Wenn es etwas gibt, das mich an der Astronomie immer wieder aufs Neue fasziniert, dann ist es die Tatsache, dass man hier tatsächlich und ganz konkret in die Vergangenheit schauen kann. Jeder Blick hinaus ins Weltall ist ein Blick zurück in der Zeit. Wir sehen die Sterne und Galaxien so, wie sie ausgesehen haben, als sich das Licht von dort auf den Weg zu uns gemacht hat. Und weil das Weltall wirklich groß ist, kann das ein ganzes Stück weit in der Vergangenheit passiert sein. Noch schöner aber ist es, wenn man auf einen Blick verschiedene Vergangenheiten sehen kann. So wie auf diesem Bild hier:
Was man hier sieht ist die Galaxiengruppe NGC 5813. Das Licht hat von dort ungefähr 105 Millionen Lichtjahre bis zu uns gebraucht bevor es dann endlich auf die Detektoren der Astronomen gefallen ist. Das Bild zeigt eine optische Aufnahme der Region, der eine Röntgenaufnahme überlagert ist, die mit dem Weltraumteleskop Chandra erstellt wurde (“A Very Deep Chandra Observation of the Galaxy Group NGC 5813: AGN Shocks, Feedback, and Outburst History”). Die Röntgenstrahlung ist in violett zu sehen und sie stammt hauptsächlich vom dünnen, heißen Gas das sich zwischen den Galaxien der Gruppe befindet.
Die Aufnahme ist an sich schon bemerkenswert, denn so lange wie für dieses Bild wurde das Chandra-Teleskop noch nie eingesetzt. Insgesamt hat man den Detektor mehr als 7 Tage lang belichtet! Aber es hat sich gelohnt, denn was man hier sieht, ist faszinierend. Vielleicht schaut es auf den ersten Blick nicht so aus, aber das macht ja nichts. Wir können ja einfach ein wenig genauer und länger hinsehen!
Im Zentrum des Bildes und damit auch im Zentrum der Galaxie in der Mitte der Galaxiengruppe befindet sich – so wie in jeder Galaxie – ein supermassereiches schwarzes Loch. Das schwarze Loch rotiert um seine Achse und jede Menge Gas und Staub strömt spiralförmig auf es zu. Die Wechselwirkung zwischen dem schwarzen Loch und dem ganzen Material erzeugt starke Magnetfelder, die einen Teil des Gases mit hoher Geschwindigkeit ableiten. So wie ein Leuchtturm Licht in zwei Kegeln abstrahlt, bewegen sich geladene Teilchen entlang zweier großer “Magnetfeldkegel” und werden mit hohen Geschwindigkeiten hinaus ins All und auch hinaus aus der Galaxie geschleudert.
Dort trifft es auf das Gas der intergalaktischen Materie und es entstehen Stoßwellen, die riesige “Löcher” im Gas erzeugen. Genau die kann man im Bild erkennen und damit das ein wenig leichter fällt, sind sie hier noch einmal extra markiert:
Man erkennt gut, dass es drei verschiedene Paare sind: Zwei sehr große oben und unten weit entfernt vom schwarzen Loch – ungefähr 30 Kiloparsec; also fast 100.000 Lichtjahre. Zwei weitere etwas mehr in der Mitte, circa 10 Kiloparsec vom Zentrum entfernt und zwei kleinere ganz in der Nähe des schwarzen Lochs mit nur knapp einem Kiloparsec Abstand. Wir sehen hier auf einen Blick die ganze Geschichte des Lochs und der Galaxiengruppe! Die äußersten beiden Löcher sind als erstes entstanden. Und so wie Luftblasen im Wasser nach oben steigen, haben auch sie sich im Laufe der Zeit vom schwarzen Loch nach außen durch das Gas bewegt. Ungefähr 20 Millionen Jahre danach hat das schwarze Loch ein weiteres Mal große Mengen an Material durch die Gegend geschleudert und das zweite Paar an Löchern erzeugt. Und nochmal knapp 20 Millionen Jahre später wurde das dritte, innerste Paar erzeugt. Bzw. wird es immer noch erzeugt, denn die Daten weißen darauf hin, dass diese Eruption des Lochs immer noch andauert (und noch ein bisschen dauern kann – das ist keine kurze, abrupte Explosion sondern ein Vorgang, der ein paar Millionen Jahre braucht).
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