchen Tempo überholt, dass ich nicht damit gerechnet hätte, ihn vor dem Ziel wieder zu sehen. Aber bei Kilometer 39 bin ich dann doch noch an ihm vorbei und in die kleine Ortschaft Wangen gelaufen, an deren Ende die Arche Nebra und das Ziel liegt. Gemeinerweise auf einem Hügel und diese letzten 600 Meter Anstieg sind nach der langen Strecke nicht mehr wirklich spaßig. Aber immerhin gibt es hier jetzt wirklich viele Zuseher links und rechts der Straße die mich anfeuern. Die Ziellinie ist nicht mehr weit und die einzige Temperatur die mich dann noch interessiert, ist die des Biers das ich vorhabe, zu trinken!
Die könnte ich in noch jeder Menge weiteren Skalen messen. Neben Grad Newton, Rømer, Rankine, Fahrenheit, Celsius und (nicht Grad) Kelvin gibt es auch noch Grad Delisle, Grad Réaumur, Grad Wedgewood, Grad Leiden, die Gas-Mark-Skala, usw. Die Messung der Temperatur hat die Menschen – ganz zu Recht – sehr intensiv beschäftigt und sie haben jede Menge Methoden entwickelt, sie wissenschaftlich zu beschreiben. Und jetzt schließt sich auch der Kreis: Denn im Ziel bekomme ich eine Medaille umgehängt, auf der eines der ältesten “Messinstrumente” zur Beschreibung der Natur zu sehen ist. Die Himmelsscheibe von Nebra ist natürlich kein Thermometer und kein wissenschaftliches Instrument im modernen Sinn. Aber die Menschen vor 4000 Jahren haben sie nicht nur als religiöses Kultobjekt benutzt, sondern auch um einen Überblick über den Kalender zu bekommen und wichtige Daten im Jahresablauf festzuhalten.
Ich freue mich wirklich über diese schöne Medaille und über bin gespannt, wo ich im endgültigen Klassement tatsächlich gelandet bin. Eine Ergebnisliste hängt aber noch nicht aus und als ich meine Urkunde abholen will, sagt man mir nur, dass ich auf die Siegerehrung warten soll und ich sie dort bekommen werde. Ok, dass ich in meiner Alterklasse (35-40 Jahre) unter den ersten drei gelandet bin, erschien mir nicht unplausibel. Ich musste meiner Rechnung nach irgendwo um Platz 10 herum gelandet sein und da stehen die Chancen gut, dass nur zwei gleichaltrige Läufer vor mir waren. Als die Siegerehrung dann stattfand war ich aber enorm überrascht, dass ich auf dem dritten Platz der Gesamtwertung eingelaufen bin! Und das mit einer Zeit von 3 Stunden und 27 Minuten die bei einem Marathon normalerweise nicht dafür reicht, auch nur in irgendeiner Kategorie irgendwas zu gewinnen. Aber das überschaubare Starterfeld und die hohen Temperaturen haben – zumindest für mich! – eben doch ihre Vorteile (und hätte ich gewusst, dass man dieses Rennen mit einer Zeit von 3h22 sogar gewinnen kann, hätte ich an den Verpflegungsstellen nicht so rumgetrödelt…).
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