Hat ganz andere Probleme mit seiner Nase: Pinocchio (Bild: gemeinfrei)

Hat ganz andere Probleme mit seiner Nase: Pinocchio (Bild: gemeinfrei)

Bei der alternativen Theorie des Geruchs geht es nun darum, dass ein Elektron im Rezeptor mittels des Tunneleffekts von einem Energieniveau zum anderen wechselt. Damit das klappt muss es eine bestimmte Energie haben und das Elektron kann das erreichen in dem es zuvor ein wenig Energie an ein anderes Molekül abgibt. Ein Molekül, das genau den richtigen Vibratationszustand hat, um diese überschüssige Energie des Elektrons aufnehmen zu können. Es läuft also so ab: Ein Molekül, dessen chemische Bindungen genau die richtigen Vibrationsfrequenzen haben trifft in der Nase auf einen Rezeptor. Eines seiner Elektronen kann ein bisschen seiner Energie an das Molekül abgeben und ist dadurch fähig, über den Tunneleffekt auf ein anderes Energieniveau zu wechseln. Dadurch regt es die Neuronen an, die am Ende ein Signal ins Gehirn schicken, das wir als “Geruch” interpretieren. Wir riechen also, indem wir die Vibrationen chemischer Bindungen in Molekülen registrieren.

Eine faszinierende Theorie, für die einiges spricht: Zum Beispiel sollte unser Geruchssinn prinzipiell in der Lage sein, Isotope verschiedener Elemente zu unterscheiden. Experimente zeigen, dass das in bestimmten Fällen auch tatsächlich so ist. Mit der Vibrationstheorie des Geruchs lassen sich auch einige andere Dinge erklären, die mit der klassischen Theorie der Molekülformen nicht erklären lassen. Es gibt allerdings auch Experimente, die nicht zur Vibrationstheorie passen und es ist offensichtlich, dass hier noch viel Arbeit zu erledigen ist, bevor wir wirklich wissen, warum Dinge so riechen, wie sie riechen.

Die Idee, dass der Tunneleffekt der Quantenmechanik für so etwas alltägliches wie den Geruchssinn verantwortlich ist, ist aber ohne Zweifel sehr attraktiv. Vor allem, weil wir wissen, dass genau dieser Effekt anderswo definitiv eine wichtige Rolle spielt. Er ist zum Beispiel der Grund dafür, warum die Sonne leuchtet! Im Inneren unseres Sterns kollidieren Wasserstoffeatome miteinander um zu Helium zu verschmelzen. Bei dieser Kernfusion wird Energie frei, die ins All hinaus strahlt und (unter anderem) auf die Erde trifft und dort das Leben ermöglicht. Normalerweise würden die Wasserstoffatome bei Kollisionen ja voneinander abprallen. Sie haben die gleiche elektrische Ladung und würden sich gegenseitig abstoßen, genau so wie zwei Magnete. Aber weil es im Inneren der Sonne enorm heiß ist (über 10 Millionen Grad), bewegen sie sich so schnell, dass sie miteinander verschmelzen. Zumindest einige von ihnen, denn nicht alle sind schnell genug. Je höher die Temperatur, desto höher ist auch die Durchschnittsgeschwindigkeit. Das heißt, dass sich immer einige Atome viel schneller als der Durchschnitt bewegen und einige viel langsamer. Die schnellsten Atome sind schnell genug um verschmelzen können. Und wenn man das ganze entsprechend berechnet, dann zeigt sich, dass es in der Sonne eigentlich zu kühl ist, um ausreichend Atome ausreichen schnell zu machen. Zu wenige von ihnen würden verschmelzen, um sie so hell leuchten zu lassen, wie sie es tut.

Berücksichtigt man aber den Tunneleffekt, dann ändert sich das Bild! Der Tunneleffekt ermöglicht es auch manchen der langsamen Atome, die elektromagnetische Abstoßung zu überwinden und trotz der geringen Geschwindigkeit zu verschmelzen. Insgesamt finden so genug Fusionen statt, um die Sonne mit der nötigen Energie strahlen zu lassen.

Die gleichen seltsamen quantenmechanischen Effekte, die unsere Sonne leuchten lassen, sind also vielleicht auch dafür verantwortlich, dass unsere Nase den Geruch der Welt wahrnehmen kann! Im Mühlviertler Most steckt also nicht nur die Energie der Sonne selbst, sondern auch der Mechanismus mit dem sie in der Lage ist, diese Energie zu erzeugen…

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Kommentare (3)

  1. #1 Kathi Keinstein
    22. Juni 2015

    Ein spannender Artikel – sowohl den Geruchssinn als auch die Kernfusion in der Sonne betreffend! Danke dafür!

    Ich habe vor einem Jahr für die fachwissenschaftliche Vertiefung im Studium aufs höhere Lehramt Chemie eine Arbeit über die Entstehung der chemischen Elemente geschrieben. Dabei habe ich mich natürlich auch mit der Kernfusion in Sternen beschäftigt…aber die Bedeutung des Tunneleffekts ist mir dabei irgendwie entgangen. Dabei scheint sie mir nicht einmal völlig neu zu sein (oder bilde ich mir das jetzt nur ein? 😉 ). Da ich jedenfalls darüber nachdenke die Entstehung der Elemente auf meinem eigenen Blog (www.keinsteins-kiste.ch) zu thematisieren, werde ich dem Tunneleffekt vorher nochmal nachgehen.

  2. #2 inge schuster
    22. Juni 2015

    “um an die Rezeptoren der Nase gebunden zu werden, muss die Vibration auf eine bestimmte und passende Art und Weise statt finden.”

    Leider keine faszinierende Theorie! Ernstzunehmende Studien an entsprechenden Geruchsrezeptoren haben keine Bestätigung der mehrfach aufgewärmten Idee gefunden. (Siehe auch Artikel im letzten PNAS-Heft).

    Falls jemand etwas über den Riechvorgang und die biomimetischen Ansätze für eine “künstliche Nase” aus seriöser Hand lesen möchte (2. Teil eines Dreiteilers, auf Teil 1 und 3 wird im Anhang zum Artikel verlinkt):
    https://scienceblog.at/die-biomimetische-künstliche-nase-%E2%80%93-wie-weit-sind-wir-teil-2-aufbau-und-funktion-physiologischer

  3. #3 Christian der 1.
    23. Juni 2015

    Was in Bad Zell bist unterwegs. Na da muß ich mal dir Regionalblätter durchsuchen, groß angekündigt hab ich da noch nichts gesehen.

    Besuchst du auf deinen Vortragsreisen öfter so kleine Orte, oder hast da eine besondere Verbingung zum Ort?